Alexander Zverev während des Viertelfinal-Spiels gegen Taylor Fritz

Die Zeit läuft davon Tennisprofi Zverev - 35 Mal probiert, 35 Mal ist nichts passiert

Stand: 04.09.2024 15:01 Uhr

Die Chance schien nach dem frühen Aus von Novak Djokovic und Carlos Alcaraz riesig - doch Alexander Zverev hat auch bei den US Open seinen ersten Grand-Slam-Titel verpasst. So planlos und ratlos wie nach der Viersatz-Niederlage gegen den Amerikaner Taylor Fritz wirkte er aber selten, doch ein Ansatz zur Lösung liegt bei ihm selbst.

Von Christian Hornung und Joel Denker

US Open, French Open, Wimbledon, Australian Open. Diese vier Turniere haben alle ihre Besonderheiten. Nicht nur die Bodenbeläge sind mal sandig und rot, mal hart und blau oder mal grün, am Ende der Rasenwoche ins Graue changierend.

Alle Austragungsorte haben ihre eigene Magie und ihre eigene Geschichte. Doch die Geschichte, die Alexander Zverev mit New York, Paris, Melbourne und London verbindet, hat sich inzwischen deutlich zu oft wiederholt.

Zverev: Fünfsatz-Niederlagen gegen Thiem und Alcaraz

35 Mal stand der 27-jährige Zverev bei einem dieser vier Grand Slams im Hauptfeld, 35 Mal gab es am Ende der zwei Turnierwochen einen anderen Sieger als ihn. Seit 2015 hat es ihn viermal in der 1. Runde erwischt, viermal in der 2. Runde, siebenmal in Runde 3, ebenso oft im Achtelfinale. Jetzt mit der Niederlage gegen Fritz mal war das Viertelfinale zum fünften Mal seine Endstation, sechsmal das Halbfinale. Zweimal stand er im Endspiel.

Bei seiner Premiere in einem Grand-Slam-Finale vor vier Jahren bei den US Open gegen Dominic Thiem fehlten zwischenzeitlich nur zwei Punkte zum ersehnten Triumph. In diesem Jahr schaltete er in Paris Rafael Nadal aus, verlor aber das Endspiel gegen Alcaraz in fünf Sätzen.

22 Turniersiege - Tennisprofi Zverev hat keine Loser-Bilanz

Was fehlt ihm? Generell das Sieger-Gen? Sicherlich nicht. Zverev hat 2021 in Tokio Olympia-Gold gewonnen und auch schon zweimal das wichtige ATP-Masters für sich entschieden. Er hat insgesamt schon 22 Turniererfolge gefeiert, mehr als 45 Millionen Euro allein an Preisgeld eingefahren. Er könnte trotz seiner Niederlage gegen Fritz nach dem Turnier von Weltranglistenplatz vier auf Position zwei vorstoßen. Das ist keine Bilanz eines Losers. Und er kann auch auf jedem Belag weltklasse spielen.

Auch an Selbstkritik fehlt es dem Hamburger nicht. Möglicherweise macht er sich sogar selbst zu sehr fertig, denn so oft, wie er allein in der Beschreibung seines Vortrags gegen Fritz die Vokabel "schrecklich" gebrauchte, so "bodenlos", wie er seinen Auftritt nannte, war das Ganze eigentlich gar nicht: Seine Rückhand wirkte zwar ungewohnt flattrig, aber im Endeffekt gaben nur zwei Tiebreaks den Ausschlag gegen ihn.

Tim Brockmeier, Sportschau, 04.09.2024 00:20 Uhr

Acapulco hat sich nicht wiederholt

Zverev kann auch kämpfen, nach seiner schweren Bänderverletzung bei den French Open 2022 sogar noch härter als zuvor. Er ist auch disziplinierter geworden, ein kompletter Ausraster wie das Einprügeln auf einen Schiedsrichter-Stuhl mit anschließendem Turnierausschluss vor gut zwei Jahren in Acapulco hat sich nicht wiederholt.

Aber möglicherweise ist die Art der Aufarbeitung seiner bitteren Niederlagen auch ein Ansatz zur Erklärung. Der Druck, den er sich selbst auferlegt, endlich diesen Grand-Slam-Fluch zu brechen, wird von Mal zu Mal höher.

"Ich werde nächstes Jahr 28 und habe immer noch keinen dieser Titel, alles andere interessiert mich nicht", hadert er mit sich selbst. Doch so banal es klingt, auch andere haben ihre Flüche irgendwann gebrochen, natürlich nicht alle - so wie Boris Becker, der nie ein Profiturnier auf Sand gewann.

Es gab noch ältere Grand-Slam-Siegdebütanten

Aber Novak Djokovic beispielsweise erfüllte sich in diesem Jahr im Alter von 37 Jahren den Olympia-Traum und holte Gold für Serbien. Der Schweizer Stan Wawrinka war fast 29 Jahre alt, als er 2014 seinen ersten Grand-Slam-Titel holte und die Australian Open gewann.

Der Kroate Goran Ivanisevic ging stramm auf die 30 zu, als er 2001 in Wimbledon triumphierte, auch er war vorher ein Jahrzehnt lang einem ganz großen Titel hintergerannt. Angesichts dieser Beispiele könnte es ein Ansatz für Alexander Zverev sein, sich vielleicht einen Tick weniger Stress zu machen.