Paralympische Spiele Positive deutsche Bilanz von Euphorie und Zukunftssorgen geprägt
Die Paralympics boten aus deutscher Sicht einige Lichtblicke - auch dank Athleten aus Mitteldeutschland. Der Blick in die Zukunft ist neben dem Traum von Spielen im eigenen Land aber auch von Sorgen geprägt.
Am Sonntagabend (8. September) sind die Paralympischen Spiele im strömenden Regen von Paris zu Ende gegangen. Die deutsche Bilanz fällt dabei gut, aber nicht überragend aus. Mit 49 Medaillen wurde zumindest der Abwärtstrend in der Gesamtzahl der Medaillen gestoppt, doch es fehlten vermehrt die ganz großen Triumphe. Mit lediglich zehn Goldmedaillen erlebte der Deutsche Behindertensportverband (DBS) einen historischen Tiefpunkt.
Top Ten knapp verpasst
Nach Platz zwölf in Tokio wurden auch in Paris mit Rang elf die anvisierten Top Ten im Medaillenspiegel knapp verfehlt, dennoch fiel das Fazit von offizieller Seite positiv aus. "Wir stehen gut da", betonte Chef de Mission Karl Quade. Laut DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher sei das Wichtigste, "dass wir den sogenannten Abwärtstrend der letzten Paralympischen Spiele jetzt erstmalig umgedreht haben und mit der Aufwärtsschleife begonnen haben."
Quade hatte zur Halbzeit der Paralympics noch ein durchwachsenes Fazit gezogen, ehe das deutsche Team in den Schlusstagen der Spiele noch zahlreiche Medaillen gewinnen konnte. Ihren Beitrag dazu leisteten auch die Athletinnen und Athleten aus Mitteldeutschland.
Mikolaschek sorgt für Tischtennis-Sensation
Allen voran Tischtennisspielerin Sandra Mikolaschek aus Eisleben sorgte mit der ersten Goldmedaille im Tischtennis der Frauen seit 20 Jahren für eine Sensation. Im Finale gegen die Weltranglistenerste Borislava Peric-Rankovic setzte sich die 27-Jährige in drei Sätzen durch und bejubelte anschließend den größten Erfolg ihrer Karriere.
Silber und Bronze im Triathlon
Grund zum jubeln gab es auch für die beiden Leipziger Triathleten Max Gelhaar und Martin Schulz. Der 26-jährige Gelhaar fuhr bei seinem Olympia-Debüt in der Startklasse PTS3 die Silbermedaille ein und musste sich nur dem spanischen Weltmeister Daniel Molina geschlagen geben. "Es war von Anfang an ein hartes Rennen. Es sind alle aufeinander und übereinander geschwommen." Mit dem Ergebnis sei er letztlich "sehr zufrieden".
Sein Trainingspartner Schulz verpasste in der Startklasse PTS5 nach seinen Triumphen in Rio und Tokio zwar den Gold-Hattrick, doch auch mit Bronze war der 34-Jährige absolut zufrieden: "Viele haben das Triple erwartet, aber die Bronzemedaille bedeutet mir so viel. Das war das stärkste Feld, das es je bei den Paralympics gegeben hat."
Mitteldeutsche Korbjäger mit Bronze
Dass der deutsche Basketball auf dem Vormarsch ist, hat der Gewinn des Weltmeistertitels bei den Herren im vergangenen Jahr und die Olympische Goldmedaille der 3x3-Frauen bereits eindrucksvoll gezeigt. Nun zogen auch die Rollstuhlbasketballer mit einer Medaille nach. Marie Kier, Jens Eike Albrecht und Aliaksandr Halouski von den RSB Thuringia Bulls kommen als Bronzemedaillensieger zurück aus Paris.
Bronze am Abschlusstag für Kanutin Adler
Anja Adler aus Halle rundete den letzten Tag der Spiele mit ihrem persönlichen Highlight und dem Gewinn der Bronzemedaille ab. In der Klasse KL2 absolvierte die 35-Jährige die 200 Meter in 52,17 Sekunden. Nur die beiden Britinnen Charlotte Henshaw (49,07) und Emma Wiggs (51,56) waren besser. Für Adler, die 2021 Europameisterin wurde, bedeutet der dritte Rang die erste paralympische Medaille.
