Vincent Kompany

NDR-Sport Sahin, Kompany, Schuster, Rapp und Co. - Junge Trainer erobern die Bundesliga

Stand: 25.06.2024 10:25 Uhr

Nuri Sahin, Vincent Kompany, Julian Schuster: Viele Bundesliga-Clubs besetzen Vakanzen in der nächsten Saison mit neuen jungen Trainern. Der Altersdurchschnitt der Coaches sinkt. Zugleich war das Niveau schon höher, wie die Daten zeigen.

Von Tobias Knaack

Fast hätte es geklappt und Hürzeler wäre als Coach des FC St. Pauli zum jüngsten Bundesliga-Trainer der neuen Spielzeit geworden. Der 31-Jährige aber erfüllte sich seinen Traum und wechselte in die Premier League zu Brighton & Hove Albion. So geht der "Titel" aller Voraussicht nach an Sahin, neuer Coach von Borussia Dortmund. Der 35-Jährige beerbt dort den kürzlich abgetretenen Edin Terzic.

Und Hürzeler? Der wird bei den "Seagulls" zum jüngsten Premier-League-Cheftrainer aller Zeiten. Lediglich Ryan Mason war 2021 als Interimscoach bei Tottenham Hotspur noch jünger als der gebürtige Texaner.

Viele Jung-Trainer in der Bundesliga

Doch auch wenn Hürzeler kommende Saison nicht in der Bundesliga coacht und der 51 Jahre alte Alexander Blessin ihn aller Voraussicht nach beerbt: Die Beletage des deutschen Fußballs wird deutlich jünger an der Seitenlinie.

Mit Sahin, Vincent Kompany (38, FC Bayern München), Freiburgs neuem Coach Julian Schuster (39) und Werder Bremens Trainer Ole Werner (36), der in der zurückliegenden Spielzeit der jüngste Coach der Liga gewesen war, gibt es gleich vier Trainer, die noch keine 40 Jahre alt sind. Zudem sind weitere sieben Hauptübungsleiter 45 oder jünger, einer von ihnen ist Bayer Leverkusens Meistercoach Xabi Alonso (42).

Der Altersdurchschnitt der Trainer liegt bei rund 45 Jahren. Kiels Aufstiegs-Coach Marcel Rapp - in der vergangenen Spielzeit wie Hürzeler in der 2. Liga und wie Alonso und Stuttgarts Sebastian Hoeneß (42) in der Bundesliga einer der "Bessermacher" von Spielern - liegt also genau im Schnitt.

In der zurückliegenden Saison hatte der Mittelwert bei insgesamt 26 von den 18 Bundesliga-Clubs eingesetzten Coaches mehr als ein Jahr höher gelegen. Nach dem Abgang von Freiburgs Trainer Christian Streich (59) stellt Wolfsburgs Trainer Ralph Hasenhüttl mit 56 Jahren den "Alterspräsidenten" der Bundesliga-Coaches. In seinem 27-jährigen Sohn Patrick steht ihm aber ein sehr junger Co-Trainer zur Seite.

Altersdurchschnitt steigt und sinkt in Wellen

Der Altersdurchschnitt ist den Daten des Global Soccer Networks (GSN) zufolge der niedrigste seit Beginn ihrer Datenerhebung in der Spielzeit 2000/2001. Beim Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt sich, dass der Mittelwert in der Saison 2019/2020 beispielsweise bei über 49 Jahren gelegen hatte - und 2014/2015 bei mehr als 47 Jahren.

Der Altersdurchschnitt der Trainer in Deutschlands höchster Spielklasse hat sich in den vergangenen knapp 25 Jahren dabei immer in wellenartigen Bewegungen auf und ab entwickelt. Von 2001 bis 2007 lag er konstant unter 47 Jahren, von 2017 bis zur vergangenen Saison bis auf eine Spielzeit (2021/2022: 47,9) immer oberhalb von 48 Jahren - in der jüngst beendeten bei 48,6.

Höheres Alter ist nicht gleich hohes Niveau

Ein höheres Durchschnittsalter steht dabei nicht notwendigerweise für ein höheres Niveau auf den Trainerbänken der Liga. Das zeigt stellvertretend die Saison 2014/2015: Es war die Spielzeit nach dem WM-Titel der Nationalmannschaft, ein Jahr zuvor hatten Bayern München und Borussia Dortmund die Champions League unter sich ausgemacht. Es war die bislang letzte wirkliche Blüte des deutschen Fußballs.

