Herthas Ibrahim Maza (m.) im Spiel gegen Schalke 04. (Foto: IMAGO / Ulrich Hufnagel)

Vor Duell am Samstag Worin sich Hertha BSC und Schalke 04 in ihrer Entwicklung ähneln und unterscheiden

Stand: 07.03.2025 15:10 Uhr

Am Samstag treffen Hertha BSC und Schalke 04 aufeinander - das Duell der strauchelnden Riesen im Keller der 2. Bundesliga. Die Traditionsvereine haben ihre ganz eigenen Geschichten - in ihrem Absturz aber mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.

Am Samstag (13 Uhr) kommt es zu einem Duell zweier Vereine, die – wie es immer so schön heißt – eigentlich ja gar nicht in die 2. Bundesliga gehören würden. Aber beide sind nun einmal da, und das schon im zweiten Jahr. Vermutlich wird sogar ein drittes Jahr der Zweitklassigkeit bei Hertha BSC und FC Schalke 04 hinzukommen – oder sogar schlimmeres? Die beiden großen Traditionsvereine treffen im Olympiastadion nicht als Riesen, sondern als Underdogs der 2. Liga aufeinander. Schalke auf Platz 12 gegen Hertha auf Platz 14, 30 und 26 Punkte nach 24 Spieltagen, beide haben bereits einen Trainerwechsel in der Saison hinter sich.
 
Für Schalke und Hertha geht es seit Jahren nahezu kontinuierlich bergab. Zwar konnten die Gelsenkirchener 2022 kurzzeitig die Erstligarückkehr feiern, doch da der damalige Aufstieg sportlich mehr als schmeichelhaft gelang und die Bundesliga-Zeit nach nur einem Jahr wieder beendet war, konnte auch diese Phase keine nachhaltig positive Entwicklung anstoßen. So könnte wohl an beiden Fußballstandorten die Saison 2017/18 als letzte positive Zeit bezeichnet werden: Schalke wurde in dem Jahr Tabellenzweiter der Bundesliga, Hertha beendete eine völlig ruhige Saison unter Pal Dardai auf Rang zehn.

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Fehlende Konstanz auf der Trainerposition

Seitdem herrscht Chaos – und mit jenem geht meist auch eine fehlende Konstanz auf der Trainerposition einher. Die Schalker hatten seit 2018 stolze zwölf verschiedene Übungsleiter – kurzzeitig tätige Interimstrainer sogar ausgeschlossen. Ob David Wagner, Manuel Baum, Dimitrios Grammozis, Frank Kramer oder Karel Geraerts – kein Coach vermochte es, nachhaltig erfolgreich auf Schalke zu arbeiten und sich länger als ein Jahr im Amt zu halten. Es ist eine Sammlung von "Ach richtig, der war da ja auch mal"-Namen.
 
Auch bei Hertha gingen die Trainer ein und aus, seit 2018 gab es zwölf Trainerwechsel für den vergeblichen Versuch, die wankende "alte Dame" zu stabilisieren. Nach Pal Dardais erster Amtszeit kehrte nie wieder Ruhe auf dem Trainerstuhl ein, was den Ungarn selbst noch zweimal auf den Plan rufen sollte. Mit Personalien wie Jürgen Klinsmann, Bruno Labbadia, Felix Magath, Sandro Schwarz oder zuletzt Cristian Fiél versuchten sich die unterschiedlichsten Ansätze am Hauptstadtklub – sie alle sollten mehr oder weniger scheitern.

Hervorragende Akademie, aber wenig Nutzen

Eine große Gemeinsamkeit der beiden Bundesliga-Gründungsmitglieder sind die jeweils herausragenden Jugendakademien, die zu den besten des Landes gehören. Allein ein Blick in die jüngere Historie ist aufgrund der Vielzahl der herausgebrachten Toptalente und Profi-Spieler nahezu überwältigend. Manuel Neuer, Mesut Özil, Ilkay Gündogan, Leon Goretzka, Leroy Sané, Benedikt Höwedes, Julian Draxler – die "Knappenschmiede" hat Nationalspieler, Weltmeister, Champions-League-Sieger und nationale Meister ausgebildet. Die Liste ist schon beinahe beliebig zu verlängern.
 
