
Meinung Freistellung von Thomas Wörle: Eine übereifrige Entscheidung des SSV Ulm
Der Zweitligist SSV Ulm trennt sich von Cheftrainer Thomas Wörle. Eine Entscheidung im Abstiegskampf, die der Verein noch bitter bereuen kann, sagt SWR-Sportreporter Stefan Sander.
Wie heißt das Sprichwort in einer Ehe? "In guten wie in schlechten Zeiten". Dieses Sprichwort trifft auf den Fußball leider sehr selten zu. Das unterstreicht auch die Beziehung zwischen dem SSV Ulm 1846 Fußball und Ex-Trainer Thomas Wörle. Amtsantritt 2021, ein Jahr später startete er den Durchmarsch von der Regionalliga bis in die 2. Bundesliga. Zwei Aufstiege in Folge, die Rückkehr in die zweithöchste Klasse nach 23 Jahren. Und jetzt in der ersten kleinen Krise: direkt die Trennung.
Von Krise mag man gar nicht wirklich sprechen. Nach 25 Spieltagen in der 2. Bundesliga ist Ulm in der Tabelle zwar Vorletzter, aber nicht abgeschlagen. Vier Punkte Rückstand sind es aktuell auf einen Nicht-Abstiegsplatz, der Klassenerhalt definitiv noch machbar. Die Frage, die ich mir stelle: Was haben die Verantwortlichen des Vereins vor der Saison erwartet? Es war klar, dass nichts anderes als der Klassenerhalt ein realistisches Saisonziel sein kann. Besonders nach den Abgängen von Leistungsträgern wie Leonardo Scienza, die nicht eins zu eins ersetzt werden konnten, war es durchaus erwartbar, dass es bis zum letzten Spieltag eng werden könnte.
Kaum jemand kennt den Ulmer Kader besser als Thomas Wörle
Unter Thomas Wörle war das Team ein eingeschworener Haufen. Der Kern aus der Aufstiegssaison war zusammengeblieben. Wörle betonte immer wieder den Zusammenhalt zwischen Trainerteam und Mannschaft. Der 43-Jährige identifizierte sich mit dem Verein und hatte bei den Fans fast schon einen Legendenstatus. "Wir sind die Ulmer, wir kämpfen bis zum bitteren Ende", sagte er noch nach der knappen 0:1-Niederlage gegen den 1. FC Köln. Da wären wir auch schon beim Thema Ergebnisse. Das 0:1 gegen Köln war eine Niederlage gegen einen Aufstiegskandidaten. Die Niederlage also keine große Überraschung. Davor gab es zwei Unentschieden gegen Braunschweig und Elversberg. Gegen die Eintracht kassierte man in der 85. Minute den Ausgleichstreffer und gegen die SV Elversberg wäre durchaus auch mehr möglich gewesen.
Ich erinnere mich an viele Spiele, in denen die Ulmer einfach Pech hatten. Gegen den Karlsruher SC verlor man Zuhause in der Nachspielzeit, genauso gegen den 1. FC Nürnberg. Auch beim Heimspiel gegen Düsseldorf kassierte man den Treffer zur Niederlage in der Schlussphase. Man hatte nie das Gefühl, dass Wörle seine Mannschaft nicht mehr erreicht. Die Basis aus Einsatz, Wille, Kampf und Laufbereitschaft war immer zu sehen. Der SSV Ulm hat in dieser Saison nicht ein einziges Spiel mit mehr als zwei Toren Unterschied verloren. Die Partien waren immer knapp.
Thieles Idee mit Lechleiter als Ulmer Cheftrainer riskant
Die Entscheidung, bis zum Saisonende Robert Lechleiter die schwierige Aufgabe zu übergeben, den Klassenerhalt zu schaffen, ist mutig und riskant. Grundsätzlich erkenne ich schon eine Idee hinter dem Trainerwechsel. "Ab sofort gilt: Neustart, Kräfte bündeln, Zusammenhalt, alles für den Klassenverbleib geben", sagte SSV Geschäftsführer Markus Thiele nach der Freistellung von Thomas Wörle. Gemeinsam mit der restlichen Vereinsführung will er einen Impuls setzen, der neue Energie freisetzt und Frische bringt. Doch ist ein Trainer, der noch nie eine Profimannschaft im Herrenbereich als Chef betreut hat, dafür der richtige Mann? Gerade in so einer kniffligen Situation? Ehrlich gesagt bezweifle ich es. Meiner Meinung nach wäre Wörles Erfahrung im Liga-Endspurt wichtig gewesen. Besonders, weil er ein so enges Verhältnis zur Mannschaft hatte. Die Entscheidung, sich von Wörle zu trennen, wurde zu früh getroffen.
Sendung am Mi., 12.3.2025 6:00 Uhr, SWR Aktuell am Morgen, SWR Aktuell