Olympia-Historie Olympia 1988 in Seoul: Johnson-Skandal und Gigantismus
Sieg, Gold, Weltrekord - für drei Tage: Dann hat Seoul dank 100-m-Sprinter Ben Johnson den spektakulärsten Dopingfall der olympischen Geschichte.
Neunkommasiebenneun: So schnell hat noch nie ein Mensch die 100 Meter zurückgelegt. Bis zum 24. September 1988. Im 100-m-Finale von Seoul duellieren sich der kanadische Weltrekordler Ben Johnson, "Titelverteidiger" Carl Lewis, Europarekordler Linford Christie sowie Ex-Weltrekordler Calvin Smith.
Lewis blickt schon während des Rennens mehrfach konsterniert zu seinem weiter außen laufenden Erzrivalen. Der reckt im Ziel siegesgewiss die rechte Faust. Doch Johnson wird des Hormondopings mit dem anabolen Steroid Stanozolol überführt und drei Tage später vom IOC disqualifiziert. Gold, Weltrekorde und der WM-Titel von Rom 1987 werden ihm später aberkannt.
Sein weibliches Pendant, Florence Griffith-Joyner, brilliert mit dreimal Gold, einmal Silber und einem fantastischen Weltrekord über 200 Meter. Zehn Jahre danach stirbt die extravagante US-Sprinterin völlig überraschend - an einem Schlaganfall.
Neben Doping ist der Trend zum Gigantismus ein weiteres Problem der Spiele von Seoul. Das olympische Programm wird erweitert, erstmals dürfen offiziell Profis teilnehmen. Deshalb kehrt Tennis nach 64 Jahren zurück. Die Weltelite schlägt auf, und Steffi Graf krönt ihren Grand-Slam-Triumph in diesem Jahr mit olympischem Gold.
Hingsen der "Depp der Nation"
Golden endet auch der Auftritt der deutschen Reiter mit vier Siegen. Nicole Uphoff gewinnt zweimal im Dressur-Viereck - solo und in der Mannschaftswertung. Fecht-Trainer Emil Beck feiert seinen größten Triumph: Im Florett-Wettbewerb der Damen steigen ausschließlich Beck-Schützlinge aufs Podest.
Auch der Ruder-Achter von Trainer Ralf Holtmeyer macht Furore und gewinnt zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder Gold; Peter-Michael Kolbe allerdings schafft abermals "nur" Silber. Diesmal muss sich Kolbe dem elf Jahre jüngeren Thomas Lange aus der DDR geschlagen geben.
Wie Kolbe jagt auch Zehnkämpfer Jürgen Hingsen vergeblich olympischem Gold hinterher. In Seoul wird der für vollmundige Ankündigungen bekannte Ex-Weltrekordler aus Duisburg nach drei eigenen Fehlstarts - sowie einem mitverschuldeten - im 100-Meter-Lauf disqualifiziert und macht sich mit dem Aus in der ersten Disziplin zum "Deppen der Nation".
Gold geht am Ende nicht an "Titelverteidiger" Daley Thompson, sondern überraschend an den Rostocker Christian Schenk. "Ich hab' keinen Zehnkampf mehr gemacht, aber zehn Jahre Albträume gehabt", schildert Hingsen Jahre später die Auswirkungen seiner Niederlage in der "FAZ".
Sechsmal Gold für Kristin Otto
Neben Schenk trumpfen viele andere DDR-Sportler groß auf. Die Sportnation übertrifft ein weiteres Mal die USA in der Medaillenwertung. Im Radsport sammelt die DDR sechs Medaillen, darunter dreimal Gold. Sechsmal Gold bei ihren sechs Starts holt Allround-Schwimmerin Kristin Otto.
Doch auch hinter Ottos Erfolgen stehen Fragezeichen. Dass in der DDR Spitzenathleten systematisch (zum Teil ohne eigenes Wissen) gedopt wurden, ist aktenkundig. Ihr Trainer Stefan Hetzer wird zwölf Jahre nach Olympia 1988 vom Amtsgericht Leipzig wegen Körperverletzung durch Doping zu einer Geldstrafe von 15.000 D-Mark verurteilt.
Bei den Männern dominiert US-Boy Matt Biondi die Schwimmwettkämpfe: Der damals 22-Jährige gewinnt sieben Medaillen, davon fünf goldene. Zuvor war nur Mark Spitz 1972 noch erfolgreicher.