Eduard Geyer wird 80 Held der Lausitz und kontroverse Dynamo-Ikone
Eduard Geyer ist eines der bekanntesten Gesichter des Ostfußballs. Als Spieler und Trainer Meister mit Dynamo Dresden in der DDR, führte "Ede Gnadenlos" den FC Energie Cottbus nach der Wende sensationell in die Bundesliga. Für Kontroversen sorgte seine IM-Tätigkeit. Zum 80. Geburtstag zeichnet eine MDR/RBB-Doku das Leben der Trainerlegende nach.
Die Stimme noch ganz fest, die Sprüche weiterhin locker – Trainerlegende Eduard Geyer ist noch so präsent wie früher auf dem Rasen oder der Trainerbank. "Beim Arzt sah es letztens ganz gut aus. Ich habe ein neues Knie, eine neue Hüfte, das Ersatzteillager wird nie geringer. Es ist aber gut, dass man nicht ganz bekloppt ist und sich einigermaßen noch was merken kann", sagte der Jubilar vor wenigen Tagen der Deutschen Presse-Agentur. "Wesentlich ist, dass man sich bewegen kann und klar ist. Und dass man das machen kann, wozu man Lust hat und die Familie funktioniert."
Fit und rüstig: Eduard Geyer an der Seite seiner Frau Angelika im Januar 2024.
Geburtstagsfeier mit 35 Freunden und Bekannten
Mit der Familie und ein paar Freunden und Bekannten – insgesamt rund 35 Personen – wird der letzte Nationaltrainer der DDR am heutigen 7. Oktober ein freudiges Fest zu seinem 80. Geburtstag feiern. "Für die Stimmung haben wir genügend Leute, die in der Lage sind, was zu präsentieren", sagte der im schlesischen Bielsko-Biala geborene Geyer. Im Herrenbereich spielte er von 1962 bis 1975 lediglich für die drei Dresdner Vereine FC Einheit, FSV Lokomotive und Dynamo und blieb Dynamo auch nach seinem aktiven Ende bis zur Wende als Trainer treu blieb.
"Nach zehn Jahren den BFC Dynamo als Meister abgelöst zu haben", zählt für "Ede" Geyer ebenso zu den vielen Höhepunkten seiner Karriere wie der 2:0-Sieg über Belgien im letzten Länderspiel der DDR mit den übrig gebliebenen Nationalspielern um Matthias Sammer.
Wunder von der Lausitz – mit Cottbus ins Pokalfinale und in die Bundesliga
Anschließend betreute der letzte DDR-Nationaltrainer den ungarischen Erstligisten Bodajk FC Siófok und stieg im Anschluss mit dem FC Sachsen Leipzig nur nicht in die 2. Bundesliga auf, weil den Leutzschern die Lizenz verweigert wurde. Mit Energie Cottbus schrieb Geyer dann von 1994 bis 2004 Geschichte: Von der Regionalliga ging es in der Saison 1999/2000 sensationell bis in die Bundesliga, dazwischen lag 1997 noch das DFB-Pokalfinale, das der krasse Außenseiter mit 0:2 gegen Bundesligist VfB Stuttgart verloren hatte.
1997 erreichte der damalige Regionalligist Energie Cottbus vollkommen überraschend das DFB-Pokalfinale. Dort musste sich Eduard Geyers Underdog-Team jedoch dem VfB Stuttgart unter Jungtrainer Joachim Löw geschlagen geben.
"Das sind alles Dinge, die irgendwie zeigen, dass man viele Dinge richtig gemacht hat. Vor allem auch deshalb, weil wir auch in Cottbus immer so ein bisschen an der Grenze gespielt haben", sagte Geyer.
Cottbus "wurde über die Grenzen hinaus bekannt"
Aufgrund der wirtschaftlichen Nachteile in der Lausitz holte der Trainer viele Profis aus dem Ausland. "Ich komme mir vor wie ein Querschnittsgelähmter. Alle bedauern dich, aber keiner gibt dir was", kommentierte Geyer die damalige finanzielle Situation, die am 28. Spieltag der Saison 2000/2001 zu einem Novum führte. Beim torlosen Energie-Remis gegen Wolfsburg wurden erstmals in der Bundesliga-Geschichte elf ausländische Spieler in der Startelf aufgeboten und im Spielverlauf auch kein deutscher Akteur eingewechselt.
Sensation im Jahr 2000: Eduard Geyer führte Energie Cottbus in die Bundesliga.