Etwas weniger prunkvoll, doch ebenfalls beeindruckend ist die Ansammlung von Spielern, die durch die Hertha-Akademie in den Profi-Fußball fanden. Jerome und Kevin-Prince Boateng, Patrick Ebert, Sejad Salihovic, Ashkan Dejagah, John Anthony Brooks, Jordan Torunarigha, Maximilian Mittelstädt, Lazar Samardzic oder Robert Andrich haben durch Herthas Jugendarbeit beachtliche, teils international geschätzte Karrieren hingelegt. Zuletzt machten auch Spieler wie Ibrahim Maza, Bence Dardai, Luca Netz, Lukas Ullrich, Pascal Klemens oder Linus Gechter dank der Berliner Jugendförderung auf sich aufmerksam.

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Schalke und Hertha eint im Negativen, dass sie eben jene Talente zwar entscheidend gefördert, aber wenig von ihnen profitiert haben – sportlich wie finanziell. Den beiden Klubs ist es zu selten gelungen, ihre Eigengewächse lange genug bei den Profis zu halten, um mit ihnen zu wachsen und sie letztendlich für das große Geld zu verkaufen. Zwar konnte Schalke für Spieler wie Sané, Draxler und Neuer enorme Summen einnehmen, diese aber nicht lange halten. Spieler wie Goretzka, Özil oder Gündogan gingen für wenig bis gar kein Geld zu anderen Klubs.
 
Hertha konnte ebenfalls zu selten Kapital aus der eigenen Jugendarbeit schlagen. Die Boatengs hinterließen sportlich kaum Spuren bei den Berliner Profis, Spieler wie Mittelstädt explodierten in ihrer Entwicklung erst bei anderen Klubs und Talente wie Netz, Ullrich oder Bence Dardai gehen ebenfalls die nächsten Schritte bei anderen Vereinen.

Seit Jahren klamme Kassen

Besonders wirtschaftlich hätte ein besserer Umgang mit den eigenen Talenten den beiden Vereinen viel Leid ersparen können. Der jeweilige sportliche Absturz ist fest damit verbunden, dass die Klubs ihre finanziell fruchtbarsten Zeiten nicht in nachhaltige Stabilität umwandeln konnten. Sie lebten jahrelang über ihre Verhältnisse. Folge: riesige Finanzlöcher, die bis heute nicht geschlossen werden konnten.
 
Bei Schalke entstand der Reichtum vergangener Tage durch sportlichen Erfolg. Die "Knappen" gehörten jahrzehntelang zum Tafelsilber des deutschen Fußballs, spielten regelmäßig um Titel und in den so lukrativen europäischen Wettbewerben. Doch als der Erfolg durch Fehlentscheidungen der Verantwortlichen länger ausblieb, fiel das Kartenhaus aus aufgeblähten Strukturen, Gehältern und Infrastruktur in sich zusammen. Schalke hatte riesige Schulden aufgebaut, die 2024 immer noch 162 Millionen Euro betrugen. Eine Gesundung in der 2. Liga ist aufgrund der Mindereinnahmen eigentlich unmöglich.

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Bei Hertha entstand die Goldgräberstimmung durch den Einstieg von Investor Lars Windhorst 2019. Damals verpassten es die Berliner, das Investment von 375 Millionen Euro strategisch klug zu reinvestieren, nachhaltige Projekte anzustoßen und den Kader langsam für die neuen Ziele aufzubauen. Stattdessen wurde das Geld ohne Wirkung verprasst, aberwitzige Rekordsummen für Spieler ausgegeben und der Verein finanziell so aufgedunsen, dass er bis heute Mühe hat, zu gesunden. Zwar betragen die Schulden dank Konsolidierung "nur" noch 54 Millionen, Hertha ist jedoch weiterhin stark angeschlagen.

Unruhiges Umfeld, aber große Verbundenheit

Trotz der so vielen enttäuschenden Spielzeiten können sich sowohl Hertha als auch Schalke der Unterstützung ihrer Fans sicher sein. Herthas Zahlen sind seit dem Abstieg eher gestiegen als gefallen – ob bei den Mitgliedern, Kartenverkäufen oder dem Merchandiseverkauf. Die beeindruckende Zahl von 70.000 Zuschauern beim Duell am Samstag belegt die positive Entwicklung eindrucksvoll. Fast 50.000 Fans strömen bei den Heimspielen ihrer "alten Dame" ins Stadion – nur fünf Erstligisten (!) haben derzeit einen besseren Schnitt.
 
