Tour de France Ein letzter Sprint in Nimes - ein allerletzter für Cavendish
Jasper Philipsen gewinnt die 16. Etappe der Tour de France in Nimes. Für die Sprinter war es die letzte Chance auf einen Etappensieg, für Mark Cavendish wohl der allerletzte Sprint bei der Tour überhaupt. Und der Kampf ums Grüne Trikot ist wieder offen.
Die beiden kleinen Jungs hatten es bis ganz nach vorne geschafft, hatten sich mutig nach vorne gedrängt zwischen all den Menschen mit Kameras und Mikrofonen. Da standen sie nun an der Tür des Teambusses in Nimes, aus dem ihr Idol gleich herauskommen würde. Und dann stieg er die Stufen hinab: Mark Cavendish.
Cavendish auf Rang 17
Eine halbe Stunde zuvor hatte der Brite seinen wohl finalen Sprint bei der Tour de France beendet - auf Rang 17. Aber die Platzierung spielte da schon keine Rolle mehr. Auch wenn Cavendish noch am Morgen vor dem Start der 16. Etappe in Gruissan davon gesprochen hatte, dass dies ein ganz normaler Tag sei.
Ein Tag für die Sprinter, bei dem er natürlich versuchen würde, als Erster über die Ziellinie zu fahren. So wie ihm das bei dieser Tour schon einmal gelungen war, und in den vergangenen 16 Jahren insgesamt 35 Mal, was ihn zum alleinigen Rekordetappensieger in der Geschichte der Tour de France macht.
Und so stand Cavendish nun also vor dem Bus des Teams und sprach über die richtige Positionierung in den Kreisverkehren auf der Anfahrt auf die Zielgerade und wie er und sein Team dort den Anschluss verpasst hatten. Aber dann ging es eben doch noch um das Ende einer Ära.
Ende einer Ära zwischen Supermarkt und Fast-Food-Lokal
Da die Tour wegen der Olympischen Spiele in Paris diesmal mit einem Zeitfahren in Nizza zu Ende gehen wird und nicht mit einem Sprint auf den Champs-Élysées, den die Sprinter als ihre inoffizielle Weltmeisterschaft betrachten, hatte Cavendish seinen finalen Sprint nun auf dem Boulevard Salvador Allende in Nimes zwischen Supermärkten und Fast-Food-Lokalen statt auf der Prachtstraße in der französischen Hauptstadt absolviert. Weitere Sprintetappen stehen nicht mehr auf dem Programm in diesem Jahr.
So konnte Cavendish sehr nüchtern bilanzieren, er und sein Team hätten erreicht, was sie sich vorgenommen hatten. Eben diesen einen Etappensieg, der ihm den Rekord einbrachte. Er könnte nun also die Koffer packen und sich zur Ruhe setzen. Aber das wird er natürlich nicht tun. Dafür verehrt er dieses Rennen viel zu sehr.
"Ich habe diese Tour de France seit dem Start jeden Tag gefeiert, obwohl ich sehr gelitten habe", sagte Cavendish, der schon auf der 1. Etappe von Florenz nach Rimini früh abgehängt worden war und am vergangenen Wochenende in den Pyrenäen nur knapp innerhalb der Karenzzeit geblieben war.
Der Blick auf das Profil der kommenden vier Etappen zeigt, dass die Leidenszeit nur eine kurze Pause hatte. Aber Cavendish will seine wohl letzte Tour nicht vorzeitig beenden. Auch weil er ein Vorbild sein will. Zum Beispiel für die Jungs am Bus. "Vielleicht wird er ein Sprinter", sagte er und deutete auf einen der beiden. "Willst du ein Sprinter sein? Sag ja!" So weit wollte der Kleine dann doch nicht gehen. Aber Cavendish versicherte, er werde sich nun in Zukunft eben die Sprints seiner jungen Nachfolger ansehen, die jetzt noch keine Profis seien.
Philipsen hat wieder Aussichten auf Grün
Die Gegenwart des Sprints gehört derweil wieder dem Belgier Jasper Philipsen, der in Nimes seinen dritten Etappensieg bei dieser Tour feierte, nachdem er zu Beginn der Rundfahrt sein Momentum verloren zu haben schien. "Ich bin froh, dass wir es drehen konnten", sagte Philipsen, "und es mit drei Etappensiegen beenden konnten."
Natürlich geht auch für Philpsen die Tour in den kommenden Tagen weiter. Zumal er plötzlich doch noch mal die Aussicht auf das Grüne Trikot des besten Sprinters hat. Auch wenn er die Chance darauf selbst nur auf fünf Prozent beziffert. "Es ist fast unmöglich, aber es gibt uns ein kleines Ziel, noch ein paar Punkte zu holen, wo wir sie kriegen können, anstatt nur das Feld aufzufüllen", sagte Philipsen.
32 Punkte beträgt sein Rückstand auf Biniam Girmay. Am Morgen waren es noch 86 Zähler gewesen. Philipsen hatte beim Zwischensprint schon ein paar Punkte mehr gesammelt als der Eritreer. Im Ziel war Girmay dann ganz leer ausgegangen, weil er im Finale gestürzt war.
Girmay humpelt aufs Podium
Girmay hatte im Ziel dann erst mal den Arzt aufgesucht. Die Wunde an seinem rechten Ellenbogen musste mit zwei Stichen genäht und eine Wunde am Knie bandagiert werden. Arg humpelnd kam er dann aufs Podium, wo man ihm das Grüne Trikot überstreifte, dass er nun nicht mehr so sicher hat. "Mir geht es gut", behauptete Girmay dennoch tapfer. Brüche habe er sich keine zugezogen, wie sein Team bekannt gab. Am Mittwoch werde er auch bereit für die nächste, 17. Etappe sein. Ob er aber auf den kommenden Bergetappen mit seinen Verletzungen das Maillot Vert verteidigen kann, bleibt abzuwarten.
Girmay, Philipsen und Cavendish haben jedenfalls genug Gründe, die Strapazen der verbleibenden Tourtage auf sich zu nehmen. Für die anderen Sprinter bleibt nur die Hoffnung "zu überleben", wie der Gesamtführende Tadej Pogacar mitleidig bemerkte. "Es ist schade für sie, dass es keinen Sprint mehr geben wird. Ich hoffe, dass die meisten nicht aufgeben, sondern bis zum Ende durchfahren." Der ein oder andere wird sich das allerdings genau überlegen.