Gelähmter Ex-Eishockeyprofi Mike Glemser: "Manchmal denke ich noch, ich könnte mich bewegen"
Der schwere Unfall von Ex-Eishockey-Profi Mike Glemser ist mehr als eineinhalb Jahre her. Welche Fortschritte macht er seitdem und wie geht es ihm und seiner Freundin? SWR Sport hat die beiden kürzlich zuhause besucht.
Die neue Wohnung in Pforzheim ist mittlerweile eingerichtet. Lara Lindmayer und Mike Glemser haben sich hier nach dem Unfall ein kleines neues Zuhause geschaffen. "Wenn Mike nicht bei der Physiotherapie ist, verbringen wir die meiste Zeit zuhause", erklärt die 25-Jährige. Deshalb war es ihr auch von Anfang an wichtig, dass ihr Zuhause gemütlich wird, dass nicht sofort "Die Krankheit" sichtbar wird, wie Lindmayer erklärt. Die lange Zeit im Krankenhaus nach dem Unfall hat ihre Spuren hinterlassen.
Jeder Tag im Krankenhaus war schwer. Wir wollten uns hier nach dem Unfall ein neues Leben aufbauen - ein bisschen mehr Alltag leben. Lara Lindmayer
Gefangen im eigenen Körper
Doch der Kran an der Decke im Schlafzimmer zeigt natürlich trotzdem direkt: Der Alltag der beiden ist ein komplett anderer geworden. Mit dem Deckenlifter behilft sich Freundin Lara Lindmayer, um Mike Glemser damit vorsichtig ins Bett legen zu können. Im Rollstuhl, der im Wohnzimmer steht, kann Glemser dank intensiver Physiotherapie mittlerweile ein paar Minuten länger am Stück sitzen bleiben, ohne noch mehr Schmerzen zu bekommen.
"Das sind Fortschritte für uns," sagt Lara Lindmayer, die seit dem Unfall an seiner Seite ist. Schwer erträglich wird es, wenn Glemsers Kopf auch nach vielen Monaten nach dem Unfall noch glaubt, er kann sich bewegen. Sein Gehirn habe das noch immer nicht richtig verstanden.
Es ist ganz schwierig zu erklären, du bist gefangen in deinem Körper. Dein Körper will sich bewegen, kann es aber nicht, und das macht einen teilweise wahnsinnig. Du merkst, wie dein Körper rebelliert, dann werde ich innerlich ganz unruhig und kann oft nachts ganz schlecht schlafen, weil die Auslastung fehlt. Mike Glemser
Ein Alltag voller Hürden für Mike Glemser
Es war der 3. Februar 2023, der das Leben von Mike Glemser veränderte. Im Eishockey-Spiel der Starbulls Rosenheim gegen den SC Riessersee kam es nach einem Check zu dem tragischen Unfall. Seitdem ist Mike Glemser Tetraplegiker. Er kann seine Beine nicht bewegen, seine Arme nur minimal mit Hilfe der Schwerkraft.
Seine Freundin Lara Lindmayer unterstützt ihn, wo sie kann. Rund um die Uhr. Sie musste sich damals nach dem Unfall entscheiden und entschied sich, diesen Weg weiter mit ihrem Freund zu gehen. Auch eineinhalb Jahre nach dem Unfall kämpfen die beiden um etwas Normalität in ihrem Alltag: So wie vor kurzem als sie einfach mal abends essen gehen wollten, ein sowieso seltenes Vorhaben, weil Glemser meist die Kraft dafür fehlt.
"Da waren dann diese vielen Stufen am Eingang", erinnert sich der 26-Jährige. Absolut Rollstuhl-untauglich. Sie mussten schließlich umdrehen und nach Hause fahren. Der elektrische Rollstuhl alleine wiegt 180 Kilo. Ihn in solchen Situationen raus zu nehmen, geht aber auch nicht, denn alleine kann ihn seine Freundin nicht hochtragen.
Wenn man irgendwohin geht, sind ganz oft irgendwo Stufen oder irgendwo ist Kies, in dem man mit dem Rollstuhl stecken bleibt. Es gibt jeden Tag eine Herausforderung. Und natürlich, je mehr man macht, umso besser kommt man mit der Situation einigermaßen zurecht. Man weiß dann einfach, dort brauche ich gar nicht hinzugehen, weil es nicht Rollstuhl-tauglich ist. Mike Glemser
Noch keine großen Fortschritte
Die großen gesundheitlichen Fortschritte sind bisher ausgeblieben. "Mir geht auch schnell die Kraft aus", erklärt Glemser. Nach den morgendlichen Therapiestunden im Rehazentrum in Pforzheim sei er häufig zu müde für alles. Doch die Therapie sei für ihn mit das Wichtigste, um in seinem Körper nicht durchzudrehen und etwas ruhiger zu werden.
In der Nacht quälen ihn dennoch immer noch unsägliche Schmerzen. Rutscht ihm der Arm irgendwo hin, muss Lindmayer ihn wieder hinlegen. Glemser kann nicht alleine essen und trinken. Hat er Durst, reicht sie ihm einen Becher mit einem Strohhalm. Wenn er sich ausruhen möchte, schiebt sie den Rollstuhl bis zur Kante und hievt ihn schließlich mit ein paar gekonnten Bewegungen raus auf die Couch. "Mein Rücken dankt es mir nicht", sagt Lindmayer. Mit einem Lächeln. Auch Glemser lächelt. In all dieser Schwere sind sie noch mehr zusammengewachsen.
Das war hart auch zu sehen, wie sich das Leben jetzt so verändert hat. Und dann kämpft man sich halt durch und versucht irgendwie, so normal wie möglich zu leben. Aber wir sind, glaube ich, ein sehr, sehr gutes Team. Lara Lindmayer
Ihr größter Wunsch: ein behindertengerechtes Zuhause
Auch wenn die beiden in ihrer Wohnung ein neues Zuhause gefunden haben, ist es alles andere als ideal: "Ich kann zum Beispiel hier nicht selbständig raus. Mit dem schweren Rollstuhl ist jede kleine Stufe zuviel", erklärt Glemser. Auch zur Terrasse hin gibt es eine Schwelle, die er sogar mit einer Rampe nicht alleine bewältigen kann.
Wenn er duscht, steht jeden Morgen das Badezimmer unter Wasser, da die Duschwände entfernt werden mussten, weil er anders nicht reingepasst hat. Deshalb wünschen sich die beiden für die Zukunft ein wirklich barrierefreies Zuhause: "Da erhoffe ich mir, dass ich dann mehr Selbständigkeit gewinne und dann auch mal in ein anderes Zimmer, aus dem Haus oder auf die Terrasse fahren kann und nicht immer wie ein Kleinkind nach jemand schreien muss", sagt Mike Glemser. Das sei für ihn unerträglich unangenehm.