Fußball | Oberliga Bischofswerdaer FV: Luftmatratze, Strohhalm und Warten auf die Regionalliga-Entscheidung
Sportlich hat der Bischofswerdaer FV das Ticket für die Regionalliga gelöst. Ob die Oberlausitzer tatsächlich aufsteigen, ist noch offen. Trainer Frank Rietschel hätte für jede Entscheidung der Klubführung Verständnis.
Knapper hätte es nicht sein können. Der dramatische Titelgewinn des Bischofswerdaer FV in der NOFV-Oberliga Süd am Samstag (8. Juni 2024) zog unvergessliche Emotionen nach sich. Sein Bett sah Erfolgstrainer Frank Rietschel in jener Nacht jedenfalls nicht. "Bei mir ging es bis halb fünf. Dann habe ich bei meinem Torwarttrainer auf der Luftmatatraze im Freien geschlafen", plaudert der auch zwei Tage nach dem Aufstiegskrimi noch überwältigte Rietschel am Montag (10. Juni) im SPORT IM OSTEN-Interview. "Das muss auch mal sein. Wir haben diesen Abend richtig genossen", schmunzelt der Coach.
Rietschel lebt und liebt Bischofswerda
Der 53-Jährige stammt aus der Region, hat einst in Bischofswerda gespielt, wohnt mit seiner Familie in der idyllischen Oberlausitz und schwingt seit 2021 das Zepter beim BFV. Der Meistertitel war sein erster großer Erfolg als Trainer, der Klassenerhalt in der Regionalliga könnte der nächste werden. Wenn, ja wenn, es denn zum Aufstieg kommt. Noch ist unklar, ob Schiebock tatsächlich nächste Saison in der 4. Liga spielt.
Frank Rietschel hat Traditionsverein Bischofswerdaer FV zum Meistertitel in der NOFV-Oberliga-Süd geführt.
Rietschel: "Verein wird das Richtige tun"
Die Klubverantwortlichen wollen bis Mitte dieser Woche eine Entscheidung fällen – egal, wie diese ausfällt, das Verständnis von Rietschel hat die Chefetage sicher. "Es war wichtig, den Titel zu holen. Den nächsten Schritt wird der Verein entscheiden. Er wird das Richtige tun. Wir werden die Entscheidung so annehmen, wie sie kommt. Wir wissen, dass der ganze Verein auf dem Spiel steht." Starke Worte eines bodenständigen Trainers, der natürlich in die Regionalliga möchte, aber selbst bei einem Verbleib in der Oberliga mit dem gleichen Feuer am Ball bliebe.
Es war wichtig, den Titel zu holen. Den nächsten Schritt wird der Verein entscheiden. Er wird das Richtige tun. Frank Rietschel | SPORT IM OSTEN-Interview
Geringe Zuschauerzahlen wurmen den Trainer
Ein Wermutstropfen der zurückliegenden Erfolgssaison war das überschaubare Zuschauerinteresse. Lediglich 239 Fans verloren sich im Schnitt zu den Punktspielen auf der einstigen Kampfbahn am Schmöllner Weg. "Das wurmt mich ein bisschen. Ich hätte mir mehr Fan-Enthusiasmus gewünscht. Einfach mal den Arsch bewegen, hinter dem Ofen vorkommen, ins Stadion kommen und uns anzufeuern, das hätten die Mannschaft und der Verein verdient", unterstreicht Rietschel und verbindet das mit dem Wunsch, "dass die Leute wieder viel mehr dabei sind." Sowohl die Leistung des eigenen Teams als auch die in der Regionalliga ungleich namhafteren Gegner aus Leipzig, Jena, Erfurt, Zwickau, Chemnitz oder Halle dürften Lockmittel genug bieten.
Leistungsträger bleiben Schiebock treu
Rietschel verlängerte seinen Vertrag bereits im Februar – ligaunabhängig. Ein Großteil der Mannschaft hat es dem Ex-Profi von Erzgebirge Aue und Sachsen Leipzig in den folgenden Monaten nachgemacht. "Das Gerüst bleibt zusammen", erklärt der Coach erleichtert. Dem BFV gelang es vorzeitig, die wichtigen Zentrumsspieler Tim Wockratz, Leon Hahn, Steve Zizka, Matteo Hecker und Eduard Hofmann zu halten. Die Defensive um Keeper Stefan Kiefer, Kapitän Johann Weiß, Paul Fromm und Routinier Maik Salewski bleibt dem Verein ebenso treu.
In der Offensive ist der Oberliga-Meister mit dem 20-Tore-Brasilianer Miguel Pereira Rodrigues, Leon Scholze und Bruno Schiemann gut besetzt. Auch die Flügelflitzer Jonas Krautschick und Martin Sobe haben sich zu Schiebock bekannt. Die Eingespielheit sei wichtig, davon werde man profitieren. Es werde auch ein paar Neuzugänge geben, "die man immer dabei haben muss, um aufzufrischen", so der Coach. Darüber hinaus sollen auch wieder einige Nachwuchsspieler in den Kader integriert werden.
Co-Trainer Koch verlässt Bischofswerda
Allerdings verlässt Co-Trainer Robert Koch die Bischofswerdaer. Der Ex-Dynamo-Kicker sucht eine neue Herausforderung. Wohin es ihn verschlägt, dürfte alsbald bekannt werden, so Rietschel, der drei Jahre gemeinsam mit Koch zusammenarbeitete.
Koch war aus Motivationssicht vielleicht sogar das Zünglein an der Aufstiegswaage. Vor dem wichtigen Spiel beim VfB Auerbach vor gut drei Wochen holte Koch einen Strohhalm aus der Tasche. An diesen klammerte sich das ganze Team fortan erfolgreich. Auch in Arnstadt steckte der dünne Halm in Rietschels Hosentasche. Geht es nach dem Trainer, bekommt der besondere Glücksbringer nun einen Platz in der Vereinsvitrine.
Co-Trainer Robert Koch (li.) wird den Bischofswerdaer FV nach drei Jahren an der Seite von Frank Rietschel (re.) verlassen.
Ein Strohhalm als Glücksbringer
Und wer weiß, vielleicht feiert der Strohhalm in der kommenden Saison auch ein Comeback, wenn Bischofswerda eine Klasse höher die großen Traditionsvereine ärgern will. "Die Regionalliga ist eine Riesen-Liga. Die Jungs wären bereit und würden sich riesig freuen", sagt Rietschel. Ob es dazu kommt, müssen nun die Führungsspitze und der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) entscheiden.
Es gibt mehrere Baustellen. Die fehlende A-Lizenz von Rietschel und seinem weiteren Co-Trainer Ralf Marrack sei das kleinere Übel. "Dafür finden wir eine Lösung", so der Coach, der sich selbst vorstellen kann, den nötigen Lehrgang perspektivisch in Angriff zu nehmen. "Ich würde sie machen, wenn es notwendig ist."
Spielstätte noch unklar
Das größere Problem ist die Spielstätte. Die in der Oberliga genutzte Volksbank-Arena wird aller Voraussicht nach derzeit keine Regionalliga-Zulassung erhalten. Also müsste der traditionsreiche Wesenitzsportpark kurzfristig wieder tauglich gemacht werden – und eine Ausnahmegenehmigung vom Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) erteilt bekommen.
Kurze Vorbereitung für Rietschel kein Problem
Egal, ob Oberliga oder Regionalliga – Rietschel hat seinen Jungs drei Wochen Urlaub gegeben und bittet Anfang Juli zum Trainingsauftakt. Sollte der BFV drei Jahre nach dem Abstieg die 4. Liga wieder wagen, würde schon knapp vier Wochen später der Punktspiel-Ernst beginnen. Eine Tatsache, die den Trainer kalt lässt. "Ich sehe das nicht so verbissen. Entscheidend ist, dass die Jungs sich jetzt erholen", macht der 53-Jährige klar und erinnert dabei an einen seiner früheren Trainer.
Der mittlerweile 79-jährige Christoph Franke trainierte immer zwei, drei Wochen nach Saisonablauf weiter, um dann eine Pause einzulegen und zwei Wochen vor dem Start ins Training einzusteigen. Frankes Erfolge mit dem Chemnitzer FC und bei Dynamo Dresden gaben ihm Recht.
sst/mhe