Kinder von der Albert Gutzmann Schule spielen Basketball | Bild: Florian Ullbrich

Zwischen Euroleague und Schul-Trägerschaften Profi-Titel und Schul-Trägerschaften: Wie Alba Berlin den Hauptstadt-Sport verändert

Stand: 21.02.2025 15:18 Uhr

Seit über 30 Jahren verändert Alba Berlin die Berliner Sportlandschaft. 23 Profi-Titel im Scheinwerferlicht, viele Jugend-Initiativen abseits davon. Förderungen der Stadt Berlin sind ein Schlüssel – haben allerdings auch Grenzen. Von Jakob Lobach

Es ist ein kleines, graues Überbleibsel der DDR-Architektur, in dem Alba Berlin in diesen Tagen zu Hause ist. Gemeint ist nicht die eindrucksvolle, gläserne Arena am Ostbahnhof, in deren Scheinwerferlicht Albas Profibasketballer regelmäßig stehen. Gemeint ist Albas unscheinbare Geschäftsstelle im Jahnsportpark, am Rande des sandig-staubigen Parkplatzes – deren eigener etwas eingestaubter Eindruck täuscht.

Albas Cheftrainer Israel Gonzalez im Gespräch mit seiner Mannschaft (Bild: IMAGO/camera4+)
Das steckt hinter Alba Berlins außergewöhnlichem Trainer-Plan
Alba Berlins Cheftrainer Israel Gonzalez erlebt mit seinem Team bislang eine Saison zum Vergessen. Sein auslaufender Vertrag und die Verpflichtung von Pedro Calles schienen sein Aus im kommenden Sommer zu besiegeln – ein Irrglaube. Von Jakob Lobachmehr

Zum einen, weil Alba Berlin es sich im Inneren des flachen Gebäudes mit Stilmitteln wie großen Fotos großer Basketballmomente durchaus gemütlich gemacht hat. Zum anderen, weil der Verein aus seiner Schaltzentrale in Prenzlauer Berg heraus ein alles andere als eingestaubtes Sportkonzept entwickelt hat.
 
Nach dem Jugendbasketball revolutioniert dieses Konzept aktuell den Bildungssport in Berlin. In Kombination ist es die Grundlage für Albas Wirken in Berlin – und die Arbeit von mittlerweile rund 80 Pädagoginnen und Pädagogen im Verein. Dass die Berliner Senatsverwaltung für Sport nur eine Tür weiter im gleichen Haus sitzt, hat Symbolcharakter.

"Grassroot-Programme" als Vorboten der Tradition

Viele verschiedene Kapitel und Facetten der mittlerweile 35-jährigen Geschichte Alba Berlins wurden in den vergangenen Jahren oft erzählt. Zumeist im Fokus: diejenigen, die Woche für Woche im besagten Scheinwerfer-Licht stehen. Knapp zwei Dutzend nationale Titel, Duelle gegen Real Madrid, den FC Barcelona und sogar NBA-Teams, große Spieler und große Trainer – all das hat Alba Berlin zu einer Top-Adresse auf der Landkarte des Berliner Sports gemacht.
 
"Wir haben noch keine ein Jahrhundert lange Tradition wie Hertha und Union", sagt Marco Baldi, "aber im Basketball sind wir in Sachen Popularität in Deutschland weit vorne." Charlottenburg, Prenzlauer Berg, Friedrichshain. Als Geschäftsführers half Baldi Alba dabei, sich Stück für Stück in verschieden Arenen und Teile Berlins vorzuarbeiten.

Dirk Nowitzki (l.) bei einem Spiel seiner Dallas Mavericks bei Alba Berlin | Bild: IMAGO/Contrast

Hoher Besuch im Berliner Sommer 2012: Dirk Nowitzki von den Dallas Mavericks gegen Albas Sven Schultze | Bild: IMAGO/Contrast

Ein reiner Profi-Verein wollte und konnte Alba in einer Stadt mit über 100 Bundesligisten dabei nicht sein. Im Halbschatten einer noch weitestgehend übersehenen Sportart musste Alba erst einmal die Berliner Basketball-Community ausbauen. Laut Baldi Albas Alleinstellungsmerkmal: "Grassroot-Programme", auch Basisarbeit genannt.

