Arbeitsgerichtsprozess Noch kein Urteil im Fall Buschkow
Nach Bekanntwerden des Missbrauchsfalls von Jan Hempel hatte der Deutsche Schwimm-Verband Lutz Buschkow entlassen. Vor Gericht geht es nun auch um die Aufarbeitung des Falls.
Es war der erste Verhandlungstermin am Arbeitsgericht in Halle/Saale, bei dem die Hauptfrage war: Ab wann wusste der ehemalige Bundestrainer Lutz Buschkow von den Missbrauchsvorwürfen des bekannten Wasserspringers Jan Hempel? Knapp drei Stunden hörte die Vorsitzende Richterin Gabriele Firzlaff dazu die unterschiedlichen Positionen an, kam aber am Donnerstag (04.05.2023) noch zu keinem Ergebnis. Ein Urteil ist wohl so schnell nicht zu erwarten.
In einem emotionalen Monolog stellte Buschkow dem Gericht seine Sicht dar und blieb bei der Darstellung, erst durch eine Presseanfrage im August 2022 von den Missbrauchsvorwürfen von Hempel erfahren zu haben. Er sagte, der Deutsche Schwimm-Verband habe ihn "in einer Notsituation über die Klinge springen lassen” und eine "Verdachtskündigung" ausgesprochen. Diese haben zu einem "Imageverlust" auf nationaler und internationaler Ebene geführt. Er habe sich über 32 Jahre im DSV nichts zuschulden kommen lassen, sagte er weiter. Deswegen wolle er Wiedergutmachung.
DSV hört mehr als 50 Personen an
In der ARD-Dokumentation "Missbraucht – Sexualisierte Gewalt im deutschen Schwimmsport" hatte Hempel erstmals die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen seinen 2001 verstorbenen Trainer Werner Langer öffentlich gemacht. Laut Hempel wurde er zwischen 1982 und 1996 fast täglich missbraucht.
In dem Film hatte der heute 51-jährige Hempel Buschkow vorgeworfen, schon 1997 von den Missbrauchsvorwürfen gewusst, aber nichts Entscheidendes unternommen zu haben. Hempel hatte sich nach eigenen Angaben im Jahr 1997 der damaligen Bundestrainerin Ursula Klinger, die 2006 starb, anvertraut. Klinger habe dann die Verbandsführung und weiteres Führungspersonal im Verband informiert.
Der DSV hatte Buschkow nach der Veröffentlichung der ARD-Dokumentation vorerst suspendiert, Mitte Oktober dann eine außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen. Nach einer Befragung von mehr als 50 Personen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten im DSV beschäftigt waren, sei der Vorstand zu der Erkenntnis gelangt, dass auch Buschkow davon gewusst habe. Gegen die Kündigung war Buschkow arbeitsrechtlich vorgegangen.
DSV wirft Buschkow "falsche Angaben" vor
Buschkow war Ende der 90er Bundestrainer Nachwuchs und Sichtung am Bundesstützpunkt in Berlin. Kurz nach Veröffentlichung der ARD-Dokumentation hatte er in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf Hempels Vorwurf gesagt, er habe erstmalig durch eine Presseanfrage der ARD davon erfahren. Auf diese Presseanfrage hatte Buschkow damals nicht geantwortet.
Streitgegenstand der beiden Parteien sind zwei Sitzungen, die in den Jahren 1997 und 2002 stattgefunden haben. 1997 soll Buschkow als Vorsitzender des DSV-Betriebsrats bei einem Gespräch dabei gewesen sein, das die Entlassung von Langer zum Inhalt hatte. Offizieller Kündigungsgrund soll dessen Arbeit als Stasi-Mitarbeiter gewesen sein. Der Verband verfüge allerdings über Informationen, die belegen, dass auch die Missbrauchsvorwürfe diskutiert worden seien. Dazu gebe es laut Buschkows Anwalt eine eidesstattliche Versicherung des damaligen DSV-Präsidenten Rüdiger Tretow, die dem widerspreche.
Als zweiter Grund für die Kündigung Buschkows führte der DSV eine Fachspartensitzung der Abteilung Wasserspringen im Frühjahr 2002 in Rostock an. Dort sei unter dem Beisein von Buschkow über eine Gedenkminute für Langer diskutiert worden, der wenige Monate zuvor Suizid begangen hatte. In dem Zuge soll auch über die Missbrauchsvorwürfe von Hempel diskutiert worden sein. Im Sitzungsprotokoll sei dies damals nicht vermerkt worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, so die Darstellung des DSV, habe Buschkow Kenntnis über den Missbrauch Hempels erlangt – und demzufolge im "FAZ"-Interview falsche Angaben gemacht.
Buschkow nennt Vergleichsvorschlag "unmoralisches Angebot"
Der DSV, in Halle vertreten durch seinen Vize-Präsidenten Wolfgang Rupieper und Rechtsanwalt Dirk Brand, hatte einen Vergleich angestrebt, der von Buschkow allerdings als "unmoralisches Angebot" zurückgewiesen wurde. Dieser sah vor, das Arbeitsverhältnis erst zum 31. Oktober dieses Jahres zu beenden. Auch ein Gütetermin im vergangenen Jahr war gescheitert.
Rupieper argumentierte, dass Buschkows sportliche Verdienste zwar "unbestritten" seien, diese aber nicht "über Fehlverhalten hinwegtäuschen" könnten. "Wir müssen den hohen Anforderungen an Führungspersonal im DSV gerecht werden. Hier geht es um die Aufklärung von Vorwürfen und dieser Aufgabe ist Lutz Buschkow nicht nachgekommen", sagte der Vize-Präsident des DSV.
Richterin Firzlaff, die eine einvernehmliche Einigung angestrebt hatte, wird in den kommenden Wochen mitteilen, wie es in diesem Verfahren weitergehen soll. Dann wird sich herausstellen, ob es zu einer weiteren Verhandlung kommt, zu der dann Zeugen geladen würden. Beide Parteien hatten angekündigt, dass die jeweiligen Zeugen die eigene Argumentation bestätigen würden.