"Von einem anderen Stern" Niederländerin Hassan läuft spektakulär zu Marathon-Gold
In einem anspruchsvollen und bis zum Schluss engen Marathonrennen krönt sich Sifan Hassan aus den Niederlanden zur Königin von Paris. Die deutschen Starterinnen hatten mit den vorderen Plätzen nichts zu tun, Melat Yisak Kejeta musste nach gesundheitlichen Problemen gar aufgeben.
Hassan lief bei ihrem überhaupt ersten olympischen Marathon am Sonntag (11.08.2024) nach einem packenden Schlussspurt vor Tigist Assefa aus Äthiopien über die Ziellinie auf der Esplanade des Invalides - und das in olympischer Rekordzeit von 2:22:55 Stunden. Weltrekordhalterin Assefa war nur drei Sekunden langsamer. Bronze gewann die Kenianerin Hellen Obiri (+15 Sekunden).
Für Hassan ist es bereits die dritte Medaille bei den Spielen in Paris. Die 31-Jährige hatte bereits auf der Bahn über 5.000 und 10.000 Meter Bronze gewonnen. Insgesamt ist es ihre sechste Olympia-Medaille. "Es war nicht einfach", sagte sie im Anschluss: "Es war so heiß, aber ich habe mich gut gefühlt. Ich habe mich noch nie so bis zur Ziellinie durchgekämpft wie heute. Ich kann nicht glauben, dass ich Olympiasiegerin im Marathonlauf bin."
Mayer: "Es war ein harter Kampf"
Im Gegensatz zum Männerrennen am Vortag konnten die deutschen Frauen keine Akzente setzen. Domenika Mayer (2:30:14 Stunden) kam als beste der drei DLV-Starterinnen auf Platz 29 mit 7:19 Minuten Rückstand ins Ziel. "Ich habe mich einfach nur gefreut über die Ziellinie zu kommen. Es war ein harter Kampf, aber die Menge hat einen getragen. Man war nie allein und konnte es genießen. Das war richtig Gänsehaut", sagte die 33-Jährige.
Laura Hottenrott (2:31:19) war als 38. eine gute Minute langsamer als ihre Teamkollegin. "Ich habe alles gegeben und bin einfach überglücklich, ins Ziel gekommen zu sein", meinte die 32-Jährige, ehe sie von ihren Tränen übermannt wurde. "Es war ein harter Weg zu den Olympischen Spielen. Ich bin meiner Familie und meinen Freunden unfassbar dankbar, die mich so unterstützt haben, um hierher zu kommen. Wir beide haben im Rahmen unserer Möglichkeiten ein gutes Rennen gemacht."
Für Melat Yisak Kejeta lief das Rennen dagegen enttäuschend. Die 31-Jährige war beim olympischen Marathon vor drei Jahren noch starke Sechste geworden und auch in Paris mit der Hoffnung auf eine Top-Ten-Platzierung an den Start gegangen. Allerdings musste sie bereits nach knapp 20 Kilometern aufgrund von Magenproblemen entkräftet aussteigen.
"Ich habe gestern Abend Bauchschmerzen gehabt", versuchte Kejeta diesen für so bitteren Moment in Worte zu fassen. "Ich habe es versucht, aber es ging nicht." Dabei hatte sie im Vorfeld alles auf die Spiele ausgerichtet und sich extra in ihrem Geburtsland Äthiopien monatelang vorbereitet. "Ich habe so hart gearbeitet, mehr als drei Monate in Afrika trainiert", sagte Kejeta unter Tränen: "Ich kann es nicht beschreiben. Es ist sehr traurig."
Anspruchsvolle Strecke vor einmaliger Kulisse
Auch in Paris bildete der Marathon den glanzvollen Abschluss der Leichtathletik-Wettbewerbe - und läutete gleichzeitig den Auftakt für den letzten Wettkampftag ein. Umrahmt von einer erneut fantastischen Kulisse machten sich die 92 Athletinnen vom Pariser Rathaus Hôtel de Ville auf die 42,195 km lange Strecke entlang der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der französischen Hauptstadt.
