Fußball | Regionalliga Woher kommt die Rivalität zwischen Carl Zeiss Jena und Chemie Leipzig?
Das jüngste Duell zwischen Carl Zeiss Jena und der BSG Chemie Leipzig wurde von heftigen Ausschreitungen überschattet. Es war nicht das erste Mal, dass diese Konstellation auch abseits des Rasens für Schlagzeilen sorgt. Woher kommt die Rivalität?
"Den Tag werden wir deshalb nicht nur wegen der Leistung auf dem Spielfeld in schlechter Erinnerung behalten. Als Verein haben wir gestern großen Schaden erlitten" – diese Zeilen aus der Pressemitteilung der BSG Chemie Leipzig vom Sonntagnachmittag (1. Dezember) sprachen Bände. Die maßgeblich von "einer Minderheit", wie die Leutzscher betonten, aus dem mit 1.200 Zuschauern gefüllten Gästeblock eskalierten Tumulte und Ausschreitungen im Rahmen der deutlichen 0:5-Auswärtsschlappe beim FC Carl Zeiss Jena waren der Anlass für die ausführliche Stellungnahme und Entschuldigung der grün-weißen Klubführung.
Ultra-Rivalität seit Mitte der 2000er Jahre
Neben massiven Sachschäden und 40 Anzeigen sprach die "mit Einsatzstock und Reizgas vorgehende" Polizei im Anschluss von 79 Verletzten, darunter zehn Einsatzkräfte, fünf Ordner und 64 Zuschauer. Es ist die fatale Bilanz des vorläufig negativen Höhepunkts einer seit langem schwelenden Rivalität zwischen den Ultragruppen beider Klubs. Die gegenseitigen Animositäten wirken auf den ersten Blick irritierend, vor allem da sich sowohl die im Sommer 2000 gegründeten "Diablos Leutzsch" als auch die seit 2001 bestehende "Horda Azzuro" politisch dem linken Spektrum verorten.
Verbürgt sind Scharmützel, Schmähungen und Zwischenfälle, die bis in die Mitte der 2000er Jahre zurückreichen – wie unter anderem ein zerstörtes Jenaer Grafitti auf der Mondiali Antirazzisti, einem in der Emilia-Romagna beheimateten traditionsreichen Fußballfanturnier. In Erinnerung geblieben ist zudem der 19. Februar 2005, als auf dem Weg zum Oberligaauswärtsspiel im damals gerade neu gebauten Zentralstadion ein Zug mit Jenaer Fans im Leipziger Vorortbahnhof Knauthain angegriffen wurde.
1990: Kirschen bricht ab, Hartwig tritt im Sportstudio nach
Aber schon lange bevor sich die Ultrakultur in Deutschland etablierte, sorgten Begegnungen zwischen den Klubs für Aufsehen. Ende September 1990 – vier Tage vor der Wiedervereinigung – brach DDR-Starschiri Siegfried Kirschen am 6. Spieltag der allerletzten Oberliga-Saison das Duell zwischen dem FC Sachsen Leipzig und Carl Zeiss Jena wegen anhaltender Wurfgeschosse wie Bierdosen in der 82. Minute ab. Nicht einmal der Leipziger Trainer Jimmy Hartwig konnte die aufgebrachten grün-weißen Anhänger im damaligen Georg-Schwarz-Sportpark beruhigen. Anlass war das von Kirschen nicht gegebene Ausgleichstor der Gastgeber.
"Das ist mein 19. Oberligajahr, aber das ist die absolute Katastrophe", sagte der sichtlich entgeisterte Kirschen noch auf dem Rasen im Fernsehinterview. "Sie können das Spiel analysieren, wie sie wollen. Ich habe mir überhaupt nichts vorzuwerfen, in nicht einer einzigen Situation." Nachhause gefahren wurde der WM-Unparteiische von 1986 und 1990 dann übrigens vom FCS-Geschäftsführer, da Kirschens Lada demoliert worden war. Trainer Hartwig titulierte Siegfried Kirschen noch am Abend im ZDF-Sportstudio als "kleines Schweinchen" und verlor dadurch seinen Job in Leipzig-Leutzsch. Der FC Carl Zeiss gewann die Partie am Grünen Tisch mit 2:0.
1995: Leutzscher Fans stürmen den Platz – Jena steigt auf
Zwar nicht ab-, jedoch minutenlang unterbrach Schiedsrichter Torsten Koop dann am Pfingstsamstag 1995 das entscheidende Regionalligaduell um den Zweitliga-Aufstieg im ausverkauften Ernst-Abbe-Sportfeld zwischen Jena und dem direkten Konkurrenten FC Sachsen. Grün-weiße Anhänger hatten in Folge eines Elfmeterpfiffs für den FCC den Innenraum und das Spielfeld gestürmt und wurden in einer tumultartigen Gemengelage von der Polizei wieder zurückgedrängt.
Doppelpacker Thomas Vogel ließ sich davon nicht ablenken und verwandelte den Strafstoß gegen Keeper Thomas Köhler souverän zum zwischenzeitlichen 2:0 (67.). Der heutige HFC-Trainer Mark Zimmermann legte später noch zwei Tore zum 4:1-Endstand nach und besiegelte den vielumjubelten Sprung der Mannschaft von Trainer Eberhard Vogel ins Bundesliga-Unterhaus. Achim Steffens' Leutzschern hingegen blieben nur Tränen und Enttäuschung.
SpiO