Olympia 2024 und das Erbe Ekstase in Saint-Denis: Snoop Dogg steht für Aufbruch
Von Olympia 2024 sollen nicht nur die Pariser, sondern auch die Menschen in den "Banlieues" außen herum langfristig profitieren. In den Fokus rückt dabei besonders Saint-Denis im Pariser Norden, durch das der US-amerikanische Rapper Snoop Dogg die olympische Fackel trägt.
Schon als der Mann mit den langen Dreadlocks und den goldenen Sneakers die Treppen von der Brücke über den Canal de Saint-Denis langsam herunterstieg, begannen die ersten Menschen zu kreischen. Als er dann unten ein paar Meter weg vom Kanal angekommen seine Arme hob und lostanzte, wurde es noch einmal lauter in der Pariser Vorstadt Saint-Denis.
Mütter hoben umgehend ihre kleinen Kinder auf die Schultern, Väter zückten ihre Handys und sangen "La-da-da-da-dah" vor sich hin. Was in dem Song danach kommt, ist nicht jugendfrei, den Text lassen wir an dieser Stelle weg. Aber den meisten dürfte schon jetzt klar sein: Snoop Dogg war da. Es wurde laut, als würde er gerade die Bühne bei einem Konzert im Stade de France betreten. Der US-Amerikaner Snoop Dogg nahm es mit einem Grinsen zur Kenntnis.
Snoop Dogg wird vermutlich zum ersten "Fackeltänzer" der olympischen Geschichte
Dabei übernahm er "nur" hinter dem Stadion die olympische Fackel und trug das Feuer ein paar Hundert Meter am Kanal entlang. Ach was, er tanzte es dort entlang, so wie er einen Arm durch die Luft warf und mit dem Körper dazu wippte. Der Rapper wurde damit an diesem Freitag (26.07.2024) vermutlich zum ersten "Fackeltänzer" der olympischen Geschichte.
Man merkte den Menschen förmlich an, wie sie auf diesen Auftritt des 52-Jährigen hinfieberten, mehrere Hunderte Menschen folgten ihm, neben dem Sänger Pharell Williams war er vor der offiziellen Eröffnungsfeier am Abend wohl einer der bekanntesten Fackelläufer. Und mit ihm können sich viele in der von Paris lange abgehängten, ja von Hauptstädern auch gemiedenen Vorstadt, die zum ärmsten Department Frankreichs gehört, identifizieren. Snoop Dogg wuchs in einem Armenviertel von Long Beach auf. Dann begann er zu rappen.
Saint-Denis soll bei und nach den Spielen glänzen
Es passte ohnehin ganz gut, dass Snoop Dogg sowie die Schauspielerin Laetitia Casta und Williams am Freitag in Saint-Denis unterwegs waren, Letztere wurden am Nachmittag vor der Basilika von Tausenden Zuschauern empfangen. Denn von den Olympischen Sommerspielen 2024 sollen nicht nur die Pariser in der Innenstadt profitieren, sondern vor allem auch die unwegsamen "Banlieus" um die Stadt herum, und dabei vor allem eben Saint-Denis. Paris gibt mit diesen Spielen seiner einst so grauen 100.000-Einwohner-Vorstadt Raum zum Glänzen.
Schließlich steht dort nicht nur das Stade de France, der Austragungsort der Rugby- und Leichtathletik-Wettbewerbe. Sondern direkt gegenüber - per frisch erbauter Fußgänger- und Radfahrerbrücke über der 13-spurigen A1 verbunden - befindet sich auch ein nagelneues Wassersportzentrum. Das verrät auch ein wenig über das, was von den Sommerspielen einmal bleiben soll.
Schwimmstätten für die Öffentlichkeit
"Die einzige Sportstätte, die wir gebaut haben, ist das Aquatic Centre in Saint-Denis", sagt Marie Barsacq, Direktorin für "Einfluss und Erbe" im Organisationskomitee - ja, drunter machen sie es nicht bei Olympia. "Aber wir haben auch andere Schwimmbäder in Saint-Denis renoviert und erneuert."
Acht weitere Bäder dienen als Trainingsstätten - und stehen danach auch der Öffentlichkeit offen. Im Rahmen eines Projektes haben in den vergangenen Jahren 36.000 Kinder schwimmen gelernt. Noch immer kann ein großer Teil der Kinder in Saint-Denis nicht schwimmen.
