Tour de France Femmes Yanina Kuskova will einfach nur ankommen
Die richtige Teamtaktik steht oftmals im Mittelpunkt des Renngeschehens. Darüber muss sich Yanina Kuskova keine Gedanken mehr machen. Denn die Usbekin ist die einzig Übriggebliebene aus ihrem Team. Und dieses muss sich Kritik gefallen lassen.
So abwechslungsreich die Etappen und die Austragungsorte der Tour de France Femmes auch immer sind, eines bleibt stets gleich: An jedem Morgen werden die Fahrerinnen unter großem Jubel der Einheimischen und angereisten Fans vorgestellt. Sie betreten mit ihren Fahrrädern die Bühne, winken dem Publikum zu und anschließend geht es in die Mixed Zone, um sich den Fragen der Presse zu stellen.
Auch Yanina Kuskova steht jeden Morgen auf der Bühne. Eines unterscheidet sie jedoch von den anderen Fahrerinnen, denn sie muss die allmorgendliche Prozedur allein bestreiten. Während die anderen Teams nämlich fast alle noch in voller Mannschaftsstärke am Rennen teilnehmen, ist Kuskova die Einzige, die noch von ihrem Team übrig ist.
Nur Kuskova ist noch übrig
Kuskova fährt für das Tashkent City Women Professional Cycling Team aus Usbekistan. Dieses ist zum ersten Mal bei der Tour de France Femmes dabei und stellt das jüngste Team des Rennens. Oder stellte, wenn man es genau nimmt, denn Kuskovas sechs Teamkolleginnen sind allesamt nicht mehr am Start. Bereits die erste Etappe von Rotterdam nach Den Haag überforderte vier der sieben Fahrerinnen, sie stiegen vollkommen erschöpft teilweise schon nach der Hälfte der Strecke vom Rad.
Die Ardennen sorgten schließlich ganz dafür, dass Kuskova zur Einzelkämpferin wurde. In weiser Voraussicht, was ihr auf der vierten Etappe blühte, welche einem Frühjahrsklassiker alle Ehre machte, verzichtete Nafosat Kozieva direkt auf einen Start. Margarita Misyurina versuchte es zwar, erreichte aber das Ziel in Lüttich nicht. Und nun steht die 22-jährige Kuskova allein da.
Punktesammeln für die Tour de France Femmes
Solo im Peloton unterwegs zu sein, sei natürlich nicht einfach, so die dreifache usbekische Meisterin zur Sportschau. "Ich bin zwar allein, aber ich werde alles dafür geben, die Tour zu Ende zu fahren", sagt Kuskova. Dass ihre Teamkameradinnen aber der Herausforderung sportlich nicht gewachsen waren – weder Krankheit noch Verletzungen waren ausschlaggebend – sorgte nicht nur für hochgezogene Augenbrauen, sondern auch für reichlich Kritik.
Denn wie das Tashkent City Women Professional Cycling Team überhaupt an seinen Startplatz für die Tour de France Femmes kam, löste nicht nur positive Reaktionen innerhalb der Radsportwelt aus. Es ist die erste Equipe aus Asien, die bei der Tour dabei ist. Und dort sammelte das von der Regierung finanzierte Team auch seine Punkte, welche es brauchte, um sich zu qualifizieren. Dafür nahm es in der Saison 2023 hauptsächlich an kleinen Rennen in Asien sowie nationalen Meisterschaften teil, in Europa tauchte es derweil kaum auf.
Vorwürfe aus der Radsportwelt
Somit erarbeitete sich das Tashkent City Women Professional Cycling Team eine derart gute Position im Teamranking der UCI, dem Weltradsportverband, dass es als zweitbestes Continental-Team neben Cofidis eine Wildcard für die Tour de France Femmes erhielt. Sicher qualifiziert sind nämlich nur die 15 World-Tour-Teams und eben diese zwei Teams aus der zweiten Klasse der Women’s World Tour, der höchsten Rennserie der UCI. Alle anderen müssen auf eine Einladung des Veranstalters hoffen.
Der Vorwurf: Zum einen hätten sich andere Continental-Teams den Platz durch ihre Teilnahme an den viel härteren Rennen in Europa eher verdient; zum anderen würden die zahlreichen Aufgaben zeigen, dass das Team auch sportlich nichts bei der Tour zu suchen habe.
Tashkent-Team weist Kritik zurück
Im Interview auf die Kritik angesprochen, versagt Kuskova die Stimme, sie fängt an zu weinen; Sportdirektor Gleb Groysman springt ein und weist die Kritik zurück. "Das Gerede darüber, dass wir nicht gut genug seien, ist unfair", so Groysman. "Wir haben niemanden einen Platz weggenommen, sondern uns diesen nach den Regeln der UCI erkämpft." Wer das nicht mag, solle sich an die UCI wenden.
Es könnte allerdings eh die einzige Teilnahme des Tashkent City Women Professional Cycling Teams bleiben, denn ab der nächsten Saison werden die zwei besten Continental-Teams bei der Tour de France Femmes durch die neu eingeführten Pro-Teams ersetzt – eine Zwischenstufe zwischen den World- und Continental-Teams. Und an diese Lizenz zu kommen, dürfte die Usbeken vor große Herausforderungen stellen. Ursprünglich wurde das Team gegründet, um Usbekistan Startplätze bei den Olympischen Spielen in Paris zu sichern. Was erfolgreich war, unter anderem beendete Yanina Kuskova das Straßenrennen auf dem 51. Rang.
Tashkent-Fahrerinnen leiden unter Kritik
Dementsprechend war die Finanzierung aber auch auf das für die Qualifikation so wichtige Jahr 2023 ausgerichtet, in diesem Jahr standen nur wenige World-Tour-Rennen auf dem Programm. Auch weil das Geld knapp ist. Bei der Tour reist das Team mit einem kleinen Team umher, lediglich zwei Ersatzräder hat es dabei, der Camper geht beim Anblick der vielen großen Busse vollkommen unter.
Zudem setze die Kritik den Fahrerinnen zu. "Sie arbeiten jeden Tag sehr hart, deshalb ist es sehr schwer für sie gerade. Der Druck ist hoch", so Groysman. Kuskova fahre nicht nur für ihr Team, sondern auch für Usbekistan, wo der Radsport noch in den Kinderschuhen stecke. Und zumindest morgen wird die Usbekin wieder auf der Bühne stehen, die heutige Etappe von Remiremont nach Morteau beendete Kuskova als 43. – zeitgleich mit den deutschen Fahrerinnen Hannah Ludwig und Franziska Koch.