Fußball | Bundesliga Teamcheck TSG Hoffenheim: Wann wird die Großbaustelle im Kraichgau geschlossen?
In Hoffenheim war während der Vorbereitung die Unruhe groß. Die Trennung von Sportgeschäftsführer Alexander Rosen und seinen engsten Mitarbeitern sorgte vor allem bei vielen Fans für Ärger. Interims-Sportchef Frank Kramer soll jetzt auf dem Transfermarkt das Team verspätet verstärken.
So lief die vergangene Saison
Unterm Strich endete die letzte Saison durchaus erfolgreich. Mit dem abschließenden 4:2-Triumph über den FC Bayern München beendete die TSG das Bundesliga-Spieljahr 23/24 auf Platz sieben und qualifizierte sich damit direkt für die Europa League. Daneben wurden junge Eigengewächse wie Maximilian Beier und Tim Drexler ins Bundesligateam integriert. Allerdings zeigte sich Hoffenheim vergangene Runde konstant inkonstant. Insbesondere in den Bundesliga-Heimspielen überzeugten die Kraichgauer selten mit begeisterndem Erlebnisfußball. Die Zuschauerzahlen entwickelten sich unbefriedigend.
Tabellarisch lebte das Team von Coach Pellegrino Matarazzo vor allem von seinem Superstart in den Auswärtsspielen. Fünf Siege in Serie in der Fremde spülten Hoffenheim zum Sasonstart in der Tabelle ordentlich nach oben. Bedingt durch die gleichzeitige Heimspielschwäche kam die TSG allerdings nie so richtig im oberen Drittel der Tabelle an.
Auffallend einmal mehr die Abwehrproblematik im Kraichgau. 66 Gegentreffer in 34 Bundesligaspielen waren indiskutabel. Dabei verhinderte Kapitän und Klassekeeper Oliver Baumann noch Schlimmeres.
Der Trainer
Pellegrino Matarazzo (46) rettete als "Feuerwehrmann" die TSG in der Saison 2022/23 erst vor dem Abstieg und führte das Team im vergangenen Bundesligajahr dann sogar mit Platz sieben in die Europa League. Unumstritten aber ist und war der gebürtige US-Amerikaner bei vielen Fans aber nie. Zu inkonstant agierte die eigentlich gut besetzte Mannschaft immer wieder. Ein beständiges Auf- und Ab. Klasse Auftritte wechselten munter ab mit frustrierenden Darbietungen. Auch Matarazzo bekam die lästige Defensivschwäche der vergangenen Jahre mit zu vielen Gegentreffern nicht in den Griff.
Fragezeichen in der Trainerfrage brachte zuletzt auch eine Anfrage des amerikanischen Fußballverbandes, der Pellegrino Matarazzo als einen der Kandidaten für den Posten als neuen US-Trainer ausgesucht hatte. "Rino" bekannte sich schließlich zur TSG, muss jetzt aber schnell sportlich abliefern, um nicht in Bedrängnis zu geraten.
Wer kommt, wer geht?
Coach Matarazzo fand klare Worte: "Wir brauchen Verstärkungen, besser gestern als heute". Bis Anfang August gab es in Hoffenheim allerdings einen unbefriedigenden Transferstau, der letztlich auch mit ausschlaggebend war für die schlagzeilenträchtige Trennung von Sportgeschäftsführer Alexander Rosen, dem Technischen Leiter Bastian Huber und Pirmin Schwegler, dem Leiter Profifußball. Lediglich die Verlängerung des Leihgeschäfts mit Benfica Lissabon und Linksverteidiger David Jurasek konnte bis dahin vermeldet werden.
Mit dem österreichischen Nationalspieler und EM-Fahrer Alexander Prass (23), einem Akteur für die linke Außenbahn von Sturm Graz, zog die TSG am 5. August endlich den ersten neuen Spieler an Land. Die Suche nach neuen Innenverteidigern verläuft dagegen eher zäh. Aktuell ist es, trotz gut gefüllter Kasse, eine eher frustrierende Shopping-Tour: Der Transfer des Franzosen Étienne Youté Kinkoué aus Le Havre platzte kurz vor der Unterschrift, und auch die Wechsel von Oumar Solet (Salzburg) und Nationalspieler Armel Bella-Kotchap (Southampton) scheiterten. Die Not im Deckungszentrum jedenfalls ist groß nach der schweren Verletzung von Ozan Kabak während der EM-Vorbereitung (Kreuzbandriss), zumal die Verträge von Anthony Brooks und Kasim Adams nicht verlängert wurden, der letztjährige Zwölf-Millionen-Einkauf Attila Szalai (war an den SC Freiburg ausgeliehen) sich bislang als Fehleinkauf entpuppte, Stanley Nsoki sich ständig mit Verletzungen plagt.
Gesucht wird neben gestandenen Verteidigern auch ein Spieler für die rechte Außenbahn als Alternative zu Pavel Kaderabek und ein schneller, torgefährlicher Angreifer als Ersatz für den für rund 30 Millionen Euro zu Borussia Dortmund gewechselten Nationalstürmer Beier.
Neben Beier hat mit dem robusten Niederländer Wout Weghorst auch der zweite Stammstürmer die TSG Hoffenheim verlassen. Die Leihgabe (sieben Saisontore) kehrte zum FC Burnley nach England zurück. Große Hoffnungen setzt man dafür jetzt bei der TSG auf die Rückkehr und vollständige Spielfähigkeit von Angreifer Mergim Berisha nach langer Verletzungspause (Kreuzbandriss). Mit U-17-Weltmeister Max Moerstedt steht ein großes Mittelstürmertalent in den Startlöchern.
Das sind die Erwartungen
Der letzte Härtetest endete eher unbefriedigend, 0:2 zur Saisoneröffnungsparty gegen den FC Fulham. "Es gibt schon noch ein bisschen was zu tun", sagte Kapitän Oliver Baumann danach, "wir können viel aus dem Spiel ziehen". Viele Fans der TSG hoffen und bangen nicht nur deshalb, sondern auch nach den Unruhen um die Trennung von der sportlichen Leitung um Alexander Rosen: Bloß nicht in den Abstiegsstrudel geraten. Das könnte schnell passieren, zumal der genannte Transferstau im Kraichgau verhinderte, dass sich die endgültige (Stamm-) Mannschaft von Trainer Matarazzo in der Vorbereitung einspielen konnte.
Die Schlaglöcher in der Defensive sind hinlänglich bekannt, und vorne klafft nach dem Weggang von Beier und Weghorst jetzt auch im Angriff eine große Lücke. Dazu kommt die Dreifachbelastung aus Bundesliga, DFB-Pokal und Europa League. "Diese Saison haben wir tatsächlich noch nicht die Möglichkeit gehabt, ein Ziel zu definieren. Der Kader ist noch nicht fertig", so Trainer Matarazzo vor der Erstrundenpartie im DFB-Pokal am Freitag bei den Würzburger Kickers.
Andererseits: Sollten die geplanten Neuzugänge einschlagen und mit den verbliebenen Leistungsträgern um Oliver Baumann, Anton Stach oder Grischa Prömel harmonieren, die lange verletzten Dennis Geiger und Mergim Berisha an alte Form anknüpfen und die vielen großen Talente Drexler, Tohumcu, Bischof und Moerstedt sich weiterentwickeln, dann könnte aber auch wie die letzten Jahre ein einstelliger Tabellenplatz mit Blickrichtung Europapokal erneut möglich sein.
Klar ist: Misslingt der Saisonstart, wird es sehr schnell wieder unruhig werden im Kraichgau.