Fußball | Risikospiele Nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Wann ist ein Fußballspiel ein Risikospiel?
Die Bundesländer dürfen ihre Polizeikosten bei Hochrisikospielen
dem Profifußball in Rechnung stellen. Was ist unter einem Risikospiel zu verstehen? Fragen und Antworten.
Dieses Urteil verkündete das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Dienstag. "Die Erhebung einer solchen Gebühr genügt als Berufsausübungsregel den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere denen der Verhältnismäßigkeit", sagte der Vorsitzende.
Damit ist der zehn Jahre dauernde Streit um die Gebühren beendet. 2015 stellte das Land Bremen nach dem Derby zwischen Werder und dem Hamburger SV der DFL erstmals eine Rechnung (425.000 Euro) für einen Polizeieinsatz. Die DFL wehrte sich dagegen, musste aber juristische Niederlagen vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen und dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hinnehmen. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wurde im April 2024 eröffnet.
Was ist ein Risikospiel?
Der Begriff "Risikospiel" ist nicht gesetzlich definiert. In den Regularien des DFB (IV. Sonstige Maßnahmen, Paragraf 32) sind "Spiele mit erhöhtem Risiko" definiert als solche Spiele, "bei denen aufgrund allgemeiner Erfahrung oder aktueller Erkenntnisse die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine besondere Gefahrenlage eintreten wird". Der Begriff taucht in der öffentlichen Debatte oft auf, wenn rivalisierende Fangruppen aufeinandertreffen und Ausschreitungen erwartet werden. Aber auch das Wetter, Terror oder Kriminalität sind Gründe, warum Fußballspiele als Risikospiele eingestuft werden.
Wer entscheidet, welches Fußballspiel ein Risikospiel ist?
Der Veranstalter (Heimverein) entscheidet für seinen Verantwortungsbereich, also für den Versammlungsstättenbereich (Stadionbereich), wie ein Spiel einzustufen ist. Er hört hierfür die Sicherheitsorgane an, insbesondere den Einsatzleiter der Polizei. Seine Einstufung trägt der Verein in ein elektronisches System (Ampelsystem) ein. Risikospiele werden mit der Farbe Rot bewertet, Spiele unter Beobachtung mit Gelb (bei diesen Spielen liegen die Voraussetzungen für ein erhöhtes Risiko nicht vor, Sicherheitsbeeinträchtigungen sind aber nicht ausgeschlossen), alle anderen Spiele mit Grün. In dieses System trägt auch der Gastverein seine Einstufung ein. Die finale Einschätzung obliegt dem Heimverein. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) greift in der Regel nicht in die Bewertung ein. Es sei denn, Heim- und Gastverein liegen in ihrer Einstufung deutlich auseinander oder der DFB hat eigene Erkenntnisse darüber, warum ein Spiel höher, also riskanter, einzustufen ist. Herunterstufen kann er ein Spiel nicht.
Von der Einstufung des Veranstalters zu trennen ist die Beurteilung der Lage durch die Polizei. Die Polizei stuft das Spiel für ihren Verantwortungsbereich ein. Sie bewertet also die Gesamtlage in einer Stadt. Es kann vorkommen, dass die Polizei ein Spiel, das vom Veranstalter beispielsweise mit Grün bewertet wird, mit Gelb bewertet. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Sicherheit in einer Stadt dadurch gefährdet ist, dass sich die Reisewege verschiedener Fangruppen für unterschiedliche Spiele kreuzen oder gleichzeitig zum Fußballspiel andere Veranstaltungen stattfinden.
Es kann also vorkommen, das für dasselbe Fußballspiel unterschiedliche Einstufungen von Veranstalter und Polizei vorliegen.
Welche Auswirkungen hat die Risiko-Bewertung?
Die Einstufung ist die Grundlage dafür, welche sogenannten Kompensationsmaßnahmen der Veranstalter und die Polizei für ihre Verantwortungsbereiche vornehmen. Bei einem Risikospiel kann der Veranstalter sich beispielsweise dafür entscheiden, weniger Eintrittskarten zu verkaufen, Pufferblöcke einzurichten, um die Anhänger in den Zuschauerbereichen zu trennen oder den Alkoholverkauf zu verbieten. Die Polizei bestimmt auf Basis ihrer Einstufung, wie viele Polizisten sie einsetzt und welche Strategien sie entwickelt, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Wegen der Brisanz etwa bei Derbys gibt es oft strenge Sicherheitsvorkehrungen der Polizei, zum Beispiel getrennte Fanlager bei An- und Abreise. Auch Alkoholverbote in und um Stadien sind oft gängige Maßnahmen bei Risikospielen.
Was hat die Risiko-Bewertung eines Spiels mit der Spieltagsplanung zu tun?
Bei der Erstellung der Spielpläne fließen Vorgaben unter anderem der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) ein. Die ZIS bündelt mögliche Einsatzanlässe der Polizei und ist Schnittstelle zum Fußball bei der Spieltagsplanung. Idealerweise wird beispielsweise darauf geachtet, dass Begegnungen, von denen im Vorfeld bekannt ist, dass sie einen erhöhten Bedarf an Polizeikräften haben, nicht zusammenfallen.
Die Einstufung eines Fußballspiels hängt aber nicht zwangsläufig mit der Spieltagsplanung zusammen. Ein vereinfachtes, ausgedachtes Beispiel: In einer Stadt finden an einem Samstag zwei Großveranstaltungen (Konzert und Demonstration) statt, bei denen viele Polizisten gebraucht werden. Die ZIS empfiehlt deshalb, das Bundesliga-Spiel, das am selben Wochenende gespielt werden soll, nicht zusätzlich zu den beiden Veranstaltungen am Samstag, sondern am Sonntag stattfinden zu lassen. Denn für das Fußballspiel wird ebenfalls eine gewisse Zahl an Einsatzkräften benötigt. Um drei Veranstaltungen parallel stattfinden zu lassen, verfügt die Polizei aber nicht über ausreichend Kräfte. Das Spiel wird folglich am Sonntag ausgetragen, obwohl es nicht als Risikospiel eingestuft wurde.
Was ist ein Hochrisikospiel?
Der Begriff Hochrisikospiel ist nicht gesetzlich definiert. Im Ampelsystem, das die Vereine, der DFB und die Polizei für die Bewertung von Spielen nutzen, gibt es für Hochrisikospiele keine zusätzliche Kategorie. In manchen Fällen wird der Begriff dennoch in der öffentlichen Debatte genutzt, um eine besondere Risikolage auszudrücken.
Wie viele Hochrisikospiele gibt es pro Jahr?
Pro Jahr gibt es zwischen 60 und 120 Partien, die als Hochrisikospiel eingestuft werden, je nach Ligenzusammensetzung und Entscheidungsrahmen.
Sendung am Di., 14.1.2025 18:40 Uhr, SWR1 Baden-Württemberg