NDR-Sport Vendée Globe: Kap Hoorn - Der gefährliche Mythos
Kap Hoorn ist der berüchtigste Felsen der Welt und ein Mythos unter Seeleuten. Hier, am größten Schiffsfriedhof der Welt, treffen Atlantik und Pazifik aufeinander, tobt sich das Wetter gnadenlos aus. Seine Passage ist legendär und bedeutet auch für die Teilnehmer der Solo-Weltumseglung Vendée Globe das Ende der größten Entbehrungen. Es geht in ruhigere Gefilde - und heimwärts.
Zuerst Vendée-Debütant Yoann Richomme (Paprec Arkéa) und kurz darauf Macif-Skipper Charlie Dalin - die beiden aktuellen Top-Segler an der Spitze der Weltumrundung haben fast im Gleichschritt Kap Hoorn erreicht und wurden belohnt: Bei Tageslicht segelten sie an dieser ikonischen Landmarke vorbei, die für die meisten Menschen einfach nur ein großer Felsen im Süden Chiles ist. Für Segler aber ist es ein sagenumwobener Mythos - und ein magischer Moment, ihn zu passieren.
Das dritte und letzte große Kap der Vendée Globe, die Ausfahrt zwischen dem Pazifik und dem Südatlantik, markiert das Ende der Roaring Forties und verspricht nicht zuletzt bessere Tage im atlantischen Endspurt. Blinker links und dann heimwärts: Es endet der wilde und fordernde Ritt durch das raue Südpolarmeer, der Aufstieg über 7.000-Seemeilen im Atlantik beginnt. "Nach dem Südpolarmeer fühlt sich der Süd- und Nordatlantik wie eine kleine Fingerübung an", weiß NDR Experte Tim Kröger, der selbst zweimal um die Welt segelte.
Das legendärste aller Kaps
Nüchtern betrachtet ist Kap Hoorn nichts anderes als eine sehr dunkle, 425 Meter hohe Klippe - ein kalter, etwas unheimlicher Felsen in einer unwirtlichen Gegend. Verhangener Himmel, zu große Entfernung oder tintenschwarze Nacht - oft haben die Seeleute auf der historischen und wichtigen Route für den Schiffssverkehr nach wochenlangem Kampf im Südmeer noch nicht einmal die Chance, ihn zu sehen.
Und doch ist Kap Hoorn das legendärste aller Kaps. Eine Art natürliches Denkmal für eine besondere Leistung. Denn es erfordert Mut, Geschick und Geduld, den südlichsten Punkt aller Kontinente zu meistern, der auf 55°58' Süd und 67°17' West liegt. Das Wetter schlägt im unberechenbarsten Seegebiet der Welt oft Kapriolen mit Böen über 70 Knoten, im Winter droht die Kollision mit Eisbergen. Über 800 Schiffe sanken am Kap Hoorn, dem größten Schiffsfriedhof der Welt, Tausende Seeleute verloren ihr Leben.
Erfolgreiche Suche nach einer neuen Handelspassage
Die erste dokumentierte Überquerung geht auf Januar 1616 zurück, als ein niederländisches Schiff nach einer neuen Handelspassage suchte. Die Exkursion fand sie entlang der Klippe, die nach ihrer Heimatstadt Hoorn benannt wurde. Anfänglich blieb die Route von Ost nach West aufgrund ihrer Gefährlichkeit aber relativ wenig befahren, später änderte sich das. Doch die Unbill blieben.
Kanadier Roufs seit der Vendée 1997 verschollen
1968 hatte erstmals eine Regatta an Kap Hoorn vorbeigeführt (Golden Globe Challenge). Bei der Vendée Globe ist es das dritte Kap, das nach Bonne Espérance und Leeuwin umrundet wird - immer wieder eine riesige Herausforderung auch bei der legendären Einhand-Regatta.
1997 verschwand der Kanadier Gerry Roufs in der Nähe von Kap Hoorn. In seiner letzten Botschaft an die Rennorganisation erklärte er, die Wellen seien keine Wellen, "sie sind höher als die Alpen". Die Französin Isabelle Autissier schilderte zeitgleich Böen von bis zu 97 Knoten. Die Suche nach Roufs musste abgebrochen werden. Erst ein Jahr später fand die chilenische Armee Teile des Rumpfes vor der Küste der Insel Atalaya - mehr als 300 Meilen nördlich von Kap Hoorn.
Le Cam nach 17-stündigem Überlebenskampf geborgen
Segel-Legende Jean Le Cam, 2024/25 zum sechsten Mal bei der Vendée Globe dabei, kenterte im Januar 2009 am Kap Hoorn und konnte erst nach 17-stündigem Überlebenskampf von Regatta-Teilnehmer Vincent Riou gerettet werden. Le Cam hatte sich in die Luftblase unter Deck gerettet und dort im Überlebensanzug ausgeharrt.
"Man hat das Gefühl, auf 8 bis 10 Meter hohen Wellen zu surfen", sagte 2020-Sieger Yannick Bestaven, der bei der Vendée Globe vor vier Jahren zugab, Angst zu haben. Boris Herrmann riss hier das Großsegel. Gut zwei Jahre später jubelte der Hamburger Skipper mit seiner Crew, als die Malizia - Seaexplorer beim Ocean Race Kap Hoorn als führendes Boot umrundete: "Diese Linie als Erster zu erreichen, bedeutet fast mehr als der Etappensieg."
"Es ist unglaublich, Kap Hoorn so zu sehen, was für eine Belohnung! Ich hätte mir nie vorstellen können, solche Bedingungen zu haben, ein bisschen ruhiger, in zwei Meilen Entfernung. Der größte Teil der Arbeit ist erledigt. Es ist außergewöhnlich, die Farben sind wunderschön."
— Yoann Richomme
Tränen der Erleichterung bei Seguin
So "brutal der Übergang ist" (Thomas Ruyant), so groß ist auch die Erleichterung, es geschafft zu haben. "Ich habe alle Tränen geweint, die ich habe", berichtete der Franzose Damien Seguin vor vier Jahren. "Es hat mich so viel Mühe gekostet, hierher zu kommen."
Für Herrmann sieht es unterdessen so aus, als könne er die legendäre Landmarke bei seiner siebten Passage noch vor seinem angepeilten Termin an Silvester oder Neujahr passieren. Und vielleicht erfüllt sich ja sein großer Wunsch, und auch er kann wieder einen Blick auf Kap Hoorn erhaschen. "Mein größter Wunsch ist es, Kap Hoorn zu sehen, durch die Straße von Le Maire zu segeln und mehr Land zu sehen. Vielleicht sogar ein paar schneebedeckte Gipfel, die ich nur einmal gesehen habe, das war 2009."
Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 27.12.2024 | 09:17 Uhr