
Interview | Ex-Energie-Torwart Gerhard Tremmel Ex-Cottbuser Gerhard Tremmel: "Cottbus gehört für mich auf jeden Fall in die 2. Liga"
Zwei Drittligisten mit Bundesliga-Historie – ein Keeper: Gerhard Tremmel hütete für Cottbus und Unterhaching das Tor. Am Samstag treffen beide Teams aufeinander. Tremmel sieht in der Partie eine Cottbuser Charakterprobe.
rbb|24: Herr Tremmel, bereitet Ihnen die aktuelle Drittliga-Saison Euphorie oder eher Frust?
Gerhard Tremmel: Sowohl als auch. Ich verfolge die Liga natürlich noch, weil ich Cottbus und auch Haching immer noch im Blick habe.
Während Energie Cottbus gerade um den Aufstieg spielt, ist die Spielvereinigung nach einer Krisen-Saison nun auch offiziell abgestiegen. Worin sehen Sie die Gründe?
Unterhaching hat im Vergleich zum letzten Jahr sein Rückgrat verkauft oder gehen lassen. Patrick Hobsch und Mathias Fetsch vorne, René Vollath im Tor, das waren absolute Stützen und Leistungsträger, erst während der Aufstiegssaison 2023, danach in der ersten Drittliga-Saison. Die sind alle weg. Die musst du versuchen, gleichwertig zu ersetzen, das konnte Haching aber nie.

Seit dem 9. Spieltag stehen die Münchner auf einem Abstiegsplatz.
Manni Schwabl (Manfred Schwabl, Präsident SpVgg Unterhaching, Anm.) glaubt halt, dass er mit ausschließlich jungen Spielern in der 3. Liga bestehen kann. Er redet sich ja immer mit Geld raus und so weiter. Warum man dann unbedingt ein Nachwuchsleistungszentrum der Kategorie eins haben muss, das wirklich etliches an Geld verschlingt, verstehe ich am Ende nicht. Wenn man dann wieder runtergeht in die Regionalliga, ist daran für mich nichts nachhaltig.
Umgekehrtes Bild bei Energie Cottbus: Nachdem der Verein vor zwei Jahren gegen Unterhaching noch in der Aufstiegs-Relegation scheiterte, glückte im Sommer der Sprung in die 3. Liga, wo das Team zu den Spitzenteams gehört. Haben Sie eine Erklärung?
Cottbus und auch die Region haben für einen Drittliga-Standard viel Wucht. Wenn das Stadion voll ist, dann macht das was her. Ich glaube, dass das sicher auch von Vorteil ist. Wenn ich das mit der zweiten Mannschaft von Hannover vergleiche oder dem SV Sandhausen, das ist schon etwas anderes. Cottbus gehört für mich auf jeden Fall in die 2. Liga.
Je näher der letzte Spieltag rückte, habe ich das Gefühl, wurde den Spielern auf einmal bewusst: 'Wir können tatsächlich aufsteigen!
Allerdings durchlebt Energie Cottbus nach einer furiosen ersten Saisonhälfte eine schwächere Rückrunde.
Man hat sehr lange darüber geredet, dass es ein Traum wäre, aufzusteigen. Je näher der letzte Spieltag rückte, habe ich das Gefühl, wurde den Spielern auf einmal bewusst: 'Wir können tatsächlich aufsteigen!' Und dann kam eine Delle zu einem total ungünstigen Zeitpunkt. Das war nach dem Spiel gegen Dynamo Dresden...
...im Januar, es war das Duell Erster gegen Zweiter, das mit einem Remis endete...
...da hieß es ja: Wer es am Ende mehr will, der steigt dann auf. Dabei war es erst der Beginn der Rückrunde. Ich dachte mir, dass noch viele Punkte zu vergeben sind und so viel passieren kann. Ich glaube, man sollte da lieber bei sich selber bleiben und einfach weitermachen.
Sie selbst spielten für Cottbus und Unterhaching in der 1. Bundesliga, außerdem waren Sie Nachwuchstorwart bei 1860 München Anfang der 90er, einem goldenen Löwen-Jahrzehnt. Doch in dieser Saison spielen all diese Teams in der 3. Liga. Was sagt das aus?
