NDR-Sport Nach Fan-Protesten - DFL stoppt Investoren-Einstieg in Fußball-Bundesliga
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat den geplanten Einstieg eines Investors abgesagt. Das Präsidium der Dachorganisation der 36 Profivereine beschloss am Mittwoch in Frankfurt am Main einstimmig, die Verhandlungen zum Abschluss über den Milliarden-Deal nicht mehr fortzuführen.
Nach dem geplatzten Investoren-Deal strebt der deutsche Profi-Fußball auf absehbare Zeit offenbar keinen Einstieg eines externen Geldgebers mehr an. "Dieses Thema mit einem Partner, der sich an einer Tochtergesellschaft beteiligt oder so, das werden wir nicht weiter verfolgen", sagte Hans-Joachim Watzke, Sprecher des DFL-Präsidiums, nachdem die Deutsche Fußball Liga die Pläne am Mittwoch gestoppt hatte: "Wir müssen jetzt einfach mal ganz neu anfangen."
Die DFL werde nun in den nächsten Wochen die Clubs zu Gesprächen einladen, um das weitere Vorgehen zu erörtern. "Eines ist natürlich klar, die allermeisten werden schon sehen, dass wir irgendwie was machen müssen, wenn wir uns im Ausland als Bundesliga auch ein bisschen besser präsentieren wollen oder besser vermarkten wollen", sagte Watzke, der zudem Clubchef von Borussia Dortmund ist.
Unsere Kurve: Guter Tag für Deutschlands Fußball-Fans
Thomas Kessen, Sprecher des Fanbündnisses "Unsere Kurve", sprach von einem "großen Erfolg für alle aktiven Fußball-Fans und alle Mitglieder der Vereine". Dieser zeige, "dass der deutsche Fußball mitgliederbasiert und demokratisch ist und dass eben diese Mitglieder bei solch richtungsweisenden Entscheidungen mitgenommen werden müssen." Die "umfassenden, aber sehr friedlichen und sehr kreativen Proteste" seien am Ende der Schlüssel zum Erfolg gewesen. "Ein guter Tag für Deutschlands Fußball-Fans."
Hören die Fan-Proteste in den Stadien auf?
Abzuwarten bleibt, ob nun auch die Proteste in den Stadien enden. Das "eine oder andere lustige Plakat" werde man am Wochenende bestimmt sehen, so Kessen. Von weiteren provozierten Unterbrechungen von teils über 30 Minuten geht er aber nicht aus: "Ich wäre zumindest sehr überrascht, wenn das jetzt noch jemand macht."
Hannover 96: "Eine vertretbare Entscheidung"
Bundesligist Werder Bremen teilte mit, dass der Verein die DFL-Entscheidung gegen die Fortführung des Partnerprozesses unterstütze. "In der aktuellen Situation ist das für mich die richtige Entscheidung. Das gesamte System war durch die Spielunterbrechungen in den letzten Wochen gefährdet", erklärte Geschäftsführer Klaus Filbry.
"Es ist nicht die Zeit für einseitige Schuldzuweisungen oder Triumphgeheul, sondern für respektvollen Austausch."
— St.-Pauli-Präsident Oke Göttlich
Die von Geschäftsführer Martin Kind geleitete Profiabteilung des Zweitligisten Hannover 96 bezeichnete den Abbruch des Investorenprozesses als "vertretbare Entscheidung". Nun seien neue Konzepte und Antworten notwendig, um den deutschen Profifußball zukunfts- und wettbewerbsfähig aufzustellen, hieß es in der Mitteilung der GmbH & Co. KGaA der Niedersachsen am Donnerstag weiter.
