Der vestorbene Ex-Hertha-Präsident Kay Berstein lacht im Sonnenschein (Quelle: IMAGO / Beautiful Sports)

Interview | Hertha-Stadionsprecher Fabian von Wachsmann Hertha-Stadionsprecher Fabian von Wachsmann im Interview: "Kay Bernstein hat den Verein immer in seinem Herzen getragen und gelebt"

Stand: 16.01.2025 06:24 Uhr

Fabian von Wachsmann ist seit Jahrzehnten Stadionsprecher von Hertha BSC. Den verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein kannte er gut. Ein Jahr nach dessen Tod spricht er im Interview über seinen Freund und Momente der Trauer im Olympiastadion.

rbb|24: Herr von Wachsmann, der Todestag von Kay Bernstein jährt sich nun zum ersten Mal. Was geht Ihnen durch den Kopf?
 
Fabian von Wachsmann: Ich beschäftige mich damit, ob man das überhaupt so sagen sollte: 'der erste Todestag'. Oder ob man nicht einfach vom Todestag sprechen sollte. Das ist ja kein Geburtstag, den man feiert. Darüber bin ich schon mehrmals gestolpert. Ansonsten guckt man raus und sieht den Schnee [das Interview wurde am Dienstag geführt; Anm. d. Red.]. Das ist genau wie vor einem Jahr: Am 16. Januar 2024 lag auch Schnee. An sich ist es natürlich schön, wenn draußen Schnee liegt. Im Moment weckt das aber eine unerfreuliche Assoziation. Das Jahr ist verdammt schnell vergangen – und trotzdem ist Kay regelmäßig da.

Udo Knierim (li.) und Fabian von Wachsmann, Stadionsprecher von Hertha BSC (Quelle: IMAGO / Matthias Koch)

Seit Jahrzehnten Herthas Stadionsprecher: Fabian von Wachsmann (re.) und Udo Knierim.

Wie äußert sich das?
 
In Erinnerungen, Träumen, Flashbacks – oder in Situationen, in denen man denkt: Darüber muss ich mal mit Kay reden. Erst kurz danach realisiert man dann, dass es so etwas nicht mehr geben wird.
 
Welchen Anteil hatte Hertha BSC an den Gesprächen, die Sie zu Bernsteins Lebzeiten mit ihm geführt haben?
 
Eine großen, weil Hertha sowohl in Kays als auch in meinem Leben eine große Rolle spielt. Kay hat den Verein immer in seinem Herzen getragen und gelebt. Er hat erst als Fan und später ehrenamtlich so viel Zeit für diesen Verein investiert – mit Choreografien, Auswärtsfahrten, Fantreffen. Das ist nochmal etwas völlig anderes, als wenn man in irgendeiner Form für den Klub arbeitet. Das war in Kays DNA so tief verwurzelt. Ich bin jetzt seit 30 Jahren für Hertha tätig und natürlich war Hertha in all der Zeit, die wir miteinander verbracht haben, auch immer ein Thema.
 
Wie haben Sie vor einem Jahr davon erfahren, dass Kay Bernstein gestorben ist?
 
Ich wurde von einem gemeinsamen Weggefährten und Freund angerufen, der mir sagte, dass er jemanden zum Reden braucht. Er hat mir dann gesagt, dass Kay gestorben ist. Ich hatte gar nicht auf dem Schirm, dass das passieren könnte, also habe ich gefragt: Welcher Kay?

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Nur fünf Tage später hat Hertha BSC gegen Fortuna Düsseldorf gespielt. Es war das erste Spiel nach Bernsteins Tod. In diesem Rahmen haben Sie als Stadionsprecher eine ergreifende Rede vor der Schweigeminute im Olympiastadion gehalten. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Momente?
 
Der ganze Tag war schlimm. Es gab keinen Rückzugsort für die verletzte Seele. Man ist dort hingekommen und die Traurigkeit ist einem überall ins Gesicht gesprungen. Die Menschen waren von Herzen betroffen. Das ist zwar etwas Schönes, das nimmt man in dieser Situation aber nicht als schön wahr. Das war herzzerreißend. Ob das die Ultras waren, die mit dem Fanmarsch zum Stadion gekommen sind. Ob das gemeinsame Freunde waren. Menschen, die ihm nahestanden. Menschen, die für den Verein arbeiten. Fans, die ihn gar nicht persönlich kannten. Egal, wo man hingekommen ist: Überall war diese unglaubliche Traurigkeit.
 
