NDR-Sport SV Todesfelde: Ein Dorfclub geht das Abenteuer Regionalliga an
Dass sich der SV Todesfelde in der nächsten Saison Fußball-Regionalligist nennen darf, stand schon vor dem letzten Spiel der Aufstiegsrunde fest. Die Partie am Sonntag gegen Werder Bremen II wurde so zum Schaulaufen.
Es ist kurz vor 13 Uhr. Noch zwei Stunden bis zum Anpfiff zwischen dem SV Todesfelde aus dem Kreis Segeberg und der zweiten Mannschaft von Werder Bremen. Die ersten Zuschauer gehen bereits ins Stadion. Dazu gehört auch Wolfgang Orewal aus Heidmühlen, etwa 15 Kilometer von Todesfelde entfernt. Allen, an denen er vorbei geht, gibt er die Hand, überall werden kurz ein paar Worte gewechselt. Jeder kennt jeden im Stadion.
Fans freuen sich auf Spiele gegen den Profi-Nachwuchs
"HSV II, Holstein Kiel II, die Bremer kommen auch wieder. Das werden Highlights für uns alle", sagt der Rentner begeistert über den feststehenden Regionalliga-Aufstieg des SV Todesfelde. Seit etlichen Jahren schaut er sich die Spiele in der Gemeinde mit etwas mehr als 1.000 Einwohnern an. Wie lange es genau ist, kann er gar nicht sagen. Auch der Bremer Nachwuchs ist bereits sicher aufgestiegen, die Partie hat nur noch statistischen Wert. Die Segeberger hatten sich bereits durch das 5:3 bei Altona 93 für die Vierte Liga qualifiziert.
Wolfgang Orewal geht seit vielen Jahren zum SV Todesfelde und freut sich nun auf die Regionalliga.
Regionalliga-Aufstieg im zweiten Anlauf
Stolz macht das auch Holger Böhm. Er ist der Vorsitzende des SV Todesfelde. Sein Verein gehört seit Jahren zu den erfolgreichsten in Schleswig-Holstein, spielt in der Oberliga immer ganz oben mit. Vor zwei Jahren kämpfte er schon einmal in der Relegation um die Regionalliga, scheiterte damals. "Die Mannschaft wurde ein ganzes Stück verjüngt, außerdem sind wir in der Breite besser aufgestellt", erklärt Böhm den Unterschied zu heute. Und: "Wir haben ein neues Trainerteam, das ist einfach fantastisch", sagt er über Chefcoach Björn Sörensen und seine Assistenten.
Gemeinschaft zeichnet den Verein aus
Mittlerweile haben die Mannschaften den Rasen betreten. Das Spiel fängt allerdings fast eine Viertelstunde später an, weil die Todesfelder mehrere langjährige Spieler verabschieden. Mitspieler Christian Rave richtet per Mikrofon an jeden von ihnen persönliche Worte, die Bremer versuchen sich währenddessen warmzuhalten. Auch das ist typisch für den Dorfclub, wenn man die Fans wie Wolfgang Orewal fragt: "Diese ganze Atmosphäre hier, es ist sehr familiär, man fühlt sich gut aufgehoben."
Mehrere Spieler laufen nicht mehr für Todesfelde auf
In der 21. Minute fällt das 0:1 aus Sicht der Segeberger. Eckball, Kopfball, Gegentor. Dem schenkt aber kaum jemand Beachtung, denn an der Seitenlinie deutet sich bereits eine geplante Auswechslung an. Alle Spieler und Trainer bilden ein Spalier, um Sören Gelbrecht zu verabschieden, musikalisch untermalt mit dem Bosse-Lied "Schönste Zeit". Nur ein paar Minuten später noch einmal der gleiche Abschied für Yannick Chaumont, er verlässt das Spielfeld unter den Klängen von "You’ll never walk alone". Spätestens jetzt ist klar: Das Ergebnis ist zweitrangig, die sportliche Ausgangslage lässt an diesem Tag auch große Gefühle zu.