Schalke belegt mit durchschnittlich 61.000 Stadiongästen sogar den ersten Platz in der Zuschauertabelle der 2. Liga, Platz drei deutschlandweit. Auch die S04-Fans zeigen sich in ihrer Präsenz völlig unbeeindruckt vom sportlichen Verfall ihres Vereins. Doch wo große Verbundenheit, da auch meist viel Unruhe. Hertha und Schalke versammeln viele Fans hinter sich, die allesamt unterschiedliche Erwartungshaltungen an die Klubs stellen – dann gemeinsam in eine Richtung zu arbeiten, fällt schwerer als an kleineren Standorten wie Elversberg oder Heidenheim. Auch das große Medienaufkommen und die damit verbundene Aufmerksamkeit für die handelnden Personen trägt ihr Übriges zu einer gewissen Grundhektik bei, die instabile Vereine zermürben kann.

Herthas Fans unterstützten ihre Mannschaft im Oktober auf Schalke bildgewaltig. (Foto: IMAGO / Maximilian Koch

Herthas Fans unterstützten ihre Mannschaft im Oktober auf Schalke bildgewaltig. (Foto: IMAGO / Maximilian Koch

Schalkes Absturz ist noch steiler

So ähnlich sich Hertha und Schalke in gewissen Entwicklungen sein mögen: Der Absturz der Gelsenkirchener ist doch rapider. Das liegt an der schlicht höheren Fallhöhe der "Knappen". Schalke hat mit 160.000 die drittmeisten Mitglieder Deutschlands, ist siebenfacher Deutscher Meister, fünffacher Deutscher Pokalsieger und hat 1997 den Uefa-Cup gewonnen. Jahrzehntelang gehörten die "Königsblauen" zur Speerspitze des deutschen Fußballs. Nun ein Dauergast in der 2. Bundesliga zu sein, ist anhand der früheren Erfolge eine größere Schmach als sie Hertha zurzeit erlebt.
 
Auch die Berliner sind ein großer Traditionsverein mit überaus vielen Fans, einem beeindruckenden Stadion und großen historischen Fußball-Persönlichkeiten. Auch sie haben den deutschen Fußball geprägt, doch sportlich gehörte der Hauptstadtklub nur nahezu zur Spitzenriege Deutschlands, die Titel-Vitrine ist fast leer und ordentlich eingestaubt. So ist Hertha aus dem deutschen Profi-Fußball zwar nicht wegzudenken, aber doch eine Nummer kleiner als Schalke. In der ewigen Bundesliga-Tabelle trennen die beiden Klubs knapp 500 Spiele und 800 Punkte.

Hertha-Trainer Stefan Leitl (Quelle: IMAGO / Fussball-News Saarland)
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Schalke weiterhin nur ein e.V.

Ein weiterer Unterschied zwischen den Klubs ist, dass Schalke seine Odyssee ausschließlich als eingetragener Verein erlebt hat. Hertha gliederte seine Profi-Abteilung im Jahr 2002 in eine GmbH & Co. KGaA aus und veräußerte seine Anteile Schritt für Schritt. Zwischenzeitlich gingen sie von KKR zu Windhorst und Tennor, der sie wiederum an das US-Unternehmen 777Partners – den heutigen Besitzer - verkaufte. So hat Hertha sein Tafelsilber bereits verkauft, ohne aber langfristig von den Investments profitiert zu haben und gewachsen zu sein.
 
Schalke strebt zwar weiterhin an, ein e.V. zu bleiben und arbeitet derzeit mit Modellen wie einer Fördergenossenschaft, um an frisches Kapital zu kommen - doch sollten wirtschaftlich alle Stricke reißen, könnte eine Ausgliederung der Profi-Abteilung den Klub retten. Ein Fallschirm, den Hertha in seinem freien Fall bereits wirkungslos genutzt hat.

Sendung: rbb Der Tag, 07.03.2025, 18 Uhr