Fußball-Bundesliga Was die Trainer-Gerüchte bei Union über den Zustand des Vereins aussagen
Kurz vor dem wichtigsten Spiel der Saison rumort es beim 1. FC Union. Verschiedene Medien berichten, dass Nenad Bjelicas Tage bei Union bald gezählt sind. Das ist ein Hinweis auf tieferliegende Probleme im Verein. Von Till Oppermann
Nach dem öffentlichen Training am 1. Mai verbreitete zumindest die Medienabteilung des 1. FC Union Berlin eine klare Botschaft. "Es geht nur gemeinsam", hieß es unter einem Post auf Instagram. Vier Tage vor einem der wichtigsten Spiele der letzten Jahre ist diese Floskel nicht besonders kreativ. Aber sie stimmt: Im Abstiegskampf gegen Bochum wird Union nur bestehen können, wenn alle zusammen für das gemeinsame Ziel arbeiten.
In dieser Hinsicht kamen die Schlagzeilen vom Mittwochmorgen zur Unzeit. "Kicker" und "Sky" berichteten, dass Nenad Bjelicas Ende als Union-Trainer spätestens zum Saisonende längst beschlossen sei. Und zwar unabhängig davon, ob Union den Klassenerhalt schafft oder nicht.
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Keine Wagenburg mehr
Die Reaktion des Vereins war typisch. Man wollte den Bericht "nicht kommentieren, dementieren oder bestätigen". Früher hätte das für Ruhe gesorgt. Union war in den letzten Jahren dafür bekannt, dass keine Interna nach außen dringen. Union gegen alle war das Credo der Führung, so schien es manchmal. Und alle machten mit.
Der Verein wurde deshalb als "Wagenburg" bezeichnet. Aber diese Zeiten sind vorbei. In dieser Saison erscheinen immer wieder Artikel über das Innerste Klubs in der Presse. Wahr waren sie nicht immer. Bevor Union Bjelica als Nachfolger von Urs Fischer vorstellte, wurde im "Kicker" der Spanier Raul gehandelt. Trotzdem sorgten sie zuverlässig für Unruhe. In den Tagen nach Nenad Bjelicas Ohrfeige gegen Leroy Sane konnten Fans die Diskussionen rund um seine Zukunft im Verein quasi in Echtzeit mitverfolgen.
Spieler nicht bei der Sache
Selbst so kurz vor dem wichtigen Spiel gegen Bochum scheinen sich nicht alle in Köpenick auf den Sport konzentrieren zu wollen. Wer nach Hinweisen auf das Leck sucht, wird im "Kicker" fündig. Bjelicas Verzicht auf Videoanalysen würde der Kader kritisch sehen, steht da. Außerdem seien nicht alle Spieler mit Bjelicas "altmodischem Führungsstil" einverstanden.
Da muss man nicht mehr als eins und eins zusammenzählen, um zu schlussfolgern, dass unzufriedene Spieler zumindest eine Station auf dem Weg der Informationen in die Medien sind. Teile des Kaders, der zu Anfang der Saison für die Champions League zusammengestellt wurde und nun gegen den Abstieg spielt, sind fortgesetzt mehr mit der eigenen Karriere beschäftigt als mit Union.
Gute Argumente gegen Bjelica
Argumente gegen Bjelica gibt es derweil einige. Seit seinem Amtsantritt vor sechs Monaten haben die Köpenicker zwar die drittwenigsten Gegentore der Liga bekommen. In diesem Kalenderjahr haben sie aber gleichzeitig die wenigsten Tore der Liga erzielt. In den letzten neun Spielen gelang Union nur ein Sieg. Der zwischenzeitliche Vorsprung von neun Punkten auf den Relegationsplatz schrumpfte in dieser Zeit auf zwei Zähler zusammen.
Laut "Kicker" werde Bjelica deshalb auf lange Sicht nicht zugetraut, die Mannschaft weiterzuentwickeln. Dass das noch vor der abschließenden Saisonanalyse im Fußball-Fachmagazin steht, legt nahe, dass Union deutlich größere Probleme hat als einen Trainer in der Kritik.
Ein Verein wie jeder andere
Dirk Zingler versteht Union als eine große Familie. Diese Sicht der Dinge ist spätestens seit dieser Saison überholt. Denn sein Sport-Geschäftsführer Oliver Ruhnert hat nicht nur zu viele Spieler gekauft, die sportlich nicht hielten, was sie versprachen. Vor allem charakterlich ist die Mannschaft nicht mehr so homogen wie in den Jahren nach dem Aufstieg.
Für die Konkurrenz ist das eine gute Nachricht. Nachdem die Unioner in den vergangenen Jahren gleich mehrere Fußballmärchen schrieben, sind sie im sechsten Bundesligajahr endgültig Teil des normalen Geschäfts. Sollte der Klassenerhalt glücken, muss Zingler viele wichtige Entscheidungen treffen. Sollte der Trainer weiter so eine schwache Position haben, die Kaderplanung wieder schief gehen und die Mannschaft weiter aus zu vielen Einzelkämpfern bestehen, könnte die Saison 2024/2025 nicht nur sprichwörtlich zum verflixten siebten Jahr werden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 02.05.2024, 12:15 Uhr