St.-Pauli-Präsident Göttlich: "Müssen sich alle bewegen"
Oke Göttlich, Präsident des Zweitligisten FC St. Pauli und Mitglied des DFL-Präsidiums, forderte, "gemeinsam nach Lösungen zu suchen, statt gegeneinander zu arbeiten. Es ist nicht die Zeit für einseitige Schuldzuweisungen oder Triumphgeheul, sondern für respektvollen Austausch - im gemeinsamen Interesse, auf Basis von 50+1 und weiteren satzungsrelevanten Regeln den Fußball in den nationalen Wettbewerben zu stärken. Dafür müssen sich alle bewegen, sonst kommen wir nicht voran - sondern stehen bald vor den Trümmern einer Idee von ausgeglichenerem Wettbewerb und sauberen Regulierungsprozessen."
Werder-Boss Filbry: Gefahr für 50+1
Filbry befürchtet nach dem gescheiterten Investoren-Einstieg langfristige Folgen für die 50+1-Regel im deutschen Profifußball. Sein Argument: Die Clubs bräuchten weiter Kapital. Und wenn sich das nicht über die DFL als Dachverband organisieren ließe, könnten einige Vereine womöglich versucht sein, sich selbst einen Investor ins Haus zu holen. Genau diese Möglichkeit wird aber durch die 50+1-Regel eingeschränkt.
"Es wird jetzt natürlich schwieriger, die von allen 36 Vereinen als notwendig erachteten Wachstumsthemen Digitalisierung, Internationalisierung und Contentformate weiterzuentwickeln", sagte der Werder-Boss dem Portal "Deichstube". "Durch eine mögliche Steigerung der Abgabesätze an die DFL, um den Bedarf an Mitteln für die notwendigen Themen auch ohne Investor zu decken, wird es für die Vereine finanziell schwieriger. Mit Blick auf die Mittelbeschaffung könnte das auch den Druck auf 50+1 erhöhen, da Vereine wahrscheinlich erhöhten Kapitalbedarf haben."
Streit ums Votum von 96-Geschäftsführer Kind
Mit CVC war nur noch ein potenzieller Geldgeber zum Einstieg bereit gewesen. "Wir geben keinen Kommentar", hieß es am Mittwoch aus Luxemburg. Das Finanzunternehmen Blackstone hatte sich vergangene Woche aus dem Bieter-Rennen zurückgezogen.
Die 36 Bundesliga-Clubs hatten sich im Dezember im zweiten Anlauf zunächst für den Einstieg eines Investors entschieden. Die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit wurde bei der Abstimmung nur knapp erreicht. Aufgrund der umstrittenen Rolle von Hannovers Profifußball-Boss Martin Kind steht der Verdacht im Raum, dass es bei dem Votum einen Verstoß gegen die 50+1-Regel gegeben haben könnte. Die Regel begrenzt den Einfluss externer Geldgeber bei Clubs der Ersten und Zweiten Liga.
Es dürfe nicht verkannt werden, dass es diesem Votum aufgrund der Vorgänge um Hannover 96 an breiter Akzeptanz fehle, stellte Watzke nun fest. "Darüber hinwegzugehen, darf vor dem Hintergrund des hohen Guts, das wir mit der 50+1-Regel in unseren Händen halten, nicht unser Ansatz sein. Das DFL-Präsidium steht einmütig zur 50+1-Regel." Jede erneute Abstimmung würde weitere rechtliche Fragen zur Bewertung des im Dezember getroffenen Beschlusses aufwerfen, fügte Watzke hinzu. "Dies zu vermeiden und zu einem geordneten Spielbetrieb zurückzukehren, muss das vorrangige Ziel der DFL sein."
Hannovers Vereinsführung hatte Kind angewiesen, gegen den Investoren-Einstieg zu stimmen. Das Abstimmungsergebnis und die öffentlichen Bekenntnisse von Antragsgegnern lassen jedoch darauf schließen, dass der 79-Jährige mit "Ja" gestimmt und dem DFL-Plan damit zur nötigen Mehrheit verholfen hat. Kind selbst äußert sich nicht zu seinem Votum.
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Sport aktuell | 21.02.2024 | 17:20 Uhr