Der Deutsche Olympische Sportbund über die Olympia-Bewerbung 2032 Olympia 2032: DOSB-Präsident im Rechtfertigungsmodus
In einer denkwürdigen Pressekonferenz hat DOSB-Präsident Alfons Hörmann das IOC der Falschaussage bezichtigt. Zudem stellte er "Rhein Ruhr City"-Initiator Michael Mronz bloß, indem er internen E-Mail-Verkehr veröffentlichte. Der Streit ist das nächste Debakel für Deutschland als Olympia-Standort.
Alfons Hörmann hatte die Latte im Sportschau-Interview am vergangenen Freitag sehr hoch gehängt - auf Rekordhöhe. In einer "vielleicht noch nie dagewesenen Offenheit" werde der DOSB darstellen, wie die vergangenen Wochen und Monate gelaufen seien. Und damit, so der Plan, die Vorwürfe widerlegen, die vor allem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Mronz am selben Tag gegen den DOSB erhoben hatten.
Nach dieser pompösen Ankündigung war klar: Die Pressekonferenz am Montag (01.03.2021) wird keinen Sieger hervorbringen, denn dafür ist das öffentliche Schuldzuweisungsspiel zu peinlich. Aber es wird Verlierer geben. Vielleicht Laschet, weil er den DOSB trotzig mit eher nicht gänzlich informiert wirkenden Vorwürfen attackiert hat? Oder Mronz, weil er Laschet nicht deutlich genug über die schlechten bis aussichtslosen Chancen für Olympia 2032 informiert hatte? Oder Hörmanns DOSB, weil er Laschets Vorwurf kaum entkräften kann, kein Gespür für die Vorgänge im IOC zu haben?
Telefonat zwischen Hörmann und Laschet
Das Resultat: Vor allem Mronz dürfte schwierigen Zeiten entgegensteuern. CSU-Mitglied Hörmann ließ den CDU-Vorsitzenden Laschet weitgehend aus der Kritik. Die beiden hatten laut Hörmann am Montagmorgen 45 Minuten lang telefoniert, Missverständnisse ausgeräumt - und sich dann offenbar auf Mronz als Schuldigen eingeschossen. "Es ist klar geworden, dass der Ministerpräsident wichtige Informationen nicht vorliegen hatte", sagte Hörmann.
Dass dies in den Verantwortungsbereich von Mronz fällt, hatte der DOSB bereits vorab klargemacht und darauf verwiesen, dass Mronz im ständigen Kontakt "mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung" stand.
Laschet bestätigt Telefonat nicht
Einen kleinen Schönheitsfehler allerdings hat Hörmanns Aussage über das Telefonat mit dem Ministerpräsidenten. Laschet bestätigt es auf Nachfrage der Sportschau nicht und teilt mit, er äußere sich nicht zu vertraulichen Gesprächen.
Immerhin aber wäre so erklärbar, dass Laschet noch am vergangenen Dienstag vollmundig verkündet hatte, die Initiative "Rhein Ruhr City" hätte gute Aussichten, offizieller deutscher Bewerber für Olympische und Paralympische Spiele 2032 zu werden. Nur einen Tag später dann die vernichtende Nachricht des IOC: Man werde für Olympia 2032 vorerst nur noch mit dem australischen Brisbane verhandeln.
DOSB veröffentlicht 28-seitige Präsentation
Laschet und Mronz verkündeten daraufhin trotzig am Freitag, sich weiter für 2032 und auch für Olympia 2036 bereitzuhalten - und gaben dem DOSB die Schuld dafür, dass die IOC-Entscheidung so unvermittelt kam. Der Verband habe die Vorzeichen dafür nicht erkannt oder nicht klar genug weitergegeben.
Hörmann hielt am Montag dagegen - mit einer 28 Seiten starken Präsentation inklusive interner E-Mails und Zitaten aus nicht-öffentlichen Sitzungen. Darin fasste der DOSB aus seiner Sicht zusammen, was auf dem Weg zur Vorentscheidung für Brisbane passiert ist. Angefangen mit dem neuen IOC-Vergabeprozess, der seit 2019 gilt. Er ist zeitlich flexibler und undurchsichtiger. Vor allem aber ist aufgehoben, dass die Spiele immer sieben Jahre im Voraus vergeben werden.
Zwei gemeinsame Konferenzen Anfang Januar
Der Fokus der DOSB-Darstellung aber lag auf deutlich jüngeren Daten. Am 7. Januar 2021 habe das IOC in einem gemeinsamen Gespräch mit DOSB und "Rhein Ruhr City" erstmals aufgezeigt, "dass die Vergabe der Spiele auch deutlich schneller erfolgen könnte". Am 15. Januar habe Mronz dann dem IOC das Konzept 40 Minuten lang vorgestellt - inklusive dieses Zeitplans: erst das finale Konzept, dann der Finanzierungsplan und dann ein Bürgerentscheid im dritten Quartal, gekoppelt an die Bundestagswahl. Erst im Anschluss würde der DOSB die Privatinitiative "Rhein Ruhr City" in den Status eines offiziellen deutschen Kandidaten heben.
In einem "Rhein Ruhr City"-Papier, das der DOSB präsentierte, war sogar noch von einer Olympiavergabe 2023 die Rede - angesichts der aktuellen Entwicklungen eine bemerkenswerte Fehleinschätzung des Sportmanagers Mronz.