Verantwortliche planen keinen großen Umbruch
Auch wegen der Abgänge stellt sich die Frage, mit welcher Mannschaft der SV Todesfelde in die Regionalliga-Saison gehen will. Holger Böhm hat eine klare Vorstellung: "Es ist unser Weg mit den jungen Leuten. Und diese Jungs, die das jetzt erreicht haben, sollen auch in der Regionalliga die Früchte ernten." Dennoch wird es wohl nicht ohne zusätzliche Erfahrung in dieser Spielklasse funktionieren, das weiß auch Böhm: "Natürlich gucken wir, dass wir keine Ergänzungsspieler holen, sondern wirkliche Leistungsträger."
In diesem Jahr hatten die Segeberger ein Gesamtbudget von etwa 200.000 Euro. Das wird etwas nach oben gehen, sagt der Vorsitzende, ohne eine genaue Zahl zu nennen. Dass in Schleswig-Holsteins Fußball-Landschaft immer wieder Gerüchte über weit höhere sechsstellige Summen kursieren, löst bei ihm nur ein Lachen aus. "Dann hätten wir hier schon Tribünen und alles".
Stadion muss noch Regionalliga-tauglich gemacht werden
Womit er das Thema Stadion anspricht. Für die Regionalliga muss der Verein vor allem noch einen abgetrennten Bereich für Auswärtsfans einrichten. Böhm erklärt: "Toiletten und Getränke für die Gäste, alles da. Einen extra Eingang haben wir auch. Es geht vor allem um den Zaun." Denn die Stehplätze für Gästefans müssen eingezäunt werden. Dafür ist etwa ein Drittel der Gegengerade vorgesehen. Ob alles bis zum ersten Viertligaspiel im August fertig ist, kann der Vorsitzende nicht sagen. Aber er schmunzelt optimistisch: "Die werden uns bestimmt nicht rausschmeißen, wenn ein halber Zaun fehlt."
Todesfelde geht als Außenseiter ins Rennen
Auf dem Rasen läuft die zweite Halbzeit. Relativ kurz hintereinander fallen das 0:2 und das 0:3. Die Todesfelder wirken langsam müde gegen die Profis aus Bremen, die im Kopf und mit den Beinen einen Schritt schneller sind. Es ist vielleicht ein kleiner Vorgeschmack auf das, was eine Spielklasse höher wartet. In der Regionalliga arbeiten noch deutlich mehr Teams unter professionellen Bedingungen, während die Spieler des SVT nebenbei einem Job nachgehen.
Die Mannschaft des SV Todesfelde will mit ihrem Zusammenhalt auch eine Liga höher bestehen.
Deshalb sieht man sich dort klar in der Rolle des Außenseiters. Stürmer Marco Pajonk sagte schon nach dem entscheidenden Sieg bei Altona 93: "Nächstes Jahr heißt es jede Woche Vollgas geben, um eben nicht direkt abzusteigen. Wir nehmen das mit, lassen uns auf alles ein, aber wissen auch, dass es sehr hart wird für uns." Trainer Sörensen und Böhm sehen das ähnlich. "Klassenerhalt ist das höchste der Gefühle. Wenn wir das schaffen sollten, wäre das eine große Sensation", sagt der Vorsitzende.
Fans feiern Aufstieg trotz 0:3-Pleite
Darüber wollen sie sich aber erst in ein paar Tagen wieder Gedanken machen. Jetzt gilt es, erst einmal den Moment zu genießen. Das Spiel ist vorbei, die Todesfelder Spieler haben sich trotz der 0:3-Niederlage ihre Aufstiegsshirts übergezogen und machen sich auf den Weg zu ihren Fans. Die zünden erst einige Fackeln mit Rauch in den Vereinsfarben blau und gelb, fordern anschließend die Mannschaft auf, mit ihnen zu hüpfen. Alle freuen sich auf die Herausforderung, ihren Dorfclub zum ersten Mal in seiner Geschichte in der Regionalliga zu vertreten.
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Moin! Schleswig-Holstein - Mein Wochenende | 03.06.2024 | 08:30 Uhr