Von der Leichtathletik zum Bob Simon Wulff - Viertschnellster Deutscher jetzt im Friedrich-Bob
Neuer Turbo für Francesco Friedrich: Der ehemalige Leichtathlet Simon Wulff verstärkt als neuer Anschieber das Team des Bob-Dominators.
Von der Leichtathletik zum Bobsport – das ist eine altbekannte Geschichte. Auch den Dresdener Wulff hat es von der Tartanbahn in den Eiskanal gezogen. Und zwar in den Bob vom vierfachen Olympiasieger Francesco Friedrich. Dabei ist der Dresdener gerade einmal 23 Jahre jung – und erst recht nicht zu langsam für die Leichtathletik. Ausgerechnet in seinem letzten Wettkampf hat er über die 100 Meter alle überrascht.
10,06 Sekunden – als Wulff diese Zeit auf der Anzeigetafel in Dresden liest, macht sich leichte Ungläubigkeit in seinem Gesicht breit. Beim Meeting "Goldenes Oval" in seiner Heimatstadt pulverisiert Wulff seine Bestzeit und wird nur knapp Zweiter hinter Kanadas Staffel-Olympiasieger Jerome Blake.
Eigentlich wollte er sich mit einer soliden Performance über die 100 Meter von der Leichtathletik verabschieden. Doch mit dieser Spitzenzeit sortiert er sich prompt auf dem vierten Platz der ewigen deutschen Bestenliste ein. "Das war schon etwas Besonderes, etwas Außergewöhnliches", bilanziert Wulff den Wettkampf vor seinen heimischen Fans und Freunden.
Bobtraining ermöglicht Spitzenzeit
Der Wechsel zum Bobsport stand für Wulff schon lange vor dem Wettkampf in Dresden fest. Bereits seit den späten Wintermonaten der Vorsaison ist er im Bobtraining. Parallel absolviert er aber auch noch Trainingseinheiten auf der Tartanbahn. Für Wulff das Erfolgsrezept für die Leistungssteigerung. "Ich glaube das kam einfach durch dieses andere Training. Kräftige Zugwiderstandsläufe und mehr Gewicht. Ich musste Gewicht aufbauen und habe glaube ich knapp acht oder neun Kilo zugenommen. Und das hat dann am Ende alles irgendwie zusammengespielt." Gerade am Start und in der Beschleunigung habe sich das Bobtraining bemerkbar gemacht.
Simon Wulff beim Goldenes-Oval-Meeting in Dresden
Durch zufällige Trainings-Begegnung zum Bobsport
Im vergangenen Jahr hat Wulff in den vereinigten Staaten gelebt und trainiert. Die Weihnachtsfeiertage hat er dann in seiner Heimat in Dresden verbracht und dort natürlich auch ein paar Trainingseinheiten absolviert. Da begegnete er zufällig dem Anschieber Alexander Schüller aus dem Team von Francesco Friedrich. Der hat Wulffs Potenzial offenbar sofort erkannt und ihn direkt gefragt, ob er mal mit zum Bobtraining kommen möchte. "Erstmal habe ich das als Joke verstanden", sagt Wulff rückblickend.
Doch aus dem Gespräch in der Trainingshalle wurden schnell konkrete Pläne. "Der erste Kontaktversuch war definitiv eine WhatsApp in die USA, wo ich mich persönlich vorgestellt habe und ihn gebeten habe, ob wir ins Gespräch kommen", erinnert sich Co-Bundestrainer im Bobsport Gerd Leopold. Und die Pläne konkretisierten sich weiter. Leopold, der gleichzeitig auch Bundesstützpunkttrainer in Altenberg ist, hat sich sehr um den jungen Leichtathleten bemüht und ihm eine Perspektive im Bobsport geboten. Sein größter Köder: Die olympischen Spiele 2026 in Cortina.
Olympia 2026 in Italien
Wulffs großes Ziel ist gleichzeitig auch seine größte Motivation. "Ich würde sagen generell einfach Olympia, ich glaube das ist für jeden Sportler einfach der größte Traum. Und wenn man weiß, das kommt jetzt relativ bald, eineinhalb Jahre, dann ist das natürlich auch ein Ziel, was direkt vor Augen ist." Dass das auch mit ausschlaggebend für den Wechsel war, gibt er ganz offen zu. Im Bob habe er deutlich bessere Voraussetzungen aber auch Ambitionen für Olympia als in der Leichtathletik.
Und die Chancen auf erfolgreiche Spiele in Cortina sind gut. So sitzt der 23-Jährige – wenn alles gut läuft – mit dem viermaligen Olympiasieger und Dominator des Bobsports, Francesco Friedrich, im Bob. Natürlich muss sich der 23-Jährige erst einmal an die neuen Trainingsabläufe gewöhnen und mehr Routine bekommen. Doch auch Friedrich blickt optimistisch in die Zukunft und will mit Wulff zusammen bei Olympia "eine gute Performance auf das Eis zaubern."
Francesco Friedrich bei der Weltmeisterschaft 2024 in Winterberg
Erster Einsatz zuhause in Altenberg
Nicht nur Wulffs Sprintfähigkeit ist für den Bobsport prädestiniert, auch seine körperlichen Voraussetzungen passen optimal. Der Dresdner ist gut zwei Meter groß und bringt ordentlich Masse mit. "Das ist natürlich perfekt für uns", beurteilt Bob-Bundestrainer Rene Spies. Durch seine Größe, sein Gewicht und die Hebelverhältnisse kann er die Kraft optimal auf den Bob übertragen. Co-Bundestrainer Leopold lobt außerdem Wulffs mentale Stärke. Er sei ein Athlet, der Wettkämpfe und die Herausforderung liebt.
An seinen Fähigkeiten schraubt der 23-Jährige mit einem Trainerteam. Neben dem Stützpunkttrainer und seinem Kraft- und Athletiktrainer in Dresden, arbeitet er weiterhin auch mit seinem Sprinttrainer in Leverkusen zusammen.
Simon Wulff bei der deutschen Meisterschaft 2024 in Altenberg
In dieser Saison ist Wulff bei zwei Teams im Einsatz – auch um besonders viel Erfahrung zu sammeln. Neben Friedrich fährt er auch noch beim Jungpiloten Alexander Czudaj im Europacup mit. In Altenberg – also quasi zuhause – wird er dann zusammen mit Friedrich seinen ersten internationalen Einsatz haben. Vor heimischen Fans und Freunden geht es dann am 7. Dezember auf der großen Bühne in den Eiskanal. Der Höhepunkt der Saison folgt dann im Februar: die Weltmeisterschaft im amerikanischen Lake Placid.
Leichtathletik-Comeback nicht ausgeschlossen
Für Wulff gilt zumindest bis Olympia 2026: voller Fokus auf den Bobsport. Aber was ist danach? Geht es dann – wie zum Beispiel auch für Alexandra Burghardt – wieder zurück zur Leichtathletik? "Ja ich glaube das steht auf jeden Fall irgendwo im Raum. Aber das werden wir dann sehen", so Wulff. Ganz unrealistisch wäre ein Comeback jedoch nicht – auch der deutsche Leichtathletik Verband hat bereits in diese Richtung beim Bobverband angefragt. Immerhin stehen 2028 auch schon die nächsten Spiele an.