Hörmann gegen Mronz, Hörmann gegen das IOC
Hörmanns Strategie am Montag erschien als eine zweigleisige. Zum einen wollte er die Botschaft vermitteln: Alle Schritte und insbesondere der Zeitplan waren mit Mronz und "Rhein Ruhr City" stets abgesprochen. Genauere Informationen über eine IOC-Vorentscheidung schon Ende Februar habe der DOSB auch nicht gehabt. "Keiner konnte ahnen, dass es so schnell geht. Aber es kann auch keiner sagen, nicht gewusst zu haben, dass es auch so schnell gehen könnte."
Zum anderen: Auch das IOC habe in seiner Kommunikation im Nachgang zur Entscheidung, in den gezielten Dialog mit Brisbane zu treten, Fehler gemacht, gar falsche Aussagen getätigt. Viele Freunde in Lausanne dürfte sich der DOSB damit nicht gemacht haben.
Hörmann spricht von "Falschaussage"
Tatsächlich hatte IOC-Mitglied Kristin Kloster Aasen für Irritation gesorgt, die Vorsitzende der Evaluierungskommission des IOC. Sie hatte in der Pressekonferenz angemerkt, der DOSB habe "im Februar" mitgeteilt, nicht Teil der weiteren Dialogphase zu sein. Hörmann nennt dies eine Falschaussage. "Es gab keine formale Entscheidung des DOSB für oder gegen einen Eintritt in den 'Continiuous Dialogue'."
Zwar musste das IOC auf Nachfrage der Sportschau in der Tat am Montag einräumen, dass der von Kloster Aasen angesprochene Termin nicht im Februar stattgefunden hatte. Das IOC bleibt aber bei der Darstellung, der DOSB habe sich nicht dem "Continiuous Dialogue" angeschlossen. "Im Gespräch am 7. Januar 2021 wurde das IOC vom DOSB informiert, dass er nach einem positiven Ausgang des geplanten Referendums und einem positiven Votum der Mitgliederversammlung im Dezember 2021 dem 'Continiuous Dialogue' beitreten wolle."
Das deckt sich mit Hörmanns Angaben, aber die Interpretation ist eine andere. Während sich der DOSB mit diesem Zeitplan offenbar weiterhin Chancen ausrechnete, wertete das aufs Tempo drückende IOC das fehlende, erst für Dezember angekündigte Bekenntnis als eine Art Absage.
Hörmann: "Es kann auch mit Mronz gut weitergehen"
Versöhnliche Töne waren am Freitag generell nur wenige zur vernehmen. Gefragt danach, ob der DOSB angesichts der gegenseitigen Vorwürfe weiter mit Mronz und dessen Initiative "Rhein Ruhr City" weiterarbeiten könne, sagte Hörmann: "Die Frage muss man sich stellen. Ich gehe aber davon aus, das es auch mit Mronz gut weitergehen kann."
Die Frage, ob Laschet das auch so sieht, ist offen, die NRW-Staatskanzlei verweist in ihrer Antwort an die Sportschau lediglich darauf, dass "Nordrhein-Westfalen Voraussetzungen geschaffen (hat), um nachhaltige, in die Zeit passende Olympische und Paralympische Spiele ausrichten zu können". Laschet muss sich weiter selbst den Vorwurf gefallen lassen, den DOSB vorschnell und ohne Hintergrundinformationen an den Pranger gestellt zu haben. Aber ein Politiker muss sich auch auf seine Informationen verlassen können - und der Überbringer war in diesem Fall Mronz.
Der Rhein-Ruhr-City-Macher reagierte nach der DOSB-Pressekonferenz per Mitteilung so: "Die umfangreichen Darlegungen des DOSBs belegen, dass wir bis zur Verkündung von Brisbane durch das IOC ganz klar darauf vertrauen durften, unsere Anstrengungen mit Blick auf den Herbst als Datum des Ratsbürgerentscheides zielorientiert weiterzuverfolgen. Es gab für uns keinerlei belastbare Faktenlage oder gar Datums-Perspektiven für eine Entscheidung des IOC im Februar, die irgendeine Änderung unseres Arbeitsprogramms oder eine Mitteilung an unsere Partner notwendig gemacht hätten."
Wieviel wusste wer?
Das bedeutet: Laschet war nicht informiert. Und vielleicht war tatsächlich auch Mronz ahnungslos, weil er die Sprache des IOCs nicht versteht - was dem Chef einer milliardenschweren und am Ende mit Steuergeldern garantierten Initiative nicht wirklich gut zu Gesicht stünde. "Es wird viel zwischen den Zeilen vermittelt", sagte Hörmann auf der Pressekonferenz in diesem Punkt konziliant dazu.
Ob er die Botschaften nicht auch selbst noch deutlicher hätte empfangen und Mronz mitteilen können, bleibt offen. Klar ist am Ende nur: Deutschland ist nach Berchtesgaden, Berlin, Leipzig, München und Hamburg mit einer weiteren Olympia-Gastgeberinitiative krachend gescheitert. Und der öffentliche Zank darüber liefert wenige Gründe zu glauben, dass künftige Bewerbungen besser laufen könnten.
Olympia 2036 in Deutschland?
Nun beginnt die Debatte, ob Deutschland auch als Ausrichter 2036 infrage kommt - 100 Jahre nach den Nazispielen von Berlin. "Mir persönlich fehlt dafür die Vorstellungskraft. Aber es gibt in Reihen des DOSB auch andere Stimmen", sagte Hörmann. Man werde in aller Ruhe darüber nachdenken. Möglicherweise steigt Berlin wieder ins Rennen ein. "Rhein Ruhr City" steht nach eigener Aussage ebenfalls bereit - wer sich dafür allerdings noch ernsthaft engagieren soll, ist heute fraglicher denn je.