Ricarda Bauernfeind aus Deutschland steht bereit für den Start zum Rennen
Tourreporterin

Tour de France Femmes Außen ruhig, innen nervös: Ricarda Bauernfeinds Premierentag

Stand: 23.07.2023 20:22 Uhr

In Clermont-Ferrand startete am Sonntag die zweite Auflage der Tour de France Femmes. Für eine deutsche Fahrerin war es ein ganz besonderer Tag, denn sie feierte ihr Tour-Debüt: Ricarda Bauernfeind.

Eigentlich wirkte Ricarda Bauernfeind sehr entspannt. Ihr Innenleben sah aber anders aus, wie sie kurz vor dem Start der ersten Etappe erzählte. Nervös sei sie, das gehöre halt dazu. Aber irgendwie auch kein Wunder, denn es ist die erste Tour de France Femmes für Bauernfeind, die für das einzige deutsche World Tour-Team Canyon SRAM fährt. Im vergangenen Jahr galt die 23-Jährige zwar bereits als aussichtsreiche Nachwuchsathletin, die Frankreich-Rundfahrt kam jedoch zu früh.

Die vorfreudige Atmosphäre beim Grand Depart in Clermont-Ferrand tat ihr übriges. Bereits Stunden vor dem Rennen waren die Menschen in den Straßen der Altstadt unterwegs, um ja nicht den Start zu verpassen. Selbst die Statue vom gallischen Stadthelden Vercingetorix war in ein Gelbes Trikot gehüllt – Clermont-Ferrand war also bereit für die Tour der Frauen.

Gelungener Auftakt für Bauernfeind

Genau wie Bauernfeind. Am Ende stand der 24. Platz mit lediglich 53 Sekunden Rückstand auf das Gelbe Trikot zu Buche, womit sie die zweitbeste Deutsche hinter Liane Lippert wurde. Bauernfeinds Lieblingsetappe kommt erst noch, wenn es zum Ende der Tour auf den legendären Tourmalet geht. Dort möchte die Bergspezialistin angreifen. "Aber die sechs Etappen davor werden echt hart. Ich hoffe einfach, dass ich bis dahin mein Team so gut wie möglich unterstützen kann", so Bauernfeind gegenüber der Sportschau. Das gilt vor allem für ihre Kapitänin Kasia Niewiadoma. "Wir wollen alles dafür geben, ihr Podium vom vergangenen Jahr zu verteidigen."

Das gelang auf der ersten Etappe schon einmal optimal, Niewiadoma erreichte zeitgleich mit Top-Favoritin Annemiek van Vleuten das Ziel. Die Erleichterung über ihr gutes Ergebnis war Bauernfeind nach dem Rennen anzumerken. Aber auch die Freude über die ausgelassene Stimmung an der Strecke. "Das war schon vor dem Start was ganz Besonderes und neu für mich. Auch an den Anstiegen sowie in den Dörfern hat man gemerkt, dass wir jetzt wirklich bei der Tour de France fahren", erzählt Bauernfeind mit einem Lächeln. "Die Tour ist das Beste, was dem Frauenradsport passieren konnte."

Erstes Jahr als Radsport-Profi

Bauernfeinds Eltern wollten erst gar nicht, dass sie mit dem Radsport anfängt, zu gefährlich. Sie setzte sich aber durch, auch weil ihr Bruder den Sport ausübte. Damals gab es die Tour de France Femmes natürlich noch nicht. Das hat sich bekanntlich geändert, also wollte Bauernfeind auch unbedingt mit dabei sein. "Dass es jetzt so schnell geklappt hat, ist umso schöner", so die Oberbayerin. Dabei stand lange gar nicht fest, ob Bauernfeind überhaupt mit dem Leistungssport weitermachen, geschweige denn den Weg eines Radprofis einschlagen würde. Als Juniorin gewann sie Medaille um Medaille auf der Bahn und der Straße, zählte zur nationalen Spitze im Nachwuchsbereich.

Vor vier Jahren zog sie sich jedoch aus dem Renngeschehen zurück. "Ich habe einfach den Spaß am Rennen fahren verloren und wollte mich stattdessen auf mein Studium konzentrieren", erinnert sich Bauernfeind, die Sport und Ernährung auf Lehramt studiert. Erst virtuelle Rennen während der Corona-Pandemie weckten wieder ihre Lust auf den professionellen Radsport. In ihrer ersten Saison zurück im Wettkampfzirkus fuhr Bauernfeind für das Nachwuchsteam von Canyon SRAM. "Dort habe ich die Chance bekommen, ohne Druck und freier zu fahren." Das war vergangenes Jahr, das im Gewinn der Bronzemedaille bei der U23-Weltmeisterschaft im australischen Wollongong gipfelte. Zu Beginn der jetzigen Saison schaffte sie sodann den Sprung ins Profi-Team.

Überrascht von sich selbst

"Das war für mich persönlich der beste Weg, den ich hätte einschlagen können. Auch, was den Lernprozess angeht, hat mir das vergangene Jahr wirklich weitergeholfen", ist Bauernfeind überzeugt. Ihre erste Profi-Saison kann sich zumindest sehen lassen - Top 20-Plätze im Frühling sowie Gesamt-Fünfte bei der La Vuelta Feminina, neben der Tour und dem Giro D’Italia Donne eine der drei großen Rundfahrten des Jahres. Dort musste sie auf der fünften Etappe die Pyrenäen hoch nur van Vleuten und Demi Vollering ziehen lassen.

Auf die Vuelta angesprochen, grinst Bauernfeind. "Das ist mein bisheriges Highlight, einfach weil ich nicht nur mich persönlich überrascht habe, sondern auch alle anderen. Das hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben und mich noch mehr motiviert." Ein gutes Gefühl braucht sie auch in den nächsten acht Tagen, bis in Pau das Ziel der Tour erreicht wird. Bei der Frage, ob die Rundfahrt in Zukunft ruhig etwas länger sein dürfte, muss Bauernfeind lachen, vielleicht auch mit einem Hauch Verzweiflung. "Ich will erst einmal die acht Tage hier überstehen und dann können wir weiterreden." Das sollte sie auch, denn im Oktober will die Studentin ihre Bachelorarbeit abgeben.