Sitzung der Exekutive in Lausanne IOC tagt - "Leitplanken" für Rückkehr Russlands
Die Russland-Belarus-Frage spaltet den Weltsport. Das Internationale Olympische Komitee mit Präsident Thomas Bach warnt vor dem Verfall und will mit seiner Exekutive ab Dienstag (28.03.2023) "Leitplanken" für die Rückkehr der bislang verbannten Athletinnen und Athleten beschließen - auch mit Blick auf die Sommerspiele 2024 in Paris.
In weiten Teilen der westlichen Welt stoßen die Pläne angesichts des andauernden Angriffskrieges auf die Ukraine auf Widerstand. So hat sich Polen zum Beispiel gegen die Rückkehr ausgesprochen. Man sei besorgt darüber, dass das IOC seinen gut begründeten Standpunkt revidieren wolle, Sportler aus diesen Ländern nicht zu internationalen Wettkämpfen einzuladen oder zuzulassen, gab das Außenministerium in Warschau am Montag bekannt.
Was steht an?
Der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach versammelt die Exekutive von Dienstag bis Donnerstag in der Zentrale in Lausanne. Zum Auftakt geht es um die Frage, ob und wie russische und belarusische Athletinnen und Athleten inmitten des Angriffskrieges auf die Ukraine an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfen. Bach versprach zuletzt: "Ich bin zuversichtlich, dass wir dann mit entsprechenden Leitlinien kommen werden."
Die Zeit drängt: Einige Qualifikationen für Paris 2024 laufen bereits, viele beginnen im Frühjahr.
Welche Position vertritt das IOC?
Bach behauptet: Weder die Charta der Vereinten Nationen (UN) noch die Olympische Charta ließen Diskriminierung von Athletinnen und Athleten aufgrund ihrer Herkunft zu. Kronzeuginnen sind die UN-Sonderbeauftragten Alexandra Xanthaki und Ashwini K.P..
Bach sieht die olympische Bewegung in einem "großen Dilemma", bei aller Solidarität mit der Ukraine dürfe die Politik keinen Einfluss auf den Sport nehmen. "Sonst stehen wir vor einem Verfall des internationalen Sportsystems."
Wie sehen die bisherigen Überlegungen aus?
Strenge Neutralität, keine aktive Unterstützung des Krieges und die Einhaltung des Anti-Doping-Codes lauten die IOC-Maximen für eine Wiedereingliederung der Russen und Belarