SSC-Fahnen hängen an Balkonen in Neapel

CL-Rückspiel in Neapel Eintracht Frankfurt warnt vor Reise und sorgt sich um Fans

Stand: 14.03.2023 17:14 Uhr

Obwohl Fans von Eintracht Frankfurt beim Champions-League-Spiel in Neapel unerwünscht sind, halten sich einige schon in der Stadt auf. Mit einem schönen Auswärtstrip hat der Ausflug allerdings wenig zu tun. Es droht Ärger.

Von Mark Weidenfeller, Neapel

Die ebenso berühmten wie berüchtigten Vele di Scampia sind im Landeanflug auf Neapel nur zu erahnen. Die in den 60er-Jahren gebauten Sozialbausiedlungen, in denen einst bis zu 70.000 Menschen Platz finden sollten, gelten als Brennpunkt und negatives Aushängeschild der süditalienischen Küstenstadt. Ihre Segelform ist ebenso unverkennbar und charakteristisch wie unpassend. Wer hier landet, segelt nirgends mehr hin. Vele di Scampia ist die Endstation.

Inzwischen wurden nach jahrelanger Planung zwar schon vier der insgesamt sieben Segel, die durch die Mafia-Serie "Gomorrha" auch internationale Touristen anlockten, abgerissen. Dieser rund zehn Minuten vom Flughafen entfernt liegende Ort, der in früheren Jahren Europas größter Drogenumschlagsplatz gewesen sein soll, sagt aber viel über Neapel aus. Wohlfühloase geht anders. "Unser Motto vor der Auslosung war: Alles außer Neapel", betonte nicht nur deshalb Eintracht-Vorstand Philipp Reschke in dieser Woche noch einmal.

Reschke: "Neapel ist ein kompliziertes Pflaster"

Das zweite Duell mit dem Tabellenführer der Serie A am Mittwoch (ab 21 Uhr live im Audiostream und Ticker) war und ist nicht nur sportlich eine Herausforderung, die nach der 0:2-Niederlage im Hinspiel noch einmal deutlich komplizierter geworden ist. Vor der Reise nach Italien sorgt sich die Eintracht auch um die möglichen Geschehnisse außerhalb des Platzes und das Wohl ihrer Fans. "Um es vorsichtig auszudrücken: Neapel ist ein kompliziertes Pflaster", fasste Eintracht-Justiziar Reschke im Gespräch mit dem hr-sport zusammen.

 

Reschke im Interview: "Machen diese Spielchen nicht mit"

Nun ist nach den Irrungen und Wirrungen der vergangenen Tage mit erfolgten, einkassierten und mehrmals geänderten Fan-Ausschlüssen inzwischen geklärt, dass offiziell keine hessischen Fußballfans im Stadio Diego Armando Maradona anwesend sein werden. Es ist aber sicher, dass sich einige Frankfurter Anhänger den womöglich letzten Champions-League-Trip so oder so nicht nehmen lassen wollen. Legitim, erlaubt und verständlich, laut Warnungen der Eintracht aber auch nicht ungefährlich.

 

"Es wird dort eine Atmosphäre herrschen, in der Ausschau nach Frankfurt-Fans gehalten wird. Wir erwarten eine angespannte Situation in der Stadt", warnte Reschke. "Ich kann jedem nur raten, da nicht hinzufahren. Jeder, der da ist, sollte definitiv nicht auffallen oder provozieren." Kurzum: Das wird nicht lustig.

Angriffe auf gegnerische Fans

Nun ist die Tatsache, dass Neapel mit Vorsicht zu genießen und vor allem zu betreten ist, in der Fußballwelt keine Neuigkeit. Das Klima in der süditalienischen Stadt gilt nicht nur wegen der geographischen Nähe zum Vesuv als explosiv. In der Vergangenheit gab es immer wieder Angriffe auf gegnerische Fans.

Der FC Liverpool warnte seine Supporter im vergangenen September eindringlich davor, in Fan-Kleidung durch die Stadt zu laufen und empfahl, möglichst lange im Hotel zu bleiben. Verletzte nach Messer-Angriffen gab es dann trotzdem. Beim Aufeinandertreffen im Oktober mit Ajax Amsterdam landeten gleich sechs – teils unbeteiligte – niederländische Fans mit schweren Stichverletzungen im Krankenhaus.

Einige Reporter bleiben in Frankfurt

Journalisten berichten zudem davon, wie sie nach einer Champions-League-Partie des FC Bayern im Jahr 2011 aus Sicherheitsgründen im Mannschaftsbus mit zurück in die Stadt fahren durften und mussten. Für die Berichterstatter, die die Eintracht am Dienstag und Mittwoch begleiten, wurde eine Shuttle-Service eingerichtet. Flughafen-Hotel-Stadion-Hotel-Flughafen. Mehr ist nicht drin, mehr sollte man nicht riskieren. Einige Reporter, die sonst immer dabei sind, haben die Reise gar nicht erst mitangetreten.

Nun laufen internationale Auswärtsreisen – so traurig es ist – selten ohne Ärger zwischen den Fanlagern ab. Dem gegenüber hat es in Neapel sicher auch schon Spiele ohne Vorkommnisse gegeben. Durch die Angriffe auf italienische Fans rund um das Hinspiel in Frankfurt und das Behörden-Theater im Nachgang wurde die Stimmung aber zusätzlich vergiftet. "Die Lage ist durch das Hin und Her in den vergangenen Tagen mit Sicherheit nicht besser geworden", so Reschke.

Wie viele Frankfurter letztlich wirklich in Neapel sein werden, ist schwer abzuschätzen. Dass sie während des Spiels nicht gesammelt im Stadion, sondern verstreut in der Stadt sein werden, erschwert die Lage aber zusätzlich.

Bürgermeister: Sorge um Sicherheit in der Stadt

"Wir sorgen uns nicht um die Sicherheit im Stadion. Wir sorgen uns darum, was in der Stadt passieren könnte", sagte deshalb Neapels Bürgermeister Gaetano Manfredi. Dass er mit dieser Aussage wohl auch das inzwischen gekippte und rechtlich nicht haltbare Ticket-Verkaufsverbot an Eintracht-Fans rechtfertigen wollte, sei dahingestellt.

Dass die auf Terrorismusbekämpfung spezialisierte Polizeieinheit "Digos" laut der Gazzetta Dello Sport Nachrichten und Drohungen aus der Fanszene abgefangen haben soll, ist aber wohl Alarmsignal genug.

Ausgestreckte Fäuste statt offene Arme

Klar ist: Die Fans der Eintracht, die am Dienstag in Neapel schon hier und da zu erkennen waren, sollten sich der Situation bewusst sein und wissen, dass sie in Neapel eher mit zwei ausgestreckten Fäusten als mit offenen Armen empfangen werden.

Ein Mitglied der neapolitanischen Ultra-Gruppe "Sud 1999" sagte dazu bereits kurz nach der Auslosung zum Fußballmagazin 11 Freunde, dass er der Eintracht empfehle, mit möglichst wenigen Fans anzureisen. Der Grund: "Unser Krankenhaus ist eher klein."