2.000 Kinder an vier Alba-Schulen

Rund 200 AGs an knapp 100 Berliner Grund- und Oberschulen, Turniere für Schülerinnen und Schüler in der Region, Sportangebote von Alba-Coaches in 50 Partnerkitas, Kiezkoordinatoren in Brennpunkten wie der Gropiusstadt sind nur einige der Merkmale von Albas Arbeit abseits der 90 vereinseigenen Nachwuchsteams. Insgesamt treiben in Berlin und Brandenburg 15.000 Kinder wöchentlich mit Alba Sport. Rund 2.000 von ihnen gehen sogar bei Alba in die Schule.
 
Vier freie Trägerschaften hat Alba seit dem Jahr 2020 and Grundschulen in Berlin-Mitte, Kreuzberg, Wedding und Karlshorst übernommen – drei davon frisch im vergangenen Sommer. Albas bildungssportliche Dreifaltigkeit: den Stellenwert von Sport stärken. Die Grenzen zwischen Schulen und Vereinen aufweichen. Auch Kinder erreichen, deren Eltern nicht die Zeit oder das Geld haben, ihnen Vereinssport möglich zu machen.

Bewegung im Schulalltag installieren

Nun sind freie Trägerschaften an Berliner Schulen an sich nichts Neues - schließlich dienen diese Privatschulen als Ersatz- oder Ergänzungsschulen. In der Ausgestaltung von Erziehung und Unterricht können sie eigene pädagogische, weltanschauliche oder religiöse Schwerpunkte setzen und somit ein Angebot neben den öffentlichen Schulen bieten. Ein Sportverein als freier Träger ist allerdings sehr wohl ein Novum.
 
"So wie wir das machen, ist das schon einzigartig", sagt auch Philipp Hickethier. Der "Leiter Sport & Bildung" von Alba sitzt bereits, als Helene Hartmann an dem runden Tisch in ihrem Büro Platz nimmt. Hartmann ist die Schulleiterin der Lew-Tolstoi-Grundschule in Karlshorst. "Wir wollten Individualität und Bewegung an die Schule bringen und Alba bietet uns das", sagt sie.
 
Während an der Albert-Gutzmann-Schule im Wedding ein blau-gelber Sportplatz mit großem Alba-Logo in der Mitte symbolisch für die bereits fast fünfjährige Trägerschaft steht, sticht Alba einem in Karlshorst optisch noch nicht ins Auge. Den Schulalltag hingegen präge der Verein bereits spürbar, sagt Hartmann.
 
Sie erzählt von Alba-Erziehern, die die Kinder morgens und im Unterricht begleiten. Dazu von Sportprogramm in den Pausen, einer offenen Turnhalle und vielen AGs am Nachmittag, die weit über Basketball hinaus gehen. "Es ist uns in diesem halben Jahr gelungen, den Sport hier zu installieren", sagt Hartmann und ergänzt: "Es müssten mehr Vereine Verantwortung im Bildungsbereich übernehmen."

Die Alba-AGs aus zwei Brandenburger Schule bei einem Profi-Spiel | Bild: IMAGO/camera4+

Highlight in der Halbzeitpause: Zwei Alba-AGs messen sich im Rahmen eines Profi-Spiels | Bild: IMAGO/camera4+

Den Berliner Senat freut's

Es ist eine Meinung, die auch die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie teilt. Zusammen mit Alba wirbt sie durch die Initiative "Sport Vernetzt" für die Fusion von Vereins- und Schulsport und um noch mehr sportliche Träger an Schulen. Alba Berlin sei hierbei ein Vorbild, "ein verlässlicher Bildungspartner", der das Sportangebot für Kinder und Jugendliche erweitere.
 