Für seine Verdienste in Cottbus ehrte ihn vor fünf Jahren auch Ministerpräsident Dietmar Woidke – lange Zeit nach Geyers Wirken. "Das hat die Lausitz, eine ganze Region, lange mit Stolz erfüllt. Die Stadt wurde über die Grenzen unseres Bundeslandes hinaus bekannt. Es ist genau das, was bleibt und ist zugleich mit Ihrem Namen verbunden", sagte der SPD-Politiker. Durchsetzungsstark und streitbar habe er seinen Jungs den Weg vorgegeben. "Die Mentalität sei damals ein Markenzeichen des FC Energie geworden."
Große Dynamo-Erfolge und "beschämende" IM-Tätigkeit
Deutlich kontroverser wird Geyers Person in Dresden gesehen. Rein sportlich bestritt der Verteidiger zwischen 1968 und 1975 insgesamt 134 Partien in der DDR-Oberliga, im FDGB-Pokal und Europapokal für Dynamo. Anschließend arbeitete er zunächst als Nachwuchstrainer, ehe er von 1986 bis 1990 sowie noch einmal 2007/08 die erste Mannschaft der Schwarz-Gelben verantwortete. Als Spieler gewann er zwei Meisterschaften (1971, 1973) und einen Pokal (1971), als Trainer führte er Dynamo 1989 zum Oberliga-Titel.
Im Herbst 1973 trafen der FC Bayern München und Dynamo Dresden zu zwei legendären Duellen im Europapokal der Landesmeister aufeinander. Hier entwischt Uli Hoeneß dem SGD-Verteidiger Eduard Geyer.
1992 war Geyers über zehn Jahre währende Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter "Jahn" beim Ministerium für Staatssicherheit bekannt geworden. Er sei 1971 nach einem nächtlichen Ausflug im Rahmen des Europapokalspiels in Amsterdam von der Stasi unter Druck gesetzt worden, berichtete Geyer damals dem Magazin SPIEGEL. Anschließend begann die Mitarbeit. Er könne sich "von Schuld nicht freisprechen. Im Nachhinein ist es beschämend", sagte Geyer.
2018: Rücktritt als Dynamo-Ehrenspielführer
Vor sechs Jahren holte ihn die Vergangenheit einmal mehr ein. Die Dynamo-Idole Hans-Jürgen Kreische, Dieter Riedel und Klaus Sammer hatten den Verein aufgefordert, ihrem einstigen Weggefährten als Ehrenspielführer abzusetzen. Es folgte eine monatelange Diskussion. "Als ich davon gehört habe, dass einige ehemalige Spieler meine Absetzung als Ehrenspielführer fordern, habe ich sie angerufen. Ich wollte mit ihnen reden und mich entschuldigen, aber das haben sie abgelehnt", ließ Geyer damals wissen. Im November 2018 verzichtete er auf die symbolträchtige Würde.
Das große Portrait (mi.) im Rudolf-Harbig-Stadion wurde abgehangen, nachdem Eduard Geyer im Herbst 2018 als Ehrenspielführer von Dynamo Dresden zurücktrat.
Auf dem Laufenden bei den Ostklubs
Seine beiden Vereine Cottbus und Dynamo verfolgt Geyer auch weiterhin – zum Teil auch im Stadion. Allerdings sehe er die Spiele "nicht mehr so verbissen". Auch sei er von der Bundesliga bis zur Regionalliga mit den ganzen ostdeutschen Mannschaften wie Jena und Leipzig auf dem Laufenden.
Und so ganz bleiben die Emotionen weiterhin nicht im Verborgenen: "Ich kann entspannt schauen, aber mich trotzdem über jede Menge ärgern." Neben den derzeit zum Teil nicht nachvollziehbaren Entscheidungen um Handspiele und Abseitsentscheidungen und rund um den VAR, dessen Einführung Geyer begrüßt hatte, sind es vor allem die theatralischen Einlagen mancher Profis, die ihm Sorgen bereiten.
Rat an die Jugend: "Gesundes Umfeld und Familie"
"Der Fußball hat auch Ausstrahlung auf den Nachwuchs, das sind auch Erziehungsfragen. Die Jugendlichen sehen, wenn sich die Spieler auf dem Feld hinschmeißen oder einen Krampf simulieren oder von oben bis unten tätowiert sind und sich drei Mal in der Woche die Haare färben lassen", sagte Geyer. Bereits die zu seiner Zeit aufkommende Mode bunter Fußballschuhe hatte der Trainer aufgrund der Sogwirkung auf den Nachwuchs kritisiert: "Da glauben manche Spieler, die laufen von ganz alleine wie der kleine Muck."
Um durch diese Schule des Fußballs zu gehen – von der Kindheit bis zum abgezockten Profi – sieht Geyer nur eine Säule. "Du brauchst ein gesundes Umfeld und natürlich eine Familie, in der du bei Zoff deine Oase der Ruhe und des Verständnisses findest", sagte er. "Das ist das Entscheidende."
dpa/SpiO