Neuer Verein für DBB-Kapitänin Basketball ohne Grenzen - Gülich startet ins Abenteuer Taiwan
Marie Gülich ist eine echte Basketball-Globetrotterin: Die Kapitänin des deutschen Nationalteams hat schon in den USA, in Polen, Italien und Spanien gespielt. Ihr nächstes Engagement führt sie nach Taiwan. Ein Land mit einer fremden Kultur, einer ungewöhnlichen Liga - und einer alltäglichen Bedrohung durch den Nachbarn China.
Hamburg, Anfang Dezember: Feiner Sprühregen im Hafen, die grauen Wolken hängen tief über der Elbphilharmonie. Die Temperatur liegt um die sieben Grad, gefühlt kälter. Typisch Hamburg eben. All das lässt Marie Gülich in wenigen Stunden für ein halbes Jahr hinter sich. Nächster Stopp: Taiwan. Erstmals auf dem asiatischen Kontinent. Für eine Saison in der Super Basketball League.
Aus Altenkirchen nach Asien
"Das ist mein erstes Mal auf der Seite der Welt", erzählt die Nationalspielerin im NDR Interview: "Ich bin ganz schön aufgeregt." Davon ist Gülich allerdings 18 Stunden vor ihrer Abreise wenig anzumerken. Im gemütlichen Look mit grauer Jogginghose schlendert sie entspannt mit ihrem Partner Jonathan Halx an der Elbe entlang.
Dabei müsste sie eigentlich noch ein paar Sachen erledigen. "Joni und ich machen uns immer einen Adventskalender und mir fehlen noch die letzten drei Türchen", erzählt sie. Ihren eigenen hat sie längst in den beiden großen TeamD-Reisetaschen in der gemeinsamen Wohnung in der Schanze verpackt. "Ich habe das Gefühl, dass es sehr viel Schokolade wird, da freue ich mich jetzt schon drauf", sagt Gülich.
Fischbrötchen am Hamburger Hafen zum Abschied aus Deutschland.
Am Hamburger Hafen steht aber erst einmal Herzhaftes auf der Speisekarte. An einer Bude an den Landungsbrücken besorgt sich das Paar Fischbrötchen auf die Hand. Gülich bestellt "Stremmellachs" und wird direkt von dem Verkäufer korrigiert: "Stremellachs", sagt er und zieht das "E" in die Länge: "Streeeehmellachs". Leugnen kann Gülich, aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, ihre Herkunft also nicht.
Mit Basketball um die Welt
Ihre Profi-Karriere als Basketballerin begann in NRW und führte Gülich über das College in Oregon in den USA in die WNBA (Phoenix, Atlanta und Los Angeles), nach Italien, Polen und zuletzt vier Jahre nach Spanien. Hamburg ist nur eine kurze Zwischenstation, bevor die 30-Jährige in ihr wohl größtes Abenteuer startet.
Ich habe mir ein paar Spiele angesehen und die Fans waren total into it. Das macht dann natürlich noch einmal mehr Bock. Die Leute feiern Basketball richtig."
— DBB-Kapitänin Marie Gülich
Nach der Olympia-Premiere mit dem deutschen Nationalteam im Sommer in Paris gönnt Gülich sich und ihrem Körper in der Hansestadt "ein bisschen Reha und Ruhe". Zum ersten Mal seit zehn Jahren ist die 1,95-m-große Basketballerin mehrere Monate am Stück in Deutschland. "Die Zeit hat mir richtig gutgetan", so Gülich.
Die Wahl fiel auf Hamburg, den Wohnort ihres Partners, den sie während ihrer Zeit in Valencia (unter anderem zwei spanische Meistertitel, ein Pokalsieg und 2021 der Triumph im europäischen Supercup) kennenlernte und mit dem die Nationalspielerin seitdem eine Fernbeziehung führt.
Der Sport hat Vorfahrt - das gehört dazu
An einen festen Wohnort mit Partner und Freunden um sie herum habe sie sich schon "ein bisschen gewöhnt", erzählt Gülich, die schweren Herzens auch ihren Golden Doodle Otis in Deutschland zurücklassen muss. Gleichzeitig freue sie sich aber darauf, wieder in ein Team einzusteigen, "weil ich das auch vermisse. Deswegen ist es so ein bisschen ein lachendes und ein weinendes Auge."
Privat zurückzustecken, gehört für Gülich zum Profi-Dasein dazu: "Das ist das Leben einer weiblichen Athletin, man hat nicht die Möglichkeit, seinen Partner durch die ganze Welt mitzunehmen." Er bringe aber viel Geduld und Verständnis dafür auf, "dass der Sport an der Eins steht", so Gülich.