Das Durchschnittsalter lag im Vergleich zu den vergangenen Jahren nur bei rund 47 Jahren, der GSN-Index aller Bundesliga-Trainer mit mehr als 73 aber war sehr hoch. An den Seitenlinien standen unter anderem Pep Guardiola beim FC Bayern München sowie Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund.

Wie wird der GSN-Index bei Trainern erstellt?

Der GSN-Index bei Trainern setzt sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen. Relevanz haben:

  • die Stärke des eigenen Teams im Verhältnis zur Stärke der Liga - geholte Punkte werden faktorisiert.
  • die Spielerentwicklung - entwickeln sich Spieler unter einem bestimmten Trainer weiter, stagnieren sie oder werden gar schlechter?
  • taktische Flexibilität - schafft es ein Trainer, sein Team situationsbedingt taktisch umzustellen, um damit erfolgreich zu sein?
  • statistische Werte der Mannschaft - auch taktisch und technisch.

Bewertungs-Skala:

  • 85 - 100: Weltklasse-Trainer wie Klopp, Guardiola oder Flick
  • 70 - 85: Trainer, die die Fähigkeiten haben, eine Nationalmannschaft zu coachen oder einen Club, der international spielt (innerhalb der Top-Fünf-Ligen)
  • 60 - 70: Bundesliga-Trainer
  • ...

Zum Vergleich: In der kommenden Spielzeit wird der durchschnittliche GSN-Index mehr als fünf Prozentpunkte niedriger liegen (68,18 zu 73,26), was auch auf einen Mangel an Erfahrung zurückzuführen ist. Mit Sahin beim BVB, Kiels Rapp, Freiburgs Schuster, Kompany beim FC Bayern und voraussichtlich Blessin bei St. Pauli werden in der neuen Saison gleich fünf Coaches ihre Bundesliga-Debüts feiern.

Den niedrigsten Durchschnittswert hatte es den GSN-Daten nach in der Spielzeit 2012/2013 gegeben. Damals lag der Wert bei 67,41. Auch in den Saisons 2017/2018 (68,01) und 2018/2019 (68,10) hatte er unter dem Wert der kommenden Spielzeit gelegen.

Altersdurchschnitt und GSN-Index
Saison Altersdurchschnitt GSN-Index
2024/2025 45,4 68,18
2019/2020 49,4 71,51
2014/2015 47,2 73,26
2009/2010 47,8 69,95

Bundesliga-Debütanten vor großen Herausforderungen

Viele der jungen Coaches und Bundesliga-Debütanten an der Seitenlinie stehen in ihren jeweiligen Clubs vor großen Herausforderungen: Blessin und Rapp haben die Aufgabe, die Aufsteiger in der Liga zu etablieren, wohingegen Schuster in Freiburg dem von Streich über zwölf Jahre geprägten Club seine Idee zu vermitteln, aber sicher zunächst ebenso den Ligaverbleib im Blick zu halten hat.

Kompany muss die Bayern nach schwierigen Jahren mit teilweise neuem Personal wieder auf Kurs bringen und zu Titeln führen. Dasselbe gilt - mit Abstrichen - sicherlich auch für Sahin in Dortmund. Es bleibt abzuwarten, ob sie den Mangel an Erfahrung beispielsweise durch Innovation wettmachen können.

Altersdurchschnitt in der 2. Liga höher

Der Altersdurchschnitt in der 2. Liga liegt in der kommenden Saison bei knapp 48 Jahren - also etwa drei Jahre über dem Mittelwert in der Bundesliga. Und auch im Vergleich zu 2009/2010 (47,2), 2014/2015 (47,3) und 2019/2020 (45,1) liegt er höher.

Mit Blick auf den GSN-Index der Coaches liegt der bei den Zweitliga-Trainern in der kommenden Spielzeit bei 63,87 und damit aktuell "nur" knapp viereinhalb Punkte unter den Bundesliga-Cheftrainern. Auch hier wird es spannend zu sehen sein, wer seine Mannschaft - und sich selbst - weiterentwickeln und vielleicht für einen Job in der Beletage des deutschen Fußballs empfehlen kann.

Besonderes Augenmerk liegt hier auf Stefan Leitl von Hannover 96, Daniel Thioune von Beinahe-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf, Lukas Kwasniok vom SC Paderborn sowie Christian Eichner vom Karlsruher SC, der lange Zeit als heißer Kandidat auf die Hürzeler-Nachfolge bei St. Pauli gegolten hatte.