In anderen Worten: Alba Berlin leistet an Berliner Kitas und Schulen sportliche Arbeit, die etwa die Lehrerinnen und Lehrer in dem Maße nicht leisten können und auch nicht sollen. Andererseits ist Albas Arbeit im Bildungsbereich nur möglich, weil der Berliner Senat sie unterstützt. Die Berliner Senatsverwaltung nennt es "eine Wechselwirkung". Alba Berlin denke Spitzensport und Bildungssport gemeinsam, sagt Hickethier. Der Verein biete Expertise, neue Ideen und ein sportliches Netzwerk, der Senat die nötigen finanziellen Mittel.
 
"Die ganze Bildungsarbeit, die wir leisten, ist durch Förderprogramm des Senats finanziert", erklärt Hickethier. Für Albas übrige Jugendarbeit gilt dies allerdings nicht. Ein Praxisbeispiel: Wenn eine Alba-Trainerin am Vormittag Kitakindern Vorwärtsrollen beibringt, wird sie hierfür mit Senatsmitteln bezahlt. Bringt sie ein paar Stunden später einem Alba-Jugendteam den perfekten Linkskorbleger bei, zahlt der Verein selbst.

Fans und Spieler von Alba Berlin erwarten den Beginn einer Basketball-Partie in der Arena am Ostbahnhof. Quelle: imago images/camera4+
"Vielleicht tut es uns ganz gut, mal wieder auf den Boden zurückzukommen"
Monika Metze geht seit vielen Jahren zu Alba Berlin. Eine sportliche Talfahrt wie zuletzt hat sie seitdem bei den Basketballern allerdings noch nicht erlebt. Sie ist trotz der Krise positiv für die Zukunft gestimmt - und sieht sogar eine Chance.mehr

Zwischen gesicherten und zusätzlichen Geldern

Die vollständige finanzielle Förderung des Berliner Senats erklärt also ein Paradoxon: dass Alba sein Engagement im Bildungssport zuletzt im Eiltempo ausbaute, während sein Profiteam mit einem zunehmend knapperen Budget kämpft. Ein wichtiger Umkehrschluss: Albas Arbeit im Bildungssport wäre auch dann gesichert, wenn die Profis noch länger in ihrer aktuellen Krise stecken bleiben. Anders als das Geld, das Alba mit Hilfe von Sponsoren und Stiftungen zusätzlich seit Jahren selbst in seinen Nachwuchs statt ins Profiteam steckt.

Im Idealfall hingegen zahlt Albas Arbeit im Jugendbereich irgendwann noch mehr auch auf die Profimannschaft ein. Bislang war dabei stets von Spielern wie Franz und Moritz Wagner oder Malte Delow die Rede. Spielern, die in Schul-AGs entdeckt, in Albas Vereinsteams gefördert und irgendwann zu Profis wurden. Kaum Erwähnung fanden bislang diejenigen, die irgendwann zu Trainern, anderen Mitarbeitern oder auch einfach nur Fans werden.
 
Schließlich ist die erste Generation von "Alba-Kindern" mittlerweile so alt, dass sie sich selbst Tickets für die Spiele der Profi-Mannschaft kaufen kann. "Wir wären nicht auf unserem heutigen Niveau, wenn wir nicht eine Community hinter uns geschart hätten, die sich wirklich mit uns identifiziert und auch zu unseren Spielen kommt", sagt Marco Baldi.

Diskrepanz in der Förderung von Bildungs- und Leistungssport

Auch Albas Geschäftsführer spricht von einer Wechselwirkung. Die "schillernden Profi-Teams unserer Männer und Frauen" als Magneten für den Breitensport. Andersherum die Breite, die die Spitze auf verschiedene Arten füttert. Dabei ist es genau diese Verknüpfung, bei der die sonst so fruchtbare Zusammenarbeit von Alba und der Stadt Berlin an ihre Grenzen stößt.
 
Im Bildungs- und Jugendsport gebe es auf Seiten des Senats sowohl den Willen als auch die finanziellen Strukturen, in sportliche Arbeit der Vereine zu investieren, sagt Baldi. "Woran es mangelt, ist, Breitensport und Spitzensport als Ganzes zu denken." Statt sich selbst vor die Wahl zu stellen, ob man das ein oder das andere fördert, müsse erkannt werden, dass Breitensport und Profisport einander bedingen.
 