"Ich kann nicht einfach so Urlaub machen, wann ich will. Ich bin immer an meinen Verein und mein Training gebunden."
— Marie Gülich
Seine Freundin habe nur die eine Karriere, die er voll unterstütze, sagt Halx und ergänzt lachend: "Danach habe ich sie hoffentlich - toi, toi, toi - noch lange genug an der Backe."
Taiwan - Pulverfass im chinesischen Meer
Doch so weit ist es noch nicht. Gülichs Engagement beim taiwanesischem Club Taiyuan Textile führt zur erneuten räumlichen Trennung - erstmals mit Zeitverschiebung (sieben Stunden). Trotzdem musste die Nationalspielerin nicht lange überlegen: "Mein erstes Gefühl war: geil. Das ist voll das Erlebnis, voll das Abenteuer", sagt Gülich, die ihr Basketball-Zuhause eher in Europa sieht, aber den Sport auch "nutzen will, um ein wenig von der Welt zu sehen".
Ich habe erstmal geguckt, wo genau Taiwan liegt. Natürlich wusste ich, dass es bei China ist, aber nicht, wo genau. Und dann habe ich mir einfach Bilder angesehen, die Esskultur und das Klima."
— Marie Gülich
Der Entdeckergeist führt Gülich in eine angespannte politische Situation: Seit Jahrzehnten stehen China und Taiwan im Konflikt, in den vergangenen Monaten hat sich die Lage zugespitzt. "Mir ist das alles sehr bewusst, trotzdem versuche ich, offen an die Sache heranzugehen", erzählt sie. "Ich habe keine Angst." Ihr Vater dagegen mache sich schon Sorgen ("Begeistert ist er nicht"). Einen möglichen Besuch hat er dennoch angekündigt, so wie viele Freunde.
Ligasystem kann "nervig werden"
Die Wahrscheinlichkeit, die Tochter oder Freundin dann in Taiwan beim Basketball zu sehen, ist hoch. Freitags, sonnabends und sonntags wird gespielt. Das Besondere: Die Liga besteht nur aus vier Clubs, es geht also immer wieder gegen dieselben Teams. "Ich stelle mir das lustig vor, du kannst dich gut drauf vorbereiten", sagt die 30-Jährige lachend. Sie räumt aber auch ein, dass es "im Laufe der Saison nervig werden kann, immer dieselben Gesichter zu sehen".
Ihr eigenes Gesicht wird eines der prominentesten sein. Pro Verein ist nur je eine Ausländerin erlaubt - Gülich soll ihr Team anführen. Am Ende des Tages sei das für sie nicht anders als in Valencia: "Da bin ich auch eingekauft worden, um Leistung zu bringen. Und meine Erwartung an mich selbst ist ja auch sehr hoch."
Das heißt: Möglichst den Titel holen - dabei aber auch vor allem Spaß haben ("Dann spiele ich am besten"), die taiwanesische Küche genießen ("Da hatte mich das Land eigentlich direkt für sich gewonnen") und möglichst viele Rezepte selbst zu kochen lernen.
Heim-EM: Vorfreude auf die Rückkehr
Die Saison in Taiwan geht von Ende Dezember bis Mai - mit einer einmonatigen Unterbrechung Ende Januar, wenn das chinesische Neujahr gefeiert wird. Die Pause liegt für Gülich perfekt: Anfang Februar steht ein Länderspielfenster an mit Qualifikationsspielen in Italien und Griechenland für die EM im kommenden Sommer (18. bis 29. Juni). Als Co-Ausrichter des Turniers sind die drei Nationen neben Tschechien bereits gesetzt.
Die Gruppenphase findet für Gülich direkt vor der Haustür statt. "Auf die Heim-EM freue ich mich richtig! Umso mehr, dass der Standort Hamburg ist und viele Leute, die ich liebhabe, hier sind und einfachen Zugang zu den Spielen haben", sagt Gülich mit Blick über die Elbe gen Spielort Inselparkhalle in Wilhelmsburg: "Wir wollen die Gruppenphase gewinnen und dann eine Medaille nach Hause bringen. Das ist ein Traum, den ich uns gerne erfüllen würde."
Zuvor hat Gülich aber noch andere Pläne und Träume - in Taiwan.
Dieses Thema im Programm:
Sportclub Story | 13.04.2025 | 23:35 Uhr