Erfolg auch im Portemonnaie sichtbar
Die Stiftung Deutsche Sporthilfe honoriert die deutschen Medaillengewinner der Paralympics in Paris mit einem hohen sechsstelligen Betrag. Insgesamt werden 700.000 Euro an die Athleten, die in einem Wettkampf einen der ersten acht Ränge erreicht haben, ausgeschüttet, teilte die Sporthilfe am Montag (9. September) bilanzierend mit.
Die Prämie für eine Goldmedaille beträgt 20.000 Euro, für Platz acht gibt es noch 1.500 Euro. "Wir gratulieren allen Athletinnen und Athleten sehr herzlich zu ihren großartigen Leistungen, mit denen sie uns in den vergangenen Tagen in Paris begeistert haben", sagte der Vorstandvorsitzende Thomas Berlemann: "Ihr positives Auftreten hat viele Menschen in unserem Land sehr inspiriert. Sie sind Vorbilder für uns alle."
Paralympischer Sport von Einsparungen bedroht
Sorgen bereitet derweil die Zukunft des deutschen paralympischen Sports. Quade kritisierte die Politik nach den angekündigten Streichungen im Bundeshaushalt 2025, von denen auch der Sport betroffen wäre. Nach Informationen der Sportschau steht rund ein Fünftel bis ein Viertel aller Übungsleiter vor der Arbeitslosigkeit. "Das wäre ein Drama, wenn wir uns im Nachwuchs von Trainern trennen müssten", erklärte Quade.
Von der weiteren Entwicklung hängt auch eine mögliche Bewerbung Deutschlands für Paralympics maßgeblich ab. Der stimmungsvolle Verlauf der Spiele in Paris nährt bei vielen deutschen Athleten und Funktionären zumindest den Wunsch nach Spielen vor heimischer Kulisse.
Traum von Spielen in Deutschland lebt
Der zweimalige Tischtennis-Silbermedaillengewinner Thomas Schmidberger erklärte: "Ich bin ein Riesen-Fan von dieser Idee. Was muss das für ein Gefühl sein, wenn man vor seinen eigenen Leuten spielt? Ich wünsche das jedem Sportler, dass er das mal in seiner Karriere erleben darf."
Delegationschef Quade ruft jedoch erst einmal dazu auf, dass die erfolglosen Bewerbungen der Vergangenheit analysiert werden müssten. Für die Austragung 2012 war Leipzig schon in der Vorauswahl des Internationalen Olympischen Komitees mit seiner Bewerbung gescheitert, für 2024 stoppte die Bevölkerung in Hamburg in einem Referendum das Projekt.
Karl Quade, Chef de Mission, fordert eine Aufarbeitung der gescheiterten Bewerbungsversuche für Paralympics in Deutschland.
"Es sind da einige Fehler gemacht worden", sagte Quade. "Ich würde mir wünschen, dass man eine Aufarbeitung der nicht realisierten Bewerbungen angeht - das fehlt aus meiner Sicht. Man hat hier gesehen: Wenn man sich für so ein Event wie die Olympischen und Paralympischen Spiele bewerben will, dann muss man komplett zusammenstehen."
Spiele stoßen auf große mediale Resonanz
Welche Wucht im positiven Sinne Paralympics entfalten können, zeigte auch das mediale Interesse. Insgesamt 28,9 Millionen Menschen haben die Übertragungen mit einem Gesamtvolumen von rund 60 Stunden im TV bei ARD und ZDF verfolgt. Damit wurden 36,9 Prozent der Bevölkerung erreicht. Die durchschnittliche Sehbeteiligung bei ARD und ZDF lag bei 1,01 Millionen Menschen und damit bei einem Marktanteil von 10,9 Prozent.
"Paris hat die Paralympics zu einem großartigen Sportfest gemacht", sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. "Wir haben spannende Übertragungen erlebt, zutiefst bewegende Interviews, herausragende Athletinnen und Athleten mit ihren beeindruckenden Geschichten."
sbo/dpa/sid