WTA Finals Nett in Riad - Tennis-Damen spielen in Saudi Arabien
Bei den WTA Finals gäbe es aus rein sportlicher Sicht viel zu besprechen inklusive der Frage nach der Nummer 1 der Weltrangliste. Es wird auch viel gesprochen. Das aber abseits des Sportlichen.
Auf einmal war da viel Normalität, nach einem Schritt, der die Tenniswelt über die vergangenen zwei Jahre ordentlich in Unruhe versetzt hatte. So beschied Grand-Slam-Dauersiegerin Iga Swiatek vor dem Start des Jahresendturniers in Riad: "Seitdem wir hier angekommen sind, ist jeder nett zu uns. Wir haben das Gefühl, dass man sich um uns kümmert." Auch Aryna Sabalenka, neue Nummer 1 im Damentennis, stellte heraus, welch großen Aufwand der Gastgeber Saudi-Arabien betreibt, um den Frauensport nach vorne zu bringen: "Ich bin wirklich beeindruckt. Ich bin sehr glücklich, hier vor Ort und damit ein kleiner Teil von Geschichte zu sein."
Kein bisschen Unbehagen, zumindest nach außen hin nicht. Das scheint die Devise zu sein bei den besten acht Spielerinnen der Tennissaison, die vom 2. bis 9. November in der saudi-arabischen Hauptstadt um Millionenpreisgelder spielen werden.
Showturnier der Männer in Riad
Schon seit geraumer Zeit wird Saudi-Arabien vorgeworfen, Sportswashing zu betreiben, also die Verbesserung seines schlechten Images durch harmlose Sportveranstaltungen. Über die letzten Jahre gaben sich Weltklasseboxer und weitere große Namen aus der Sportwelt die Klinke in die Hand. Es gibt regelmäßige Tourstopps der Formel 1 und im Golf. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 wird, sollte nichts Sensationelles mehr passieren, ebenfalls in Saudi-Arabien stattfinden.
Auch die männlichen Kollegen von Swiatek und Co. spielten vorvergangene Woche in Riad ein Showturnier mit dem martialischen Titel "Six Kings Slam" aus. Geködert wurden die Spieler, darunter auch Rafael Nadal und Novak Djokovic, mit einem fast schon obszön wirkenden Antrittsgeld von 1,5 Millionen Dollar. Jannik Sinner, der Sieger der Veranstaltung, bekam sechs Millionen Dollar für drei gewonnene Matches.
Kritik von Navratilova und Evert
Es gibt also keinen Grund, mit dem Finger nur auf die Tennisdamen zu zeigen, sie machen nichts anderes als ihre männlichen Sportkollegen. Trotzdem hat der Schritt hin nach Saudi-Arabien in der Tennisszene eine gewisse Ernüchterung hinterlassen. Schließlich stand Damentennis mit seinen Ikonen wie Billie Jean King, Martina Navratilova und Chris Evert stets für mehr als Sport. Sie und viele andere sehen sich als feministische Vorkämpferinnen, die für Gleichberechtigung einstehen.
Während Navratilova und Evert die Wahl des Ortes immer wieder kritisierten, mit ihrem Einfluss wohl auch dazu beitrugen, dass Riad nicht schon im vergangenen Jahr Gastgeber wurde, steht Billie Jean King dem Unterfangen offener gegenüber. Sie gehört zu denjenigen, die glauben, dass die WTA mit ihrem Schritt die Situation für die Frauen vor Ort verbessern kann. Navratilova und Evert hatten erst Anfang des Jahres in einem Meinungsstück für die "Washington Post" darauf hingewiesen, dass "die Werte der WTA in krassem Gegensatz zu denen des Gastgebers stehen".
Martina Navratilova
WTA hat wirtschaftlich schwierige Jahre hinter sich
Ob man diese Meinung als naiv oder nicht abtut, das Jahresfinale der besten acht Spielerinnen ist für die kommenden Jahre fest nach Saudi-Arabien vergeben, und es verschafft der WTA erstmal eine gewisse Atempause. Denn die hat wirtschaftlich schwierige Zeiten hinter sich. In den 2010er-Jahren hatte das Frauentennis einen immer stärkeren Fokus auf den Markt in China gelegt, mehrere große Turniere, inklusive der Finals, wanderten hierher. Fast 30 Prozent des Umsatzes generierte die Organisation in Fernost. Doch der Umsatz brach 2020 mit Beginn der Corona-Pandemie ein.
Als 2021 die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai einen hochrangigen Politiker des sexuellen Missbrauchs bezichtigte, verschwand sie kurze Zeit später aus der Öffentlichkeit. Steve Simon, der CEO der WTA, zeigte daraufhin viel beachtete Stärke, indem er verkündete, dass die Frauentour so lange keine Turniere in China mehr austragen würde, wie das Schicksal von Peng Shuai nicht bekannt sei.
Fall Peng Shuai zeigt begrenzte Macht des Frauen-Tennis
Doch dass die Macht des wohl wirtschaftlich stärksten Frauen-Profisports begrenzt ist, musste auch Simon feststellen. Kleinlaut gab er 2023 zu Protokoll, dass man den Turnier-Boykott nicht aufrecht erhalten könne, weil keine Fortschritte zu erzielen seien, was den Fall Peng Shuai angeht. Im Nachhinein musste zudem wohl konstatiert werden, dass der Boykott der WTA reine Symbolik war, weil in den Jahren 2021 und 2022 wegen Chinas No-Covid-Politik eh keine Profisport-Veranstaltungen in China abgehalten wurden. Immerhin brachte die Aktion mehr Aufmerksamkeit für den Fall als das Dauerschweigen im Herrentennis zu der Thematik.
Ob in den kommenden Tagen, wenn der sportliche Wettkampf in Riad Fahrt aufgenommen hat, überhaupt kritische Töne von den Spielerinnen oder Verantwortlichen zur Menschenrechtslage in Saudi-Arabien zu hören sein werden, darf bezweifelt werden. Dabei ist eine Spielerin direkt von der drakonischen Gesetzgebung vor Ort betroffen - zumindest in der Theorie. Denn Daria Kasatkina, erste Ersatzspielerin, die bei einer Verletzung der qualifizierten Spielerinnen zum Einsatz käme, lebt seit Jahren in einer Beziehung mit ihrer Partnerin Natalja Sabijako.
Angesprochen auf eine mögliche Teilnahme beim Jahresendturnier in Riad, gab sich Kasatkina am Rande des WTA-Turniers in Madrid gelassen: "Mir ist garantiert worden, dass ich keine Probleme haben werde. Und wenn ich mich qualifiziere, heißt das ja, dass ich in den Top 8 stehe. Das wären großartige Nachrichten für mich." Ganz so großartig waren die Nachrichten am Ende nicht für sie. Schließlich reichte es nur für Rang 9. Ob sich das Jahresendturnier langfristig als großartige Nachricht für den Sport erweist, auch das darf momentan noch bezweifelt werden.
Gauff: "Wir müssen einen echten Plan haben"
Coco Gauff, US-Open-Siegerin 2023, war die einzige der Spielerinnen, die keine Normalität vorgaukeln wollte: "Ich bin mir der Lage hier in Saudi-Arabien bewusst. Sport kann Türen für Menschen öffnen. Ich war bei jedem Call mit den Spielerinnen dabei. Ich habe gesagt: Wenn wir hierherkommen, dann können wir nicht nur das Turnier spielen und wieder abreisen. Wir müssen einen echten Plan haben. Wenn man Änderungen haben möchte, muss man sie auch sehen."
Coco Gauff beim Training in Riad