Wie hoch die Anforderungen waren, hatte sich bereits am Vortag beim Lauf der Männer gezeigt, als unter anderem der zweimalige Olympiasieger Eliud Kipchoge aus Kenia aufgeben musste. Knackige 436 Höhenmeter mit einer Steigung von bis zu 13,5 Prozent hinaus zum Schloss Versailles und wieder zurück nach Paris galt es auch für die drei deutschen Starterinnen zu bewältigen.
Strecke fordert früh Tribut
Zu den Topfavoritinnen zählten aber andere. Allen voran Weltrekordlerin Assefa und Tokio-Olympiasiegerin Peres Jepchirchir (Kenia), die als erste Athletin in der Leichtathletik-Historie einen zweiten olympischen Marathon hätte gewinnen können. Es war aber Khishigsaikhan Galbadrakh, die nach gut sieben Kilometern den ersten zaghaften Ausreißversuch unternahm. Allerdings wurde die Mongolin zügig eingeholt, während bei steigenden Temperaturen die ersten Athletinnen am Ende des Felds abreißen lassen mussten.
Das anfangs noch dicht gestaffelte Feld wurde nun mehr und mehr in einzelne Grüppchen unterteilt. Auch Jepchirchir schloss zur Spitze auf, ehe sich beim ersten größeren Anstieg zwischen Kilometer 15 und 20 eine Führungsgruppe formierte. Die drei deutschen Athletinnen fielen weiter zurück. Kejeta musste kurz darauf dem Anstieg Tribut zollen und gab mit Seitenstechen auf.
Spitzengruppe nach 30 Kilometern
Im Gegensatz zum Männerrennen am Vortag blieben die wirklich intensiven Tempoverschärfungen zunächst aber weiter aus. Erst als der knackige Gradmesser mit 13 Prozent Steigung nach 28 Kilometern anstand, trennte sich die Spreu vom Weizen. Um Jepchirchir, Assefa und Weltmeisterin Amana Beriso Shankule bildete sich eine achtköpfige Spitzengruppe, zu der sich kurz darauf auch Hassan gesellte.
Acht Kilometer vor dem Ziel wurde das vordere Feld schließlich endgültig gesprengt. Mit Jepchirchir musste ein erste Favoritin überraschend abreißen lassen. Weil auch bei Kilometer 38 fünf Athletinnen gleichauf waren, bahnte sich eine enge Entscheidung an.
Hassan gewinnt nach packendem Finale
Den Eiffelturm vor Augen konnte sich zunächst weiter keine Läuferin absetzen. Auch zwei Kilometer vor dem Ziel war das Rennen um die Medaillen völlig offen, ehe sich Hassan und Asseta absetzen konnten.
Im Zielsprint kam es sogar zum Körperkontakt zwischen den beiden Kontrahentinnen, als Hassan beim Überholvorgang beinahe in die Bande gedrückt wurde. Mit purem Willen und Körpereinsatz zog sie schließlich vorbei und gewann einen der wohl spannendsten olympischen Marathons mit wenigen Metern Vorsprung.
Olympiasiegerin "von einem anderen Stern"
Für Hassan ist es die vorläufige Krönung ihrer Karriere. Dass sie auf der Bahn zum Maß aller Dinge gehört, ist kein Geheimnis. Nun also auch Gold im Lauf-Klassiker schlechthin. Ein Märchen, blickt man auf ihre bewegte Geschichte.
Mit 15 stieg sie in Äthiopien alleine in ein Flugzeug, um in den Niederlanden Asyl zu beantragen. Über die Gründe hat sie bis heute nie geredet. Dafür lässt sie Taten sprechen. Hassan sei "von einem anderen Stern", sagte Hottenrott über die neue Marathon-Königin von Paris.
Den Wettbewerb der Männer am Vortag hatte der Äthiopier Tamirat Tola mit Olympia-Rekord von 2:06:26 Stunden gewonnen. Richard Ringer wurde als bester Deutscher guter Zwölfter, Samuel Fitwi kam als 15. ins Ziel. Der mit einigen Ambitionen gestartete Amanal Petros musste aufgeben.