
Interview | Eiskunstlauf-Bundesstützpunktleiter Jens Ter Laak Eiskunstlauf-Stützpunktleiter im Interview: "Ohne Druck funktioniert Leistungssport nicht"
Der Bundesstützpunkt Berlin hat sich mit Stars wie Minerva Hase und Nikita Volodin als Top-Adresse des Eiskunstlaufs etabliert. Vor der WM spricht Leiter Jens ter Laak über das Erfolgsgeheimnis und neue Herausforderungen in der Nachwuchsförderung.
rbb|24: Ein Großteil der deutschen Erfolge im Eiskunstlaufen ist aktuell made in Berlin. Was macht den Standort so erfolgreich?
Jens ter Laak (Eiskunstlauf-Bundesstützpunktleiter): Berlin ist einer der ältesten Standorte für die Sportart in ganz Europa. Es gab schon zu Kaiserzeiten Eishallen und überdachte Eisbahnen. Der erste Eiskunstlauf-Europameister war auch ein Berliner: Oskar Uhlig. Aufgrund dieser langen Tradition und der damit einhergehenden guten Infrastruktur ist Berlin prädestiniert gewesen für die weitere Entwicklung dieser Sportart. Das hat sich auch während der Trennung des Landes sowohl im Westen als auch im Osten parallel gut entwickelt.
Allerdings muss der Senat sparen. Und für Sanierungen von Sportstätten scheint aktuell wenig Geld übrig. Wie macht sich das beim Eiskunstlauf bemerkbar?
Wir erleben aktuell, dass die Infrastruktur in die Jahre gekommen ist, etwa das wieder mal geschlossene Erika-Heß-Eisstadion, in dem schon viele Meisterschaften stattgefunden haben. Auch die Eisbahnen, die wir jetzt als Bundesstützpunkt benutzen, sind durchaus sanierungsbedürftig. Wenn man die Sportart langfristig sichern möchte, muss man die Eishallen auf einen neuen Stand bringen. Es fehlt einfach das Geld, um die Infrastruktur zu modernisieren. Wir warten auf den Bau einer Athletikhalle, der uns seit einigen Jahren auf dem Gelände des Sportforums versprochen wird. Und Eishallen sind natürlich auch energetisch teuer. Unser Sport ist einfach eine kostenintensive Geschichte.
Berlin wurde letztes Jahr bis 2026 als Bundesstützpunkt anerkannt. Was genau bedeutet das?
Bei uns ist es so, dass uns das Sportforum in dem Umfang zur Verfügung steht, wie wir es benötigen, um den Leistungssport zu entwickeln. Zudem haben wir den Sportkomplex Paul-Heyse-Straße zur Verfügung. Grundsätzlich sind Bundesstützpunkte Standorte von Sportarten, die das Interesse des Bundes haben. Heißt: Das Bundesministerium des Inneren fördert diese Sportstätten. Das macht der Bund immer dann, wenn es eine erhöhte Anzahl an Bundeskadersportlern gibt, die an dem Standort trainieren.
Streben Sie eine Verlängerung dieses Status an?
Berlin hat diesen Status bereits seit der Wende inne. Und es war immer einer der größten Bundesstützpunkte. Aber wir sind aktuell Reformanstrengungen unterlegen, die uns von den Fördermittelgebern, also dem Bund und dem Senat, aus guten Gründen auferlegt sind. Dabei geht es sicherlich auch darum, an die Erfolge, die einmal größer waren, wieder anzuschließen. Da sind noch Hausaufgaben zu machen. Aber korrekt, Berlin und der Berliner Eissportverband streben eine Verlängerung des Status als Bundesstützpunkt an.
Man sollte im Vorschulalter anfangen, ganz klar. Sie können gewisse motorische Anforderungen im späteren Alter nicht mehr erlernen.
Die Sportler beklagen sich regelmäßig über mangelnde finanzielle Unterstützung in ihrem Sport. Wie bekommt das Ihr Bundesstützpunkt zu spüren?
Man kann immer die Frage stellen, ob die Förderung der öffentlichen Hand ausreichend ist. Vor sieben Jahren gab es mit Aljona und Bruno (Aljona Savchenko und Bruno Massot, Anm. d. Red.) einen Olympiasieg im Paarlaufen und jetzt haben wir gerade einen Europameistertitel im Paarlaufen gehabt (Minerva Hase, Nikita Volodin, Anm. d. Red.). Aber ansonsten ist der Erfolg in den anderen Disziplinen nicht auf dem Niveau des Paarlaufens. Das muss man ganz klar sagen. Und vom Erfolg hängen gewisse Förderungen ab.
