Special Olympics: Hockey

Demonstrationssport Hockey bei den Special Olympics: Mehr als ein Testlauf

Stand: 21.06.2023 16:11 Uhr

Hockey ist bei den Special Olympics World Games erstmals im Programm – als Demonstrationssport. Heißt: In diesen Tagen wird entschieden, ob der rasante Teamwettbewerb auf lange Sicht Teil der Weltspiele bleibt. Das Engagement und die Begeisterung der Teilnehmenden sind dabei ansteckend.

Von Uri Zahavi

"Ich bin für das Team mit dem Mädchen", ruft eine Schülerin ihrer Freundin auf der Tribüne des Hockeystadions im Olympiapark zu. Es regnet in Berlin – in Strömen. Die 750 Fans suchen Unterschlupf. Um die Spielfelder herum sind Zelte aufgebaut – ab jetzt wird von dort aus angefeuert.

Special Olympics: Hockey

Special Olympics: Hockey-Nationaltrainerin Norma Rettich und ihr Sohn – Nationalspieler Kevin Waskowsky.

"Hättest du schon ein bisschen besser machen können"

Während die Stimmung also vom Trockenen aus gemacht wird, sprinten die Hockeyspieler weiter unaufhörlich über den Platz. Es spielt die deutsche gegen die belgische Auswahl. Bei den Special Olympics World Games treten gemischte Teams gegeneinander an, bestehend aus Männern und Frauen. Mit der Nummer sieben kommt für Deutschland Kevin Waskowsky an den Ball. Er nimmt die Kugel im Mittelfeld an und passt zu seiner Mitspielerin weiter. Es ist ein guter Angriff, der aber letztendlich nicht zum Torerfolg führt.

"Weiter, weiter", schallt es anschließend von der deutschen Trainerbank. Die Worte kommen aus dem Mund einer Frau, die ihr Basecap tief ins Gesicht gezogen hat. Auch sie ist mittlerweile klitschnass. Norma Rettich ist Coach der deutschen Hockey-Nationalmannschaft bei den Special Olympics World Games – und dazu ist sie Kevin Waskowskys Mutter. "Ich bin viel kritischer mit Kevin als mit den anderen", sagt Norma Rettich und lacht. "Der kriegt zu Hause dann manchmal schon noch ein Ding ab. Da sage ich dann: 'Hättest du schon ein bisschen besser machen können.'"

Wie verläuft der Auswahlprozess?

Kevin Waskowsky steht neben seiner Mutter und hört gebannt zu. Dann schmunzelt der 27-Jährige kurz und antwortet: "Es ist total schön, von der eigenen Mutter trainiert zu werden. Aber ich muss mich auch an die anderen Coaches gewöhnen, falls die Mama mal nicht dabei ist." Die Special Olympics World Games sind nicht nur für Kevin Waskowsky und Norma Rettich aus Potsdam etwas ganz Besonderes, sondern für den gesamten Hockeysport – der nimmt bei den Special Olympics World Games in Berlin eine exponierte Rolle ein.

Denn: Hockey ist in diesem Jahr sogenannter Demonstrationssport. Damit ist der rasante Mannschaftswettbewerb erstmals Teil des Programms der Weltspiele. Und nun hoffen die Beteiligten, dass das auf lange Sicht so bleibt. Einsicht, Weitsicht und Übersicht: Darum ging es bei dem Auswahl-Prozess. Durch diesen wird entschieden, welche Sportart sich für den Demonstrations-Status eignet. Das Verfahren begann bereits weit vor den Spielen 2023 in Berlin – und zwar mit einer offiziellen Ausschreibung. Das Ziel: das Sportangebot für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung zu erweitern.

DHB-Bewerbung sticht heraus

"Man muss sagen, der deutsche Hockey-Bund (DHB) stach aus den Bewerbungen heraus", berichtet Tom Hauthal, Leiter der deutschen Delegation und als Gastgeber für die Ausgestaltung des Programms mitverantwortlich. "Schon in den vergangenen Jahren hat sich der DHB auf den Weg gemacht, Menschen mit geistiger Beeinträchtigung in den eigenen Verband zu integrieren. Das war eines der Hauptkriterien bei unserer Entscheidung."

Special Olympics: Hockey

Pause in der Partie gegen Belgien: Norma Hettich gibt den deutschen Spielern taktische Anweisungen.

Zudem wurden die Verbände der unterschiedlichen Sportarten abgefragt: Wie gefestigt sind die Strukturen der Sportart bereits? Ist die Zielgruppe präsent? Gibt es vielleicht sogar schon ein Ligensystem? Ein großes Plus beim Hockey: Nicht nur beim DHB steht die Inklusion von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung weit oben auf der Agenda – auch international findet seit Jahren eine positive Entwicklung in diesem Bereich statt. In die Endauswahl schafften es letztendlich drei Sportarten: Hockey, Rudern und Cheer – ein Tanzsport.

Angepasste Regeln: Weniger Spieler, kleineres Feld

Hockey wird bei den Special Olympics sechs gegen sechs statt elf gegen elf gespielt. Die Größe des Feldes ist dabei halbiert. "Es ist für unsere Specials einfacher, einen kleinen Raum zu erfassen", ordnet Norma Rettich ein. "Allein einen Hockeyschläger in der Hand zu halten und sich daran festzuhalten, ist schon mal ein großer Vorteil. Man versucht dann, den Ball zu treffen: Diese Bewegungsabläufe kann man ziemlich gut trainieren. Dazu wird viel nachgeahmt im Hockeysport, die Grundlagen sind meistens die gleichen." Im Training werde dann häufig mit Farben und mit repetitiver Visualisierung gearbeitet.

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Trotz großem Engagement muss sich das deutsche Hockey-Team dem Team aus Belgien mit 1:3 geschlagen geben.

Die Teams bejubeln sich gegenseitig

Zurück auf den Platz: Deutschland – mit Kevin Waskowsky mitten im Geschehen und Norma Rettich auf der Trainerbank – liegt 1:3 zurück. Die Belgier sind vor dem Tor abgezockter und nutzen ihre Chancen konsequenter als die Gastgeber. Dann ist Schluss. Deutschland verliert. Es regnet weiter. Immer weiter. Trotz des schlechten Wetters und der Enttäuschung aus deutscher Sicht feiert das Publikum beide Teams. Und auch die Kontrahenten bejubeln sich gegenseitig.

"Hockey ist eine Familie. Da wird jeder mitgenommen, da wird keine stehen- oder liegengelassen", schwärmt Norma Rettich. Das sei auch ein Hauptgrund, warum der Sport definitiv Teil der Special Olympics bleiben solle. Die Aussichten dafür sind sehr gut. "Die Special Olympics sind eigentlich kein Test-Ballon, sondern ein Startschuss", sagt Tom Hauthal. "Die Hockeyfamilie ist sehr aktiv und wir werden schauen, ob es unter dem Dach der Special Olympics auch internationale Turniere geben wird." Das würde nicht nur Familie Rettich-Waskowsky unheimlich freuen.

Der Zeitplan der Special Olympic World Games in Berlin auf einen Blick.