Abrissarbeiten fortgesetzt Jahn-Sportpark: Abriss fortgesetzt - Wie es jetzt weitergeht
Trotz brütender Spatzen darf der Abriss des Stadions im Jahn-Sportpark teilweise fortgesetzt werden. Eine Bürgerinitative und ein Naturschutzverein kritisieren den Beschluss und machen sich große Sorgen um die finanzielle Zukunft des Bauvorhabens. Von Lukas Witte
Nach und nach verliert das Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark seine Gestalt. Von außen erinnern zwar noch die ikonischen Flutlichtmasten an alte Tage, doch spätestens, wenn man einen Blick über den Bauzaun vor der Haupttribüne wagt, ist vieles kaum noch wiederzuerkennen. Eingang, Fenster und Fassade sind so gut wie verschwunden und man blickt durch das Gebäude hindurch direkt ins Stadioninnere, wo ein Großteil der bunten Sitze mittlerweile neue Besitzer gefunden haben.
Nach dreimonatigem Stopp rollen seit Montag wieder die Bagger im Jahnsportpark und machen Platz für die neue Arena. Eigentlich hätten die Abrissarbeiten am großen Stadion nach einem Gerichtsbeschluss noch ruhen müssen, bis die Brutperiode des Haussperlings, der sich auf den Tribünen besonders wohl fühlt, Ende September vorbei ist. Doch letzte Woche erwirkte der Senat durch einen Änderungsantrag, dass zumindest der Abriss der Osttribüne erst einmal fortgesetzt werden darf.
Holzgerüste für die Spatzen
Das Verwaltungsgericht folgte der Argumentation des Senats, dass sich auf der großen Osttribüne nur wenige Brutstätten befinden würden, für die adäquater Ersatz – sogenannte CEF-Maßnahmen – geschaffen worden sei. Mit anderen Worten: Im Stadionumfeld wurden einige Holzkonstrukte errichtet, auf denen sich die Spatzen zum Brüten niederlassen können.
Für die Gegner des Bauvorhabens ist der Beschluss nicht nachvollziehbar. "Als CEF-Maßnahme wurden nachweislich nichtfunktionale Bretterwände aufgestellt. Es sind Holzgerüste, die nicht witterungsbeständig sind. Wir sind der Meinung, dass diese nicht ausreichend sind", sagt Aleksandra Kwasnik von der Bürgerinitiative Jahnsportpark, welche sich bereits seit der Planungsphase gegen einen Abriss und Neubau des Stadions positioniert.
Zustimmung gibt es vom Naturschutzverein NaturFreunde Berlin, die damals den Antrag stellten, der zum Abrissstopp geführt hatte. "Wir haben versucht deutlich zu machen, dass diese Form der Ausgleichsmaßnahmen nicht funktionieren werden. Die Holzgerüste sind von ihrer Bauart und dem Standort nicht geeignet, um den Arten einen alternativen Brutplatz anzubieten", erklärt der stellvertretende Vorsitzende Uwe Hiksch.
In der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen widerspricht man dieser Kritik. Die Maßnahmen seien einvernehmlich mit der unteren und oberen Naturschutzbehörde getroffen worden und die Funktionsweise ausführlich dargelegt, erklärt Pressesprecher Martin Pallgen auf rbb-Anfrage. Zudem sei die Annahme der Maßnahmen durch die Vögel bereits nachgewiesen worden.
Senat macht Tempo
Bis zum 7. Februar bleibt jetzt noch Zeit, um Beschwerde gegen den Beschluss vor dem Oberverwaltungsgericht einzulegen. Laut Hiksch würden derzeit alle zur Verfügung stehenden Fakten geprüft und dann über das Wochenende über das weitere Vorgehen entschieden werden. Bereits am Montag könnte dann ein Eilantrag gestellt werden.
Zwar schätzt er die Erfolgsaussichten einer Beschwerde hoch ein, macht sich jedoch Sorgen um den Zeitfaktor. "Die Abrissarbeiten gehen in einer Geschwindigkeit voran, dass die Beschwerde, selbst wenn wir sie denn gewinnen würden, möglicherweise nur noch ein nacktes Stahlgerüst betreffen würde" sagt er.
Bis das Oberverwaltungsgericht final entscheidet, könnten also sämtliche Brutstätten auf der Haupttribüne längst zerstört sein. "Das ist ganz deutlich eine Trickserei des Senats gewesen, der mit dieser Änderungsverfügung versucht hat, uns auszuhebeln. Das ist eine Salamitaktik: Wenn die Osttribüne erst einmal weg ist, wird es für uns immer schwieriger werden, den Widerstand gegen den Abriss der verbleibenden Tribünen zu organisieren", so Hiksch.
