Kiels Trainer Marcel Rapp (r.) mit seinem Spieler Timo Becker

Aufstieg in die Bundesliga Holstein Kiels Trainer Rapp: Der Bessermacher

Stand: 12.05.2024 09:02 Uhr

Holstein Kiel ist Fußball-Bundesligist - der erste aus Schleswig-Holstein. Einer der Väter des historischen Aufstiegs ist KSV-Trainer Marcel Rapp. Ein "Bessermacher", der die Spieler mit seiner Art begeistert und "bei sich behält".

Von Tobias Knaack

Das größte Kompliment war ein charmant verstecktes. Nachdem die KSV in der Hinrunde bei Fortuna Düsseldorf 1:0 gewonnen hatte - einer der wegweisenden Siege in dieser Aufstiegs-Saison-, sagte Tom Rothe über seinen Trainer: "Ich mag, dass er mich nervt."

Wie gut die Chemie und das Verständnis füreinander bei Holstein sind, zeigte sich wenige Stunden später, als Rapp - mit Rothes Aussage im NDR Sportclub konfrontiert - exakt wusste, was sein Abwehrspieler gemeint hatte: "Nerven mit Inhalten, dass man dranbleibt, sich zu verbessern." Dass er Rothe immer wieder erklärt, wie er Situationen anders und besser lösen kann.

"Er will jeden Spieler besser machen - egal ob jung oder alt."
— Holstein-Spieler Nicolai Remberg

Fünf Monate später ist Holstein Kiel nach einem 1:1 gegen eben jene Fortuna aus Düsseldorf der 58. Bundesligist der Geschichte - und das Kompliment für die Arbeit des Coaches kommt direkter: "Er will jeden Spieler besser machen, egal ob jung oder alt", sagte Mittelfeldspieler Nicolai Remberg: "Ich habe einen großen Schritt gemacht, das verdanke ich ihm."

Rapp, der sich im Moment des großen Erfolges zunächst für ein paar Momente in die Katakomben des Holstein-Stadions zurückzog, hat viele von ihnen besser gemacht, das zeigen die GSN-Daten - egal, ob Kapitän Philipp Sander, Torhüter Timon Weiner, Finn Porath, Jonas Sterner, Lewis Holtby, Steven Skrzybski oder Dominik Pichler. Rapp hat aber auch eine gesamte Mannschaft, ein Kollektiv, besser gemacht - und geformt.

Riesiger Umbruch im Sommer

Und das, obwohl das Team in dieser Form erst seit Juli vergangenen Jahres zusammen ist. 16 Spieler hatten den Verein verlassen, elf neue kamen hinzu. Ein Monster-Umbruch, zumal die Mannschaft deutlich verjüngt wurde. Man wolle "Fußspuren" in dieser Saison hinterlassen, hatte der 45-Jährige vor der Spielzeit als Ziel ausgegeben.

Es wurde sehr viel mehr, weil Rapp die Ruhe und den Überblick behielt. Und so mündete das, was ein Übergangsjahr hätte werden können, sensationell in der Beletage des deutschen Fußballs.

Rapp ist mit dem Kieler Aufstieg ein Meisterstück gelungen

Rapp ist mit dem Aufstieg gleich bei seiner ersten Station als Profi-Trainer - zuvor war er sieben Jahre im Jugendbereich der TSG Hoffenheim tätig - ein Meisterstück gelungen. Die "Störche" sind der erste Fußball-Bundesligist aus Schleswig-Holstein. Im Moment auch seines persönlich großen Triumphes blieb der Coach bescheiden und schaute zunächst auf andere sowie auf die verpassten Aufstiege 2018 und 2021: "Ich freue mich für die Stadt. Der Verein hat es verdient. Er war zweimal nah dran. Hier wurde immer kontinuierlich gearbeitet - schon vor meiner Zeit."

Dabei ist der Kieler Erfolg untrennbar mit der Arbeit des 45-Jährigen, der im Oktober 2021 an der Förde anheuerte, verknüpft, wie Stürmer Jann-Fiete Arp kürzlich im NDR erklärte. "Er erzählt uns, seit er hier ist, das Gleiche." Strahlt Ruhe aus, Stabilität und Verlässlichkeit, ist nicht sprunghaft in seiner Arbeit. Besonders zeichne Rapp aus, dass er "an seinem Plan festhält" - an Prinzipien, an einer Basis - "und diesen adaptieren" könne, lobte der 24-Jährige. "Das ist ein hohes Gut für einen Trainer."

