Die Schauspieler Loretta Müller und Benjamin Stoll vom Stück "Eisern verschossen" (imago images/Matthias Koch)

Theaterregisseur Benjamin Stoll "Eisern verschossen - verliebt in einen Unioner": Interview mit Theaterregisseur Benjamin Stoll

Stand: 17.03.2025 22:01 Uhr

So richtig bühnenreif waren wenige Spiele von Union Berlin in dieser Saison. Gut, dass es da noch ein Theaterstück, dass nun vor seiner 100. Aufführung steht. Das viel über den Fußball erzählt - und damit auch über das Leben.

rbb|24: Benjamin Stoll, "Eisern verschossen – verliebt in einen Unioner" heißt ein Theaterstück am Altstadttheater Köpenick, bei dem Sie neben Ihrer Frau Loretta Müller eine der zwei Rollen spielen, Regie führen und am Buch mitgeschrieben haben. Es geht um Fußball und die große Liebe. Und jetzt kommen Sie vermutlich mit der Offenbarung um die Ecke, dass Sie weder Union- noch überhaupt Fußball-Fan sind.
 
Benjamin Stoll: Ich bin jetzt seit 24 Jahren Berliner, war immer schon Union-Sympathisant und bin durch die Arbeit am Stück so richtig zum Unioner geworden.
 
Klingt so, als hätten Sie mit Fußball zuvor gar nichts am Hut gehabt.
 
Ich habe nach meiner Schauspielausbildung sogar Sport studiert, an der Uni Potsdam. Und eine Fußball-Fachprüfung gemacht. Zusammen mit zwei Ex-Profis von Turbine Potsdam übrigens: Viola Odebrecht (Weltmeisterin 2003) und Navina Omilade (Europameisterin 2001 und 2005).

Da haben Sie also tatsächlich zwei Leidenschaften zusammengeführt mit Ihrem Stück. Aber gab es einen konkreten Anlass, ab Sommer 2023 damit auf die Bühne zu gehen oder folgte das eher dem Motto: Warum nicht?
 
Bei einer Theaterproduktion in Bremerhaven haben wir mit Frank Auerbach einen Kollegen kennengelernt, der auch in "Und niemals vergessen - Eisern Union" mitspielt. Ein Theaterstück in der Freiheit 15, das seit nunmehr 19 Jahren kurz vor Weihnachten aufgeführt wird und immer ausverkauft ist. Zu sehen, wie gut das funktioniert, hat uns inspiriert. Dazu gibt es zwischen dem Altstadtheater und dem Verein so viele Parallelen, gerade auch was die Werte betrifft. Auch das Theater ist mit Ehrenamt und Handarbeit aufgebaut worden. Und natürlich sind viele Mitarbeiter Union-Fans.

Jubel bei Unions Benedict Hollerbach (imago images/Matthias Koch)
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Fußball in die Kultur zu übertragen, scheitert erschreckend oft. Gerade Filme verheben sich häufig, finden nicht den richtigen Tonfall und verharren in Klischees.
 
Ich hatte großen Respekt vor der Aufgabe und mir die Frage gestellt, wie ich gerade auch den Zuschauern gerecht werde, die den Klub bis in die letzte Haarwurzel leben. Weshalb wir uns mit vielen Unionern getroffen haben. Wir haben uns ihre Schicksale und Geschichten angehört. Weil du wissen musst: Wie sprechen Unioner untereinander? Was bewegt sie? Das war unser Futter. So ist das Stück nach und nach entstanden.

Nun stehen Sie vor der 100. Aufführung (Donnerstag, 20. März). Es ist also davon auszugehen, dass die Union-Familie einverstanden ist mit Ihrer Darstellung des Union-Fans Paul.
 
Das Krasse war: Nachdem ich das Plakatmotiv für "Eisern verschossen" entworfen hatte, habe ich eine kleine Instagram-Story dazu gemacht und den Fanklub "Die Eisernen" markiert. Die haben das dann geteilt und prompt waren unsere drei ersten Vorstellungen ausverkauft. Da wussten wir, jetzt müssen wir wirklich liefern. Aber die waren begeistert und das war dann quasi wie so ein offizieller "Daumen hoch" aus der Fanszene.

Das Stück verhandelt die Begegnung zwischen einem eingefleischten Union-Fan (Paul) und einer Frau (Lucie), die Fußball eher nervig findet. Die beiden verlieben sich ineinander und müssen dann schauen, was das mit ihnen macht.
 
Ne! Das wäre zu einfach gesagt. Es ist viel spannender. Sie weiß beim ersten Treffen nicht, dass er Unioner ist, verliebt sich in ihn und wird dann fast vom Schlag getroffen, als sie mitkriegt - der ist ja Hardcore-Fan. Und eigentlich will sie dann die Reißleine ziehen, weil sie Fußball ganz furchtbar findet. Aber eine Freundin, mit der sie darüber spricht, fordert sie heraus und wettet, dass sie es nicht schafft, ihn für ein Date von einem Stadionbesuch abzuhalten.

Wie gemein!
 
An der Stelle geht immer ein Raunen durch das Publikum. Aber auch Paul hat Bedenken. Er hat die Schnauze voll von Frauen, weil sie seine Leidenschaft nicht verstehen. Er will sich auch nicht mehr rechtfertigen müssen. Also übertreibt er bewusst, will sie fast schon wegekeln. Mehr wird aber nicht verraten.

Im gehobenen Deutsch-Unterricht wäre jetzt trotzdem die Frage: Was will uns der Autor damit sagen?
 
Ein wesentlicher Bestandteil ist eine Analogie auf die Abseitsregel. Und dabei nicht die Frage danach, was ist Abseits, sondern warum gibt es das? Wir übertragen das ins echte Leben und darauf, wie Beziehungen entstehen. Und dann geht es vor allem auch um Treue. Denn nur weil Union mal verliert, wechselt kein Fan den Verein. Zwischenmenschlich ist das häufig ganz anders.

Die Spieler von Union Berlin feiern mit den Fans (Quelle: imago images/Contrast)
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Klingt jetzt doch weniger nach Komödie.
 
Erstmal geht es darum, sich kaputt zu lachen, alles durch den Kakao zu ziehen. Der Fußball wird komplett auf die Schippe genommen. Jeder, der Fußball nicht mag, soll es sich angucken. Weil wir ihm komplett Recht geben. Aber natürlich ist es zugleich auch eine Ode an den Fußball. Und vor allem an Union, an Unions Werte. An Ehrlichkeit, Herzlichkeit, Zusammenhalt und Beständigkeit.

Auf der Homepage zum Stück [altstadttheater-koepenick.de] ist auch die offizielle Playlist des Stücks verlinkt. Die kommt komplett ohne "Eisern Union" aus. Erklären Sie sich!
 
Das ist eine Sache der Streamingdienste. Natürlich spielen wir die Hymne, gleich zu Beginn. Und dann merkt man auch, wer an dem Abend im Publikum sitzt. Es gibt Abende, da singt niemand mit. Da spielt Union dann meistens selbst. Dann gibt es Abende, da setzen die Zuschauer im Refrain ein. Und dann gibt es noch die, da wird von der ersten Zeile mitgesungen. Da muss das Stück auch mal aushalten, dass dann Zwischenrufe kommen. Da nehmen wir auch mal einen Kommentar auf und das ist natürlich total gut. Weil wir das Stück auch geschrieben haben für Fußballfans, die eigentlich nie ins Theater gehen.

Sendung: rbb|24 Inforadio, 17.03.2025, 22:15 Uhr