Enttäuschter Jonas Vingegaard
Tourreporter

Däne verliert weiter Zeit Vingegaards Plan geht nicht auf

Stand: 14.07.2024 22:21 Uhr

Nach dem schwierigen Wochenende in den Pyrenäen liegt Jonas Vingegaard mehr als drei Minuten hinter Tadej Pogacar im Gelben Trikot. Der Däne ist dennoch zufrieden und hofft auf einen schlechten Tag seines Rivalen in den Alpen.

Von Michael Ostermann, Plateu de Beille

Jonas Vingegaard trug seine Tochter auf dem Arm, die - eine dänischen Fahne in der Hand - ihre Arme um den Hals ihres Vaters gelegt hatte. Die beiden wurden durch den Zielbereich begleitet von Trine Marie Hansen, der Ehefrau des Radprofis. Vingegaard ist ein Familienmensch, das betont er immer wieder. Die Familie gebe ihm Kraft und Zuspruch.

Also wohl auch hier auf dem Plateau de Beille in 1.780 Metern Höhe, dem Zielort der 15. Etappe der Tour de France. Dort, wo Vingegaard noch einmal Zeit verloren hatte im Kampf um das Gelbe Trikot. Mit mehr als einer Minute Rückstand auf Tadej Pogacar war er oben angekommen. Das Gesamtklassement weist nun einen Vorsprung von 3,09 Minuten für den Slowenen aus.

"Die Leistung meines Lebens"

Aber Zuspruch oder gar Trost? Davon wollte Vingegaard auf dem Plateau de Beille nichts wissen. "Ich habe die Leistung meines Lebens gezeigt", sagte der zweimalige Toursieger. "Ich kann super happy sein damit, wie ich gefahren bin, wie das Team gefahren ist. Tadej war einfach viel besser heute."

Zumindest letzteres stimmte wohl. Dabei hatten Vingegaard und sein Team auf dieser zweiten, extrem schwierigen, fast 200 Kilometer langen Pyrenäenetappe mit vier Anstiegen der Kategorie eins und dem Schlussanstieg der Hors Categorie die Initative übernommen. Anders als am Vortag, als das UAE-Team um Tadej Pogacar den Tag bestimmte hatte.

Diesmal also hielt Visma-Lease A Bike das Tempo in der Favoritengruppe hoch, um am Schlussanstieg eine Attacke ihres Kapitäns zu lancieren. Doch all der Aufwand war umsonst. Vingegaards Angriff elf Kilometer vor dem Ziel konterte Pogacar knapp sechs Kilometer später. Danach konnte der Däne nur noch versuchen, den Schaden in Grenzen zu halten.

15. Etappe - die Attacke von Tadej Pogacar

Sportschau Tour de France, 14.07.2024 12:25 Uhr

Kein Zweifel am Plan des Teams

Den Plan für diesen Tag hatten sie sich bei der niederländischen Equipe schon vor Monaten zurechtgelegt. Das ist die Art und Weise, wie sie die Dinge dort angehen. Und obwohl Vingegaard Anfang April bei der Baskenland-Rundfahrt so schwer stürzte, dass lange nicht mal klar war, ob er überhaupt bei der Tour würde starten können, wurde an diesem Plan festgehalten.

Anpassungen gab es auch nicht, nachdem Pogacar seinem Rivalen schon am Tag zuvor hinauf zum Pla d'Adet Zeit abgenommen hatte. Zweifel am Plan habe es nicht gegeben, betonte Vingegaard: "Ich zweifle niemals an unserem Plan. Und es hat ja die beiden vergangenen Jahren funktioniert. Ein Tag wie heute liegt mir, also musste ich es versuchen. Ich komme ja nicht zur Tour, um es nichtmal zu versuchen."

15. Etappe - die Stimmen

Sportschau Tour de France, 14.07.2024 12:25 Uhr

Ist die Tour schon entschieden?

Dieser Versuch ist nun gescheitert. Und die Frage, die sich nun vor dem zweiten Ruhetag der Tour de France stellt, ist: Lohnen sich weitere Versuche oder ist die Tour nicht schon entschieden nach diesem Wochenende in den Pyrenäen?

"Nein", sagt Tadej Pogacar, obwohl er das Gelbe Trikot jetzt schon sehr sicher auf seinen Schultern trägt. "Die Tour ist normalerweise erst auf den Champs-Élysées zu Ende und diesmal erst in Nizza. Erst wenn man da auf der Promenade des Anglais über den Zielstrich gefahren ist, ist es vorbei. Bis dahin müssen wir fokussiert bleiben."

Das ist natürlich richtig. Und es stehen dem Peloton noch sechs harte Renntage in der dritten Tourwoche bevor. Ein Sturz oder eine Corona-Infektion im Team kann die Dinge nochmal ins Wanken bringen. Das Virus geht seit Tagen im Peloton um, weshalb die Medienvertreter nun wieder Maske tragen müssen, wenn sie mit den Radprofis in Kontakt treten.

Auch Pogacar atmet und leidet

Ein Unglück kann die Dinge also wenden. Doch auf dem Rad scheint Pogacar nun nach seinem Sieg beim Giro d'Italia auch bei der Tour de France ziemlich souverän seinem Triumph entgegenzufahren. Schon auf dem Pla d'Adet hatte er eine neue Rekordzeit für den Aufstieg aufgestellt. Die 16,8 Kilometer hinauf zum Plateau de Beille legte er ebenfalls in neuer Bestzeit zurück - deutlich schneller als die früheren Sieger dort in den Doping-Hochzeiten des Radsports: Marco Pantani, Lance Armstrong oder Alberto Contador.

Die Zeiten sind andere, der moderne Radsport auch. Aber Pogacars Überlegenheit ist derzeit so deutlich, dass der Slowene nach der Etappe betonen musste, dass auch er atmet und leidet. "Die einen leiden mehr, die anderen weniger. Das ist Radsport." Die Rekordzeiten? "Interessieren mich nicht."

"Er kann immer noch einen schlechten Tag haben"

Vingegaard wurde auf dem Plateau der Beille jedenfalls schon gefragt, ob er nach seinen Toursiegen in den beiden vergangenen Jahren diesmal auch mit Platz zwei zufrieden sein würde. Denn ähnlich sicher wie Pogacar an der Spitze der Gesamtwertung steht, hat er in den Pyrenäen seinen zweiten Platz im Klassement vor dem Belgier Remco Evenepoel gefestigt.

"Wenn er auf diesem Level bleibt, wäre ich zufrieden", antwortete Vingegaard mit Blick auf die derzeitige Überlegenheit des Slowenen. Er betonte aber auch, dass er ja nun nichts mehr zu verlieren habe. "Es sieht im Moment natürlich ziemlich schwierig aus, aber er kann immer noch einen schlechten Tag haben, das haben wir in den beiden vergangenen Jahren gesehen."

Das ist die Hoffnung, mit der Vingegaard in den Ruhetag und dann in die verbleibenden Etappen geht. Viel mehr bleibt ihm nicht.