Und ich selbst war mit meiner Traurigkeit beschäftigt. Das war eigentlich alles zu viel. Zumal ich über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel eine Lungenentzündung hatte. Ich war eigentlich gar nicht fit und hatte keine Stimme. Ich war schon geschwächt – und dann kam noch diese herzzerreißende Traurigkeit dazu. Ich wusste aber auch: Ich werde im Stadion etwas dazu sagen und das sollte würdig sein; für alle Menschen, die mit dem Verein und der Familie trauern. Allen voran für seine Frau und seine Familie.

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Sie haben bereits erwähnt, dass Sie inzwischen seit 30 Jahren bei Hertha BSC sind. Sie hatten mit Kay Bernstein aber nicht nur die Verbindung über den Verein, sondern auch über den Beruf. Wie kann man sich das vorstellen?
 
Hertha hat uns miteinander verbunden. Das andere kam erst, als wir uns schon angefreundet hatten. Ich habe ihn als Vorsänger kennengelernt, als ich schon Stadionsprecher war. Zu dieser Zeit hatten wir aber noch keine Nähe. Auf Empfehlung einer gemeinsamen Freundin hat er dann ein Praktikum beim Radio, bei uns bei "Energy", gemacht. Da habe ich ihn so richtig kennengelernt.
 
Er hat es schnell geschafft, dass ich ihn als Mitarbeiter und Praktikanten geschätzt habe. Er hat schnell überzeugt und gezeigt, was er alles kann, obwohl er es so nie gelernt hat. Radio, Medien, Kommunikation – das war vorher nicht seine Welt. Wir haben schnell gemerkt, dass wir gut zueinander passen und dass wir uns vertrauen. Viele Jahre später haben wir dann sein Projekt – "Team Bernstein" – zusammen geleitet. Da hatten wir eine riesige Zeit. Erst im Jahr 2020, während der Corona-Pandemie, haben wir uns beruflich im Frieden getrennt.
 
Welchen Menschen haben Sie damals kennengelernt?
 
Das war ein Mensch, der ganz viel mitgebracht hat. Er hat vor Ideen gesprüht, hatte einen unglaublichen Antrieb und eine Umsetzungskompetenz. Es gibt viele Menschen, die Ideen haben. Menschen, die Bock und das Know-How haben, Ideen zu verwirklichen, findet man aber gar nicht so oft. Kay hatte beides – das war schon mal herausragend. Und er hatte ein sehr, sehr großes Herz.
 
Natürlich hatte er aber auch ein sehr loses Mundwerk, einen sehr großen Willen und ein großes Ego. Das hatte er auch schon als Auszubildender. Das Besondere ist aber: Menschen, mit denen er aneinandergeraten ist, wurden später innige Freunde.

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Was hat er mitgebracht, um ein geeigneter Vereinspräsident zu sein – und was hat ihm gefehlt?
 
Er hat eine große Entwicklung gemacht. Als Präsident hat er seine Berliner Schnauze im Zaum gehalten, er hat sich sehr präsidial verhalten. Er war unglaublich nahbar. Er hat Ruhe reingebracht und eine klare Vision formuliert, die die Herzen der Herthanerinnen und Herthaner geöffnet hat. Er war für jeden ansprechbar, war immer präsent, hat zugehört und hat sich für alle Zeit genommen – für jeden Fan, für jeden Mitarbeiter. Das war neu. Und das hat dazu geführt, dass der Verein wieder transparent, nahbar und demütig geworden ist.
 
Bestimmt hat es ihm an politischem und wirtschaftlichem Netzwerk gefehlt. Die Frage ist aber, ob das überhaupt so wichtig für einen Präsidenten ist oder ob es nicht viel entscheidender ist, wie man auftritt und wie ernst man die Menschen nimmt. Das, was ich mitbekommen habe, hatte Hand und Fuß. Er hat das wirklich stark gemacht.
 
Vielen Dank für das Gespräch.
 
Das Interview führte Dennis Wiese, rbb Sport.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.01.2025, 10:15 Uhr