Das sagt aus, wenn ich dortgeblieben wäre, dann wären sie immer noch in der ersten Liga!
Ach!
Nein, natürlich nicht. Wir sind damals auch mit Haching durchgereicht worden von der Erst- in die Drittklassigkeit. Da sind dann sicherlich auch finanzielle Gründe ausschlaggebend. Bei Erstliga-Absteigern besteht immer eine Gefahr, dann auch in die 3. Liga abzurutschen. Ähnliches Beispiel in England: Luton Town spielte im Vorjahr noch Premier League, stieg dann ab, und kämpft nun gegen den Absturz in die Drittklassigkeit. Die Euphorie verfliegt halt mit dem Abstieg. Dann ist eher Frust angesagt und Enttäuschung. Und das überträgt sich dann manchmal auf die Mannschaft.
Bei Energie Cottbus gilt Trainer Claus-Dieter Wollitz als Erfolgsfaktor. Auch Sie spielten bei den Lausitzern schon unter seiner Leitung. Was zeichnet ihn aus?
Was kann ich noch über Pele (Wollitz’ Spitzname, Anm.) sagen, was nicht schon geschrieben wurde? Er ist ein Vulkan, der sich gefühlt auch mit jedem anlegen würde, wenn es um das Wohl seiner Mannschaft geht. So habe ich ihn kennengelernt.
Gespielt haben Sie außerdem bei Swansea City unter der dänischen Fußballlegende Michael Laudrup, ein Klubheiliger des FC Barcelona. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Wollitz und Laudrup?
Nicht viele. Laudrup ist eher ein ruhiger Typ, im Vergleich zu Wollitz wortkarg. Auch an der Seitenlinie ist Laudrup im Vergleich zu Pele deutlich ruhiger gewesen. Die beiden haben unterschiedliche Naturelle.
Unter Laudrup gelang Ihnen 2013 der überraschende Gewinn des League Cups, im Turnierverlauf schlugen Sie unter anderem den FC Liverpool und FC Chelsea. Was war das Erfolgsgeheimnis?
Über die Jahre hinweg ging es ja nur in eine Richtung für Swansea: Aufstieg folgte auf Aufstieg, bis in die Premier League. Diese Emotionalität und diese Energie, die konnte man im Stadion spüren. Und das haben wir als Mannschaft einfach umgesetzt auf dem Platz. Wir haben auch eine andere Art gehabt, Fußball zu spielen: viel Ballbesitz, für einen Aufsteiger eher ungewöhnlich, und aus meiner Sicht auch sehr attraktiv. Und ja, wir haben es hinbekommen, die wichtigen Spieler dann auch zu halten.

Was können die Lausitzer im Aufstiegsrennen lernen von der Swansea-Geschichte?
Ich glaube, dass man jetzt zum Ende hin gar nicht mehr viel ändern braucht. Da steckt ja alles schon in der Mannschaft, sonst wäre Cottbus nicht da oben. Man muss es halt jetzt nur noch die letzten Spiele abrufen, wie man es eigentlich über weite Teile der Saison auch geschafft hat. Das ist eigentlich der einzige Punkt. Jetzt in den Spielen, wo es zählt, muss man abliefern.
Beispielsweise am Samstag gegen die bereits abgestiegene SpVgg Unterhaching?
Ein absoluter Pflichtsieg für Cottbus. Wenn sie das nicht gewinnen, dann können sie auch am Ende nicht sagen: 'Wir haben es verdient aufzusteigen'. Das ist ein Spiel, was du gewinnen musst gegen eine in weiten Teilen wirklich ohne Selbstvertrauen spielende Hachinger Mannschaft. Der Abstieg ist ja schon besiegelt, man bereitet sich ja schon auf die neue Saison im Grunde vor, was Trainer anbelangt undsoweiter. Manchmal ist es allerdings auch schwierig, gegen solche Mannschaften zu spielen, weil die überhaupt keinen Druck mehr haben. Aber das muss man dann aus Cottbuser Sicht einfach erzwingen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Shea Westhoff.
Sendung: rbb24, 23.04.2025, 14:15 Uhr