Bürgerinitiative und Naturschutzverein kämpfen weiter
Pallgen widerspricht, dass die Arbeiten extra schnell vorangetrieben würden, um einem endgültigen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts zuvorzukommen. Der Senat plane, den Abriss der Haupttribüne bis zum zweiten Quartal abgeschlossen zu haben. Warum es so schnell gehen muss, bleibt allerdings fraglich, schließlich werden die Bagger dann erst einmal wieder stillstehen müssen. Mit dem Abriss der verbleibenden Tribünen darf Stand jetzt erst im vierten Quartal mit Ablauf der Brutzeit begonnen werden.
"Wir konzentrieren uns jetzt auf jeden Fall auch schon auf die Bereiche, die noch stehen und werden alles dazu zusammentragen und prüfen. Wir werden außerdem auch sehr eng die Debatte begleiten, was auf der Fläche der abgerissenen Osttribüne geschieht", sagt Hiksch.
Denn trotz der begonnenen Abrissarbeiten haben der Naturschutzverein und auch die Bürgerinitiative den Kampf gegen die Stadionpläne des Senats noch längst nicht aufgegeben – und das aus gutem Grund. Es besteht die Sorge, dass der Jahn-Sportpark zum nächsten großen Millionengrab in der Hauptstadt werden könnte.
Was, wenn das Geld ausgeht?
Laut Kwasnik seien die Mittel für den Neubau des Stadions im Haushalt nicht abgesichert. Lediglich 20 der geplanten 200 Millionen seien im Haushalt für 2025 eingeplant. "Der Rest sind Verpflichtungsermächtigungen für die kommenden Jahre. Und es gibt keine Garantie, dass die Mittel tatsächlich bereitgestellt werden. Unserer Meinung nach besteht die Gefahr, dass es im Angesicht steigender Sparmaßnahmen zu einem Punkt kommen könnte, wo einfach nur abgerissen wird und dann plötzlich kein Geld mehr für den Neubau da ist."
Wie schnell es dazu kommen könnte, war im vergangenen November zu beobachten. Nur haarscharf schlitterte das Projekt in Prenzlauer Berg an den umfangreichen Haushaltskürzungen des Berliner Senats vorbei. Finanzsenator Stefan Evers stellte aber schon damals klar, dass das Gesamtvolumen der Baumaßnahme deutlich gesenkt werden müsse und 300 Millionen nicht übersteigen dürfe.
Eine Verringerung der Kosten könne dabei nur durch Verzicht auf Standards, durch Absenkung von Standards, oder durch Verzicht auf den ein oder anderen Teil der Baumaßnahme gelingen. Laut Senatsverwaltung würden im Zuge der weiteren Planung laufend Einsparpotentiale baufachlich eruiert und eingeplant werden.
Hiksch bezweifelt, dass das funktionieren wird: "Das Abgeordnetenhaus hat 200 Millionen für den Bau des Stadions eingeplant, die dann aber reichen müssen. Das wird aber nicht passieren, das weiß doch jeder, der sich mit der Kostenentwicklung beschäftigt."
Neubau soll 2026 beginnen
Auch eine Garantie, dass die Mittel für das Projekt in den kommenden Haushalten tatsächlich freigegeben werden und nicht Sparzwängen zum Opfer fallen werden, kann derzeit wohl keiner geben. "Für den letzten Bauabschnitt sind sogar noch gar keine Mittel festgelegt. Das wurde auf die nächste Legislaturperiode verschoben. Aber es geht erst in diesem dritten Abschnitt um die Herrichtung des Sportparks. Und das ist genau der Ort, der für die Bedarfe des Inklusions-, Breiten-, Schul- und Vereinssport relevant ist. Das Stadion ist schließlich für den Profisport vorgesehen", sagt Kwasnik.
Noch 2026 soll mit dem Neubau des Stadions begonnen werden. Derzeit plant der Senat mit einer Bauzeit von etwa 30 Monaten. Inwieweit sich dieser Zeitplan verschiebt, hängt auch davon ab, wie lange sich die Streitsache um die brütenden Spatzen vor dem Verwaltungsgericht noch zieht und wann mit dem Abriss der verbleibenden Tribünen begonnen werden kann.
Zumindest bis zum Baustart haben die Bürgerinitiative und die NaturFreunde also noch Zeit, weiter gegen die Pläne vorzugehen. Eine Petition gegen den Abriss des Stadions haben mittlerweile 15.000 Menschen unterschrieben. Sie fordern stattdessen eine Sanierung der bestehenden Arena - so lange diese noch nicht völlig abgerissen wurde. "Wir können nur weiter versuchen, dafür zu sorgen, dass der Senat zur Einsicht kommt. Vielleicht wird er aber auch durch die Finanzsituation dazu gezwungen werden", sagt Kwasnik.
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