Die Sportart ist nicht ganz günstig und auch sehr aufwendig zu betreiben. Aber unsere Spitzensportler sind ja oftmals auch Bundeswehrsoldaten, das heißt, sie haben schon mal ein Gehalt, über das sie sich finanzieren können. Darüber hinaus gibt es Bundesmittel für den Bundeskader, die die Deutsche Eislauf-Union nach einem Leistungsprinzip ausschütten kann. Aber diese Mittel reichen natürlich nicht, den Sport vollumfänglich zu finanzieren. Insofern muss man sagen: Ja, man muss auch eine Eigenleistung erbringen, um den Sport wirklich erfolgreich betreiben zu können.
Wie viele Athleten trainieren aktuell bei Ihnen am Stützpunkt?
Wir haben auf der einen Seite den Bundeskader und auf der anderen Seite den Landeskader. Als frühspezialisierende Sportart haben wir Sportler, die noch in die Schule gehen und im Schul- und Leistungssportzentrum eingeschult sind. Einschließlich Schülerinnen und Schüler aller Altersklassen sprechen wir über zirka 100 Sportler.
Sie sprachen eben die “frühspezialisierende Sportart” an. Stimmt das Vorurteil, dass man extrem früh mit Eiskunstlaufen anfangen muss, wenn man hoch hinaus will?
Ja, man sollte im Vorschulalter anfangen. Ganz klar.
Warum ist das so?
Sie können gewisse motorische Anforderungen im späteren Alter nicht mehr erlernen. Es gibt ja den Spruch: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Das gilt ganz besonders für die früh spezialisierenden Sportarten. Dort müssen die motorischen Bewegungsabläufe sehr früh angelegt werden. Nur dann kann der Sport in der Tiefe und in der Qualität erlernt werden, über die wir in der Spitze sprechen müssen.

Wie steht es denn derzeit in der Hauptstadt um den Nachwuchs?
Die Vereine beklagen sich nicht über Zulauf. Aber was die Qualität angeht, gibt es Strukturdefizite, die aufgearbeitet werden sollten. Leistungssport bedeutet, dass man sich täglich mit dem Sport auseinandersetzt. Diese Bereitschaft ist in Deutschland vielleicht nicht mehr so da, wie in früheren Jahren. Gleichzeitig sind die Anforderungen im Eiskunstlaufen in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen.
War es früher einfacher, Spitzentalente zu fördern?
Das würde ich sagen, ja. Vielleicht waren, wenn man das jetzt gesellschaftlich betrachtet, die Herausforderungen durch Ablenkungen einfach andere. Die Bereitschaft, sich mit einem Sport auseinanderzusetzen und es auch mit dem entsprechenden Ehrgeiz zu machen, war vielleicht früher größer. Es gibt auch viele Kinder, die mehrere Sachen machen wollen. Beim Eiskunstlaufen ist es so, dass man sich frühzeitig voll auf den Sport konzentrieren muss. Das heißt nicht, dass Kinder früher talentierter waren. Aber dieses Durchhaltevermögen, auch dieser Biss, der ist heute etwas weniger verankert.
Vom 24. bis 30. März findet die Eiskunstlauf-WM in Boston statt, in weniger als einem Jahr stehen die Olympischen Winterspiele in Mailand und Cortina an. Was können Nikita Volodin und Minerva Hase dort erreichen?
Wir alle würden uns natürlich über eine Medaille freuen, sowohl bei der WM als auch bei den Olympischen Spielen. Aber das ist natürlich nicht ganz einfach, die Medaillen anzupeilen. Gerade Olympische Spiele haben schon ihre eigenen Gesetze und der Druck ist hoch. Aber ohne Druck funktioniert der Leistungssport auch nicht. Den nötigen eisernen Willen für den Erfolg haben die beiden aber. Auch ein fünfter Platz wäre sicherlich ein großer Erfolg.
Und wie steht es die Zukunft von Annika Hocke und Robert Kunkel?
Sie waren zuletzt immer wieder verletzt und sie müssen sich durchbeißen. Ich wünsche ihnen, dass sie ihr Potenzial bei den anstehenden Wettkämpfen abrufen können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Shea Westhoff, rbb Sport.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.03.2025, 10:15 Uhr