Neue Metro-Station Pleyel Saint-Denis als Tor nach Paris
Zudem steht in Pleyel Saint-Denis, etwa 20 Gehminuten vom Stade de France entfernt, auch eine neue Metrostation. Die Linie 14 aus der Pariser Innenstadt wurde verlängert, bis 2031 sollen weitere Linien dazukommen, um ein Tor nach Paris zu werden. Verlässt man die Züge im Untergrund, strömt einem direkt der Duft von frisch geschnittenem Holz entgegen, so neu ist die U-Bahnhaltestelle, die Japans Star-Architekt Kengo Koma in die Vorstadt setzte.
"Die Menschen hier freuen sich, dass sich die Anbindung verbessert hat", sagt Ismael Ben Yussuf zur Sportschau, nachdem der Fackellauf gerade an der Station Halt machte. "Es ist schon unglaublich, dass wir die Olympischen Sommerspiele hier in Paris erleben dürfen. Es ist eine coole Atmosphäre hier in der Stadt. Jeder lächelt, das ist fantastisch."
Kritik am Olympischen Dorf
Verlässt man das im Innern zu großen Teilen holzvertäfelte Gebäude, marschieren einem ukrainische Bogenschützinnen oder eine äthiopische Sportler-Delegation auf dem Weg zu ihren Wettkampfstätten entgegen. Denn unweit des Bahnhofs befindet sich eben auch das Olympische Dorf. Noch so ein Stück, das bleiben soll in Saint-Denis.
Anders als bei der Metrostation oder dem Schwimmzentrum ist, gibt es aber daran durchaus Kritik in der Bevölkerung. Das liegt einerseits daran, dass für das Dorf eigens ein Autobahnzubringer gebaut werden musste, über den nun eben auch stündlich Hunderte Autos nach Paris und aus der Stadt heraus röhren - und Lärm und Abgase im Ort steigern.
Aus dem Dorf soll ein neues Viertel werden
Zudem mussten für die Errichtung der nachhaltigen Gebäude mit Photovoltaik-Anlagen und Holz aus ökologisch bewirtschafteten Wäldern offenbar andere Anwohner weichen. Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" lebten dort Gastarbeiter "seit vierzig Jahren. Ihre Gemeinschaft wurde zerstört. Und sie werden auch nicht mehr zurückkommen können", sagt die Architektin Marianna Konos in dem Bericht.
Aus dem Ort, der während der Spiele etwa 14.500 Sportlern Platz bietet, soll später in ein neues Viertel mit Wohnungen, Büros und Geschäften werden - dem Ansinnen der Organisatoren nach für die Menschen aus der Vorstadt. Doch die Angst der Gentrifizierung geht dort natürlich trotzdem um. "Das Olympische Dorf und die neue Metro wurden für eine neue Mittelschicht gebaut, die jetzt noch gar nicht hier wohnt. Die Ärmsten müssen gehen", sagt Konos.
300 Meter lange Fußgängerbrücke übers Schienennetz der Nordbahn
Verlässt man das neue Bahnhofsgebäude übrigens zur anderen Seite Richtung Stade de France, kann man über eine frisch eröffnete Fußgängerbrücke marschieren. Die Saint-Deniser müssen ja nicht nur die A1 überwinden in ihrem Ort, sondern auch die Gleiswüste der Pariser Nordbahn.
Dafür haben die Ausrichter die 300 Meter lange Fußgängerbrücke "Franchissement urbain Pleyel" gebaut, die am olympischen Eröffnungstag zwar genutzt wird - allerdings fast ausnahmslos von bummelnden Menschen mit kleinen Frankreich-Fahnen oder Paris-2024-T-Shirts, auch einige olympische Volunteer-Gruppen sind dabei.
Menschen also, die sich geradewegs auf den Weg zu Snoop Doggs kurzen Auftritt am Stade de France machen. Vor der offiziellen Eröffnungsfeier auf der Seine durfte die graue Vorstadt Saint-Denis also zumindest schon einmal ein strahlender Mitgastgeber der Spiele sein - und sie hat ihre Sache gut gemacht.