Bodenständig und anpassungsfähig

Man könnte es auch übersetzen: Rapp ist gleichermaßen bodenständig wie anpassungsfähig. Zwei weitere Kernmerkmale seiner Philosophie - aber auch der Art, wie er ist.

Die Bodenständigkeit finde er auch in Schleswig-Holstein, sagte der gebürtige Pforzheimer dem NDR. Es sei einer der Gründe, weshalb er sich im Land, in der Landeshauptstadt und mit den Menschen im Verein so wohl fühle. Auch, weil es eine gewisse Ruhe zum Arbeiten gibt.

Das Spielsystem ist Mittel zum Zweck - und sehr variabel

Mit Blick auf seine fußballerische Anpassungsfähigkeit sagte Rapp, der als Spieler hauptsächlich im Südwesten der Republik in Karlsruhe, bei den Stuttgarter Kickers und beim SC Pfullendorf aktiv war, im vergangenen Herbst auf der Homepage der KSV: "Wir sind in der taktischen Grundordnung nicht festgelegt auf ein System, auf dem wir beharren. Wir haben gewisse Prinzipien, die in allen Systemen gelten."

Für ihn liege "in der Einfachheit das Besondere. Fußball ist ein einfaches Spiel. Bei mir ist die Idee, dass wir auf dem Feld in bestimmten Zonen Überzahlsituationen kreieren, durch die wir uns dann von einer Ebene in die nächste spielen." Dabei sei das Spielsystem Mittel zum Zweck und sehr variabel.

Rapp betont das Positive

Und zwischenmenschlich? "Er sagt 'Moin'", sagte sein Co-Trainer Alexander Krahl im Dezember mit einem Augenzwinkern. Und Dirk Bremser, Rapps anderer Assistent, erklärte, dass "wir uns mehr an ihn gewöhnen mussten, als andersherum" - und zielte auf Rapps deutlich hörbaren badischen Dialekt ab. Ein Problem ist der aber nicht.

Denn als Team sprechen sie eine Sprache - Krahl und Bremser in den etwas kritischeren Tönen, Rapp als derjenige, der das Positive hervorhebt. Es ist seine Philosophie, der Weg, an den er glaubt, wie er im Sportclub verriet.

"Wenn die Jungs Fehler machen, dann muss ich es besser erklären."
— Kiels Trainer Marcel Rapp

Etwas, das Krahl bestätigt: "Er sieht immer das Positive in den Menschen", pflegt eine positive Fehlerkultur. Damit erreiche er die Spieler "und behält sie bei sich", die "Spieler folgen ihm". Rapp bringt das auf folgende Formel: "Wenn die Jungs Fehler machen, dann muss ich es besser erklären." Stabilität, Verlässlichkeit - und Spaß.

Mit der Einführung eines Glücksrades haben Rapp und das Team ein spielerisches Element eingeführt, um Zu-Null-Spiele zu feiern. Die Mannschaft kann sich dann beispielsweise einen freien Tag erspielen, erklärte Rapp. Das Rad werde immer wieder neu beschriftet und: Es gibt auch "Nieten", dann müssen Spieler zum Beispiel im Fanshop arbeiten. Auch damit behält er die Spieler bei sich.

Großes Vertrauen in die Gruppe

Er habe "Vertrauen in die Gruppe", hatte Rapp im vergangenen Dezember nach dem Sieg in Düsseldorf gesagt, als die KSV sich anschickte, Herbstmeister zu werden. Er habe das auch schon im Trainingslager vor der Saison gespürt, "dass wir eine gute Gruppe haben" - und in die bringe "jeder was anderes ein, weil jeder seine Fähigkeiten hat".

Es ist genau diese Art der Ansprache und Vertrauen, mit der er seine Spieler "behält" und dass "jeder bereit ist, einen extra Meter zu gehen". Und weil er im positiven Sinne nervt. Kommende Saison dann als erster Trainer einer schleswig-holsteinischen Fußball-Mannschaft in der Bundesliga.

Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 11.05.2024 | 23:25 Uhr