Verfolgung in Oberhof Biathletin Preuß - "Voller Angriff nach vorne"
Die deutschen Biathletinnen und Biathleten machen im neuen Jahr da weiter, wo sie im vergangenen aufgehört haben. Sprint-Sieg bei den Männern, Platz zwei bei den Frauen - es könnte in Oberhof nicht besser sein, möchte man meinen. Wobei das i-Tüpfelchen noch fehlt. Für genau dieses geht der Blick Richtung Verfolgung.
Als Franziska Preuß im Sprint von Oberhof die Ziellinie überfährt, leuchtet auf den LED-Wänden im Stadion die 1 auf. 12.000 Zuschauer toben - nach einem zumindest am Schießstand perfekten Rennen liegt die 29-Jährige beim Heim-Weltcup in Führung. Auf der Tribüne wird sich abgeklatscht, kurz darauf huscht auch Preuß das erste Lächeln übers Gesicht.
"Es ist endlich soweit" werden sich Trainer und Manschaftskolleginnen gedacht haben - "endlich belohnt sich Franzi für ihre bislang so starke Saison und holt ihren ersten Sieg." Doch die Hoffnung hält nicht lange an - nur Minuten später fliegt die Gesamtweltcup-Führende Justine Braisaz-Bouchet förmlich ins Ziel. Und wieder leuchtet auf den Leinwänden der Arena am Rennsteig die 1 auf. "Ich habe auf der letzten Runde schon gedacht: Vielleicht klappt es heute mal mit einem Sieg", blickt Franziska Preuß zurück. Aber nein, auch an diesem Freitagnachmittag sollte sie "nur" zweite Siegerin bleiben.
Bereits zwei Mal schlitterte Preuß in diesem Winter denkbar knapp an Siegen vorbei. In der Verfolgung von Östersund fehlten ihr im Dezember nur 0,3 Sekunden zum Triumph. Die Spitze des Eisbergs war jedoch schon ein paar Tage zuvor erreicht: Der Sprint in Schweden endete damals dramatisch. 0,1 Sekunden lautete der Rückstand auf die Siegerin. Eine Zehntel fehlte der besten Deutschen auf Lisa Vittozzi aus Italien. Im Sprint von Oberhof war Preuß nun 4,4 Sekunden langsamer als Braisaz-Bouchet.
"Ich bin erleichtert"
Nach dem ersten Rennen beim Heim-Weltcup in Oberhof ist die Bayerin eine gefragte Frau. Zig Interviews muss sie in der sogenannten Mixed Zone geben - und nicht nur ein Mal wird sie gelöchert: "Freuen Sie sich denn nun über den zweiten Platz oder überwiegt die Enttäuschung, dass es nicht zum Sieg gereicht hat?" Immer wieder lächelt sie freundlich. "Ich bin sehr erleichtert", berichtet die Olympia-Bronzemedaillengewinnerin. "Ich habe mich heute gar nicht so frisch gefühlt, was die Beine angeht. Ich bin positiv überrascht, weil ich über Weihnachten eher nochmal Grundlagen und Kraftausdauer trainiert habe. Da merke ich noch ein bisschen, dass die End-Spritzigkeit noch nicht da ist. Aber ich hoffe, die kommt jetzt von Rennen zu Rennen, wenn der Motor wieder anläuft."
In der Verfolgung könnte es erstmals klappen
Somit sind Hoffnung und Zuversicht auf einen baldigen Sprung aufs oberste Treppchen durchaus begründet. Die 29-Jährige schraubt nach eigener Aussage noch an ihrer Form - läuferisch ist also noch mehr von ihr zu erwarten. In der anderen Disziplin schnurrt, um in Preuß’ Bild zu bleiben, der Motor bereits. Fehlerfrei und schnell - mit solchen Schießen wie im Sprint von Oberhof macht man Eindruck - auch auf die Konkurrenz. Da die Verfolgung mit vier Einlagen ein schießlastiger Wettkampf ist, könnte vor heimischem Publikum etwas nach ganz vorne gehen. "Es ist eine gute Ausgangsposition", sagt Preuß und setzt nach. "Ich bin motiviert, dass ich es Justine nicht ganz so leicht mache."
Franziska Preuß strahlt Spaß und Selbstvertrauen aus. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. Auch in diesem Winter wurde sie bereits von Krankheiten heimgesucht, eroberte nach einem grandiosen Saisonstart das Gelbe Trikot - und musste es doch schnell wieder abgeben. Corona legte sie lahm. In Lenzerheide vor dem Jahreswechsel zeigte sie mit zwei Top-Ten-Ergebnissen bereits, dass trotz aller Widrigkeiten mit ihr zu rechnen ist. Im Sprint von Oberhof ist ihr nun der nächste Schritt geglückt. Fehlt eigentlich nur noch einer. "Voller Angriff nach vorne", gibt Franziska Preuß die Richtung für die Verfolgung vor. Vielleicht gelingt dann ja bereits das langersehnte i-Tüpfelchen.