
Interview | Sebastian Polter Sebastian Polter: "Wenn Hertha die große individuelle Klasse auf den Platz bringt, ist es ein Top-Team"
Auf Hertha wartet am Sonntag ein wichtiges Spiel im Abstiegskampf. Bei Gegner Braunschweig mit dabei: Sebastian Polter. Der Stürmer spricht über das Duell, seinen Trauzeugen und Hertha-Kapitän Toni Leistner - und seine Liebe zum 1. FC Union.
rbb|24: Am Sonntag um 13:30 Uhr ist Hertha BSC zu Gast bei Ihnen im Eintracht-Stadion. Ihre Mannschaft steht auf dem Relegationsplatz, Hertha drei Punkte davor. Wie ist Ihre Stimmungslage vor diesem wichtigen Spiel?
Sebastian Polter: Positiv angespannt. Natürlich weiß man um die Brisanz der Partie. Wir können mit Hertha gleichziehen. Das wollen wir natürlich gerade hier zu Hause auch schaffen.
Wie haben Sie den Absturz von Hertha in den vergangenen Wochen aufgefasst?
Natürlich kenne ich vergleichbare Situationen aus meinen Stationen in der Vergangenheit - und bin aktuell selber einer Situation mit unserer Mannschaft, in der wir gegen den Abstieg kämpfen. Ich weiß, worauf es ankommt. Natürlich hat Hertha BSC ganz andere Ambitionen gehabt am Anfang der Saison. Der Verein wollte oben angreifen, lange oben mitspielen, hat das nicht geschafft. Das entzieht sich aber meiner Bewertung.
Sie kämpfen mit Braunschweig gegen den Abstieg. Ein psychologischer Vorteil könnten aber die letzten Spiele sein - zumindest spielten Sie zuletzt zweimal Remis, gegen SSV Ulm und Hannover 96.
Sicherlich sind wir mit der Punkteausbeute in der Rückrunde schon zufrieden, aber wir wissen auch, dass wir hätten auch mehr punkten können in der letzten Zeit. Wir haben jetzt am Wochenende sicherlich zwei Punkte in den letzten Minuten liegen lassen. Mit ein bisschen mehr Glück hätten wir das Spiel auch gewinnen können in Hannover (Braunschweig kassierte das Ausgleichstor in der Nachspielzeit, Anm. d. Red). Wir kennen natürlich die Negativserie von Hertha BSC. Aber es heißt auch: Ein angeschlagener Boxer ist immer noch mal gefährlicher. Die Mannschaft hat eine große individuelle Klasse. Wenn sie die auf den Platz bringt, ist es ein Top-Team. Aber wir werden alles dagegen setzen und unsere eigenen Stärken auf den Platz bekommen.
Ihre eigenen Stärken konnten Sie gegen den SSV Ulm unter Beweis stellen, als Sie kurz nach Ihrer Einwechslung zum Ausgleich trafen und damit Ihren ersten Torerfolg seit September 2023 erzielten, damals noch für Schalke 04. Wir haben auch das emotionale Video gesehen, als Sie nach Spielschluss weinten.
Ich habe lange auf ein Tor gewartet. Natürlich bricht es dann aus einem heraus, wenn du dann auch mal wieder das machst, was du am liebsten gemacht hast in deiner Karriere: Toreschießen, Mannschaften und den Vereinen damit helfen. Ich bin immer ein Typ gewesen, der seinen Emotionen in diversen Situationen einfach freien Lauf lässt. Ich bin niemand, der das verheimlicht oder nach innen frisst. Es ist aber nicht so, dass ich im Training nicht meine Tore gemacht hätte, sondern auch da bin ich regelmäßig am Treffen. Natürlich komme ich aktuell eher auf weniger Spielzeit, aber ich bin felsenfest von überzeugt, dass da auch wieder mehr auf den Tacho kommt, damit ich der Mannschaft mit meiner Art und Weise, aber auch mit den Toren, helfen kann.
Ich könnte es nicht über das Herz bringen, für Hertha zu spielen.
Wir müssen natürlich einmal fragen: Toni Leistner, Ihr guter Freund und Trauzeuge, ist Kapitän von Hertha BSC. Haben Sie schon über das Duell am Wochenende gesprochen?
Wir sprechen jeden Tag über alles, über Gott und die Welt, über Urlaube, über ein mögliches Treffen unserer Familien in der Länderspielpause. Egal wann, wir haben immer offen und ehrlich über alles gesprochen. Außer über mannschaftsinterne Angelegenheiten oder taktische Dinge. Das werden wir nie machen. Ich bin aber grundsätzlich mit ihm im Austausch. Wir wissen beide um die Wichtigkeit des Spiels: Hertha muss unbedingt gewinnen, um den Abstand nach unten auszubauen. Wir müssen gewinnen, um noch einen Verein mehr mit reinzuziehen. Deswegen wird es sicherlich ein schweres Spiel für uns beide. Auf dem Platz gilt da sicherlich auch nicht die Freundschaft, sondern eher unser jeweiliger Verein. Aber alles, was danach oder davor passiert, ist die enge Freundschaft, die auch immer die enge Freundschaft bleiben wird.

Vor dem Hinspiel im Olympiastadion: Sebastian Polter mit seinem Trauzeugen und Hertha-Kapitän Toni Leistner.
Toni Leistner spielte einst mit Ihnen bei Union, mittlerweile ist er Kapitän von Hertha BSC. Sie selbst sagten vor einigen Jahren, dass Sie niemals für Hertha spielen werden.
Das ist meine absolute Überzeugung. Ich habe zu viel mit Union Berlin erlebt. Ich bin dankbar für die lange Zeit bei Union. Ich könnte es nicht über das Herz bringen, für Hertha zu spielen. Toni hat aber nie gesagt, dass er das ausschließen würde. Es ist von Toni professionell gewesen, diesen Weg mit der Familie zu diskutieren und diesen Schritt trotzdem zu gehen. Ich habe für mich von vornherein kategorisch abgelehnt, dass ich das jemals in Erwägung ziehen würde.
Wie intensiv verfolgen Sie Union Berlin denn momentan?
Sehr. Ich bin nach wie vor auch noch ein Mitglied bei Union Berlin. Ich bin dem Verein verbunden. Das ist für mich etwas, wo ich sehr stolz gewesen bin, einfach dort gewesen zu sein. Ich verfolge den Fußball von der ersten Liga bis hinunter in die Regionalligen und versuche mich da auch zu vernetzen. Aber natürlich ist Union Berlin ganz oben auf der Liste, weil ich einfach diese Verbundenheit habe.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lukas Witte.
Sendung: Der Tag, 14.03.2025, 19:15 Uhr