Youngster immer mehr im Rampenlicht Bloß nicht abheben - Uščins und die Handball-"Recken"
Die TSV Hannover-Burgdorf sind als Tabellenzweiter bester Nordclub der Handball-Bundesliga. Großen Anteil am Höhenflug der "Recken" hat Renārs Uščins, der in den vergangenen zwei Jahren bei den Niedersachsen eine kometenhafte Entwicklung zeigte.
"Natürlich macht es momentan viel Spaß, weil es einfach läuft", sagte der 22-Jährige im Sportclub des NDR Fernsehens. Sechs Siege in Serie hat die Mannschaft von Trainer Christian Prokop hingelegt und damit den Saisonfehlstart (28:32 ein eigener Halle gegen den VfL Gummersbach) vergessen gemacht. Zudem erwiesen sich die "Recken" mit dem 38:35 gegen die Füchse Berlin vor einem Monat und dem jüngsten Sieg im Nordduell mit der SG Flensburg-Handewitt als Favoritenschreck.
Mit 57 Treffern - nur Flensburgs Emil Jakobsen hat mit 58 Toren mehr auf dem Konto - ist Uščins einer der Garanten dafür, dass die "Recken" derzeit die Liga rocken. Doch die Bodenhaftung verliert er deshalb nicht: "Wir wollen da locker bleiben, weiter Spaß an unserem Spiel haben - und dann denke ich schon, dass wir noch viele Siege in dieser Saison einfahren werden." Die Tabelle sei nur "eine Momentaufnahme", das Saisonziel bleibe "das obere Drittel, möglichst ein Europapokalplatz".
Reflektiert, reif, zurückhaltend und bescheiden
Solche Worte sind es, die den Charakter Uščins' deutlich machen. Auf der Platte ist der Rückraumakteur ein absolutes Energiebündel mit einer unberechenbaren Spielweise, abseits des Platzes ist er zurückhaltend und bescheiden. TSV-Coach Prokop: "Er ist ein sehr talentierter Handballer, der aber überhaupt nicht abhebt und jeden Tag an sich arbeitet. Er ist reflektiert, sehr reif. Das hilft ihm einfach, konstant besser zu werden."
Konstant und geradezu kometenhaft nach oben verlief die jüngste Leistungskurve des Linkshänders. Nach dem WM-Titel mit der deutschen U21 im vergangenen Jahr folgten mit der A-Nationalmannschaft Anfang 2024 die EM und im Sommer die Olympischen Spiele in Paris mit dem Gewinn der Silbermedaille. Uščins wurde dreimal "Player of the Match" und in das All-Star-Team des Turniers gewählt.
Naturgemäß steht er deshalb längst in den Notizbüchern zahlreicher Vereine im In- und Ausland. "Es ist kein Geheimnis, dass es ihn irgendwann zu einem großen Club ziehen wird", sagte Prokop, Uščins selbst lässt sich mit einem Wechsel noch Zeit: Bei den "Recken" hat er gerade erst seinen Vertrag bis 2026 verlängert. Und wenn ein Wechsel in Betracht käme, dann eher nicht ins Ausland - Uščins präferiert die Bundesliga: "Egal, in welche Halle man kommt, sie ist voll, fast immer ausverkauft. Da muss man schon mindestens 95% der Leistung bringen, um Punkte zu holen. Diese Herausforderung ist total geil."
Besuche in Lettland helfen bei der Bodenhaftung
Damit ihm das nicht alles über den Kopf wächst, benötigt Uščins keinen Mentalcoach. "Ich spüre keinen Druck und kann das alles sehr gut alleine händeln." Zudem besucht er hin und wieder Lettland, die Heimat seiner Eltern: "Das ist für viele kaum vorstellbar: Meine Oma wohnt dort mit Plumpsklo, heizt mit Holz. Zum Duschen wird Wasser gekocht und in einen Trichter gegossen und dann stellt man sich draußen in der Sonne drunter."
Das helfe, "um bodenständig zu bleiben und runterzukommen", so der Handballprofi, der bei der Großmutter auch die lettische Küche genießt: "Etwas fettiger, Fleisch, Kartoffeln, Sauerkraut - im Urlaub ist das auf jeden Fall erlaubt."
"Ich will der beste Teamplayer sein"
Handball ist Uščins bereits in die Wiege gelegt worden. Vater Armands spielte ebenfalls Handball, der kleine Renars wuchs quasi in der Sporthalle auf. Als Dreijähriger kam er mit seinen Eltern nach Dessau, spielte ab 2015 bei den SC Magdeburg Youngsters. Bereits als Zwölfjähriger habe er verkündet, einmal der "beste Handballer der Welt" werden zu wollen, erzählt Vater Armands.
Zehn Jahre später kann der etablierte Bundesligaprofi und Nationalspieler Renārs Uščins darüber lachen, hat das Ziel aber nach wie vor, wenngleich ein wenig abgewandelt: "Ich möchte nicht unbedingt der beste Individualist sein, sondern der beste Teamplayer", sagte er und ergänzte: "Es ist ja auch immer eine Frage des Spielsystems, wie man in eine Mannschaft passt. Und in dem System, in dem ich gerade bin, möchte ich der beste Spieler für meine Mannschaft sein."
Da ist er wieder, der reflektierte Renārs Uščins. Obwohl er gerade mal 22 Jahre alt ist, hat er bereits die Zeit nach seiner Karriere im Blick: An der Fern-Uni absolviert er ein BWL-Studium. Auch das erdet und fordert Selbstdisziplin: So steht am Freitag, nur einen Tag nach dem abendlichen Bundesliga-Gastspiel beim HSV Hamburg (19 Uhr), eine Prüfung an.