Der Berliner Senat konzentriert sich im Falle der Berliner Profiklubs bislang sehr auf Erstgenanntes. Eine finanzielle Förderung von Alba Berlin im Profibereich "wäre sportförderungsrechtlich nicht zulässig", erklärte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport rbb|24 vergangenes Jahr. Dennoch meint sie, strukturell einen "erheblichen Beitrag" zur internationalen Konkurrenzfähigkeit von Profivereinen wie Alba Berlin zu leisten.
 
So förderte der Berliner Senat in den vergangenen knapp 20 Jahren den Umbau von zwei Sporthallen, in denen auch Albas Profi-Teams trainierten bzw. noch immer trainieren – allerdings explizit mit dem Hintergedanken, dass dort auch Schulen und andere Sportangebote einziehen.

Einst neuer deutscher Basketball-Maßstab, mittlerweile eigentlich zu klein: Alba Berlins Trainingszentrum | Bild: IMAGO/Camera 4

Einst neuer Maßstab im deutschen Basketball, mittlerweile eigentlich zu klein: Alba Berlins Trainingszentrum | Bild: IMAGO/Camera 4

Keine neuen sportlichen Heimaten in Sicht

Mehr Unterstützung durch den Senat wünschte sich Alba in den vergangenen Jahren vor allem in einer noch größeren Hallenfrage. Im Sommer 2026 läuft die aktuelle Mietvereinbarung mit den Betreibern der Uber Arena aus. Bereits die zusätzliche Mietkosten im aktuellen Vertrag von jährlich über 1,5 Millionen Euro beeinträchtigten die europäische Konkurrenzfähigkeit von Albas Männermannschaft zuletzt spürbar.
 
Statt Finanzhilfen bot der Berliner Senat nach eigenen Angaben Alba unter anderem das Velodrom als alternative Heimspielstätte an – bei gleichzeitigem Erhalt des Bahnrad-Ovals und mit einer Kapazität von 6.000 bis 7.000 Plätzen. Allein vor dem Hintergrund von Albas Zuschauerschnitt von knapp 8.900 Fans pro Heimspiel überrascht es kaum, dass Albas Verantwortliche laut Senat ablehnten.

Andersherum umschiffte der Senat in den vergangenen Jahren stets auch Albas Wunsch nach einer Art festen Heimat, einem Vereinszentrum im dann umgebauten Jahnsportpark. Laut der jüngsten Senatsantwort auf eine rbb|24-Anfrage kann Alba als "einer von mehreren Nutzern der Sportanlage" perspektivisch zumindest auf eine Teilnutzung der geplanten Sporthallen hoffen.

Die Arena am Ostbahnhof während eines Alba-Heimspiels (Quelle: IMAGO / camera4+)

Eine Heimat auf Zeit? Die Arena am Ostbahnhof. | Bild: IMAGO / camera4+

Große Fragen und Ziele für die Zukunft

Inwiefern dann auch Albas europäisch-spielende Frauen oder die Geschäftsstelle eine adäquate Heimat finden, scheint angesichts der angekündigten massiven Sparmaßnahmen offener denn je. Eine zusätzliche Crux aus Alba-Sicht: Einerseits muss der Verein seine strukturellen Probleme konsequent mit viel Nachdruck beim Berliner Senat hinterlegen. Andererseits ist er auf dessen Wohlwollen und Fördermittel angewiesen.

Für den Moment muss Alba sich so oder so mit dem kleinen, grauen Haus gegenüber des zum Abriss eingezäunten Jahnstadions zufriedengeben. Dass dies schon jetzt eigentlich zu klein für die stetig wachsende Anzahl an Alba-Mitarbeitern ist, ändert nichts daran, dass diese den Sport in Berlin auch zukünftig weiter verändern wollen.
 
Noch mehr schulische Trägerschaften, noch mehr Basketball-begeisterte Kinder, eine noch größere, finanzkräftigere Community rund um das Profiteam. "Das kann immer noch größer werden", sagt Geschäftsführer Marco Baldi, "auch wenn das, was wir in Berlin aufgebaut haben, schon jetzt etwas sehr Erfüllendes hat."