Nach Sieg bei ATP Finals Novak Djokovic - so gut, dass es fast schon schmerzt
Novak Djokovic präsentierte sich bei den ATP Finals von seiner besten Seite. Die Konkurrenz findet kein Mittel, den Serben von seinem Erfolgsweg abzubringen. An ein Karriereende denkt der 35-Jährige jedenfalls nicht - im Gegenteil.
Das Unbehagen, den Frust konnte Casper Ruud nicht verbergen. Wieder einmal hatte Novak Djokovic eine seiner unbändigen Rückhandschläge die Linie herunter unerreichbar ins Ziel gebracht. Wieder einmal war der Norweger lediglich Zuschauer dieser Djokovic-Show bei den ATP Finals in Turin (7:5, 6:3). Eine Überlegenheit des 35-Jährigen, die fast schon schmerzte.
Fünf Siege in Folge, der Gewinn der Fabelsumme von 4,7 Millionen Euro: Djokovic ist wieder an der Spitze. Zumindest gefühlt. Die Saison beendet er zwar nur auf Weltranglistenplatz fünf. Aber: Wie besonders diese Leistung ist, zeigt der Umstand, dass Djokovic wegen seines Impfstatus weder bei den Australian Open noch bei den US Open antreten durfte, weil er jeweils keine Erlaubnis zur Einreise bekam.
Wie ein guter Wein
Und auch für seinen Sieg beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon kassierte er in diesem Jahr keine Weltranglistenpunkte. Grund dafür war der Turnier-Ausschluss der Spieler aus Russland und Belarus wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.
Viel besorgniserregender für die Konkurrenz ist allerdings, dass Djokovic in diesen (Verbannungs-)Zeiten so gut wie keine Spielpraxis auf hohem Niveau sammeln konnte. Denn natürlich konnte er weder auf der Australien-Tour noch auf der Turnier-Tour in den USA teilnehmen. Und die Erfahrungen, Matches gegen starke Konkurrenten zu spielen, sind für alle Tennisprofis eigentlich existenziell wichtig - und natürlich die Weltranglistenpunkte.
Das alles ficht den Serben offenbar nicht an. Sein Grundniveau liegt so hoch, dass er es offenbar ungeachtet seiner Wettkampfhärte mit allen Gegnern auf der ATP-Tour aufnehmen kann. Djokovic scheint mit dem Alter immer besser zu werden - wie ein guter Wein.
Den Jungen fehlt die Konstanz
Anders etwa als sein über ein Jahrzehnt lang großer Konkurrent Rafael Nadal, dem in Turin deutlich anzusehen war, dass die dauerhaften Verletzungen und seine damit verbundenen Zwangspausen an dem mittlerweile 36-Jährigen schmerzhaft zehren.
Djokovic, der anders als Nadal oder auch Roger Federer niemals Liebling aller Fans war und mit seinen Gesten, seinem Habitus eher polarisierte, bestimmt selten die gesamte Partie. Aber ihm gelingt es stets, gegen die jüngeren und explosiveren Kontrahenten den Anschluss zu halten - und in den entscheidenden Momenten seine besten Leistungen zu zeigen. Allein in Turin konnte Djokovic vier seiner fünf ausgespielten Tiebreaks gewinnen.
Der jungen Generation der Tennisprofis gelingt es kaum einmal, diese unbedingt notwendige Konstanz zu zeigen, die es benötigt, um Djokovic bezwingen zu können. Dessen Fitness, sein Spielverständnis und sein Schlagrepertoire sind derart umfangreich, dass die "Young Generation" um Ruud, Taylor Fritz, Felix Auger-Aliassime und einige andere häufig noch Lehrgeld zahlen müssen.
Favorit in Down Under
"Weiter Geschichte zu schreiben, ist immer etwas, was mich motiviert, mein bestes Tennis zu spielen", sagte Djokovic in Turin. Er will der Beste sein - nicht mehr und nicht weniger. Der Ehrgeiz des Serben ist ungebrochen. Und sein größtes Ziel dürfte es sein, die meisten Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Nadal hat mit 22 Titeln derzeit noch einen mehr als Djokovic.
Im kommenden Jahr darf Djokovic zu den Australian Open (16.- 29.01.2023 ) reisen, er hat eine Sondergenehmigung von der dortigen Regierung erhalten. Dort wird er wieder der große Favorit sein. Djokovic ist einfach nicht zu bremsen.