Sandro Schwarz, Ex-Hertha-Trainer und nun in New York tätig (imago images/Kelvin Kuo)

Interview | Ex-Hertha-Trainer Sandro Schwarz Ex-Hertha-Trainer Schwarz über Fußball in New York, Kay Bernstein und seine Zeit bei der Hertha: "Die Berlin-Zeit hätte länger sein dürfen"

Stand: 17.01.2025 13:44 Uhr

Seit rund einem Jahr arbeitet Ex-Hertha-Trainer Sandro Schwarz nun in New York. Dort hat er in seiner ersten Saison gleich das Meisterschaftsfinale erreicht. Ein Gespräch über die Besonderheiten des US-Fußballs und Erinnerungen an Berlin.

rbb|24: Sandro Schwarz, gut fünf Wochen ist es nun her - das verlorene Finale um die Meisterschaft in der MLS, der amerikanischen Profi-Fußballliga. Die von Ihnen seit Anfang 2024 trainierte Mannschaft New York Red Bull verlor mit 1:2 gegen LA Galaxy. Hand aufs Herz: Wie oft liegen Sie nachts noch wach deswegen?
 
Sandro Schwarz: Als Spieler war es anders. Aber inzwischen kann ich unabhängig von Ergebnissen sehr, sehr gut schlafen. Klar war die Niederlage extrem ärgerlich, klar war da Enttäuschung. Aber ich konnte auch relativ schnell das große Ganze sehen. Die Entwicklung, die wir genommen haben, die vielen schönen Momente, die uns durch diese sehr emotionalen Playoff-Spiele geführt haben.

Aus deutscher Sicht war das Finale auch deshalb interessant, weil der Ex-Dortmunder Marco Reus seit ein paar Monaten für Los Angeles spielt und prompt das schaffte, was ihm in Deutschland immer verwehrt geblieben ist: ein Meisterschaftsgewinn.
 
Wir haben uns vor dem Spiel gesehen, sehr nett miteinander gesprochen. Nach der Partie war ich dann logischerweise in einer anderer Stimmungslage.

Sie lachen.
 
Aber natürlich habe ich gratuliert, so wie es sich gehört. Und es ist großartig für Marco, dem jeder Respekt gebührt. Wenn Du in ein neues Land kommst, in eine neue Liga - das alles so schnell anzunehmen, Kompliment.

Für Sie ist es nach Ihrer Zeit bei Dynamo Moskau schon die zweite Auslandsstation. In Russland, haben Sie mal erzählt, waren Sie erstaunt davon, wie wenig selbst die erfolgreichsten Mannschaften an Ballbesitz waren. Was ist Ihnen bisher im US-Fußball aufgefallen?
 
Er ist sehr technisch, mit vielen, individuell guten Spielern aus Südamerika. Aber auch die Nordamerikaner sind top ausgebildet. Weshalb es viele Ballbesitz-Mannschaften gibt. Auch aufgrund der fixen Ligastruktur ohne Abstieg. Es wirkt sich einfach auf das Spiel aus, wenn es nicht diese Drucksituationen aus dem Abstiegskampf gibt und Du auch nach einer Niederlagenserie noch aufs Spielerische setzen kannst.

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In den Play-offs allerdings heißt es "Do or Die". Mit einer Niederlage ist alles vorbei.
 
Dann musst Du da sein, ja. Deshalb sind die Spiele in den Play-offs auch nochmal ein komplett anderer Fußball. Und auch eine ganz andere Emotionalität. Du spürst es im Klub, im Hotel, bei der Anfahrt auf das Stadion. Auch unter den Fans. In New York hat man ja durchaus auch Alternativen zum Fußball.

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Und trotzdem hat man in der entscheidenden Phase der Saison das Gefühl, es gibt an diesem Tag nichts anderes auf dem Planeten als dieses Spiel heute. Es ist nicht wie in Deutschland, wo Fußball Religion ist und den Alltag bestimmt. Aber die Sportbegeisterung, diese Emotionalität genau auf den Punkt, die ist sehr interessant.

Wenn man über Sie liest, fällt immer wieder ein Wort: Struktur. Struktur scheint bei Ihnen die Grundlage für alles. Auch für die Menschenführung, die als eine Ihrer Stärken gilt. Dabei haben Sie mal gesagt, dass Ihr Mainzer Ex-Trainer Wolfgang Frank, der auch die späteren Welttrainer des Jahres, Jürgen Klopp und Thomas Tuchel geprägt hat, darin Ihr Vorbild war.
 
Er hat mich nicht neu erzogen. Das Strukturelle liegt in mir als Mensch, als Persönlichkeit. Aber Wolfgang Frank war trotzdem prägend, weil er mit Strukturen den Glauben entfacht hat, dass man auch mit wenig Talent viel erreichen kann. Und in Mainz war der Raum damals voll mit wenig Talent.

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Inzwischen durften Sie mit außergewöhnlichen Talenten von Russland bis in die USA arbeiten.
 
Wenn mir einer nach Mainz [Sandro Schwarz’ erste Trainerstation, Anm.d.Red.] gesagt hätte, ich würde mal in Moskau, Berlin und New York trainieren, hätte ich gesagt: Gib’ mir mal den Stoff! Das hätte die Wenigsten gedacht. Ich bin unglaublich glücklich damit. Die Berlin-Zeit hätte länger sein dürfen.

Welche Hertha-Erinnerung kommt als Erste wieder auf, wenn Sie zurückblicken?
 
Viele schöne Erlebnisse im Olympiastadion. Definitiv der Schalke-Heimsieg. Wenn ich daran denke, das war schon sehr emotional. Wie Kanga das Ding macht [Wilfried Kanga erzielte im Oktober 2022 in der 88. Minute den 2:1-Siegtreffer gegen Schalke, Anm. d. Red.]. Bis zur Winterpause waren die Leistungen auch ansprechend. Schade, wie es dann im zweiten Halbjahr abgelaufen ist. Wir hätten gern länger dort gearbeitet, weil wir total überzeugt waren und sind, dass wir gut reingepasst haben.

Sie sprechen auch immer positiv über Ihre Zeit in Berlin.
 
Die Atmosphäre im Klub war super, so wie die Menschen, die wir dort kennenlernen durften. Wir haben immer noch Kontakt zu Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle, zum Teammanagement, den Physios. Und auch privat war alles gut. Wir haben in Zehlendorf gelebt, uns dort sehr, sehr wohlgefühlt. Mein Kleiner hat bei Hertha 03 gekickt.

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Glückwunsch, der nächste Fußballer Schwarz steht also in den Startlöchern. Zehlendorf gilt schließlich als Talentschmiede.
 
Also wenn es was werden sollte, dann hat er es auf jeden Fall dort gelernt.

Wir enden traurig. Am 16. Januar jährte sich zum ersten Mal der Todestag von Kay Bernstein, der während Ihrer Tätigkeit in Berlin Präsident von Hertha BSC war.
 
Da bekomme ich Gänsehaut. Er starb am Tag der Pressekonferenz, auf der ich in New York vorgestellt werden sollte. Ich habe die Nachricht direkt nach dem Aufstehen bekommen, konnte es nicht fassen. Das war Schock, Trauer, alles. Vor allem unendliches Mitleid für die Familie von Kay, für das Kind. Schrecklich. Schrecklich. Für mich war dann sofort klar: Jetzt auf einer Pressekonferenz über einen Neuanfang sprechen, das passt nicht. Deshalb haben wir auch alles abgesagt.

Woran denken Sie, wenn Sie an Kay Bernstein denken?
 
Die blaue Jacke, mit der er täglich rumgelaufen ist. Und diese volle Identifikation. Aus Leidenschaft, Emotionalität, Verbundenheit heraus. Für Kay war die Überschrift über allem immer: Hertha BSC. Dafür hat er alles, alles gegeben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview wurde geführt von Ilja Behnisch.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.01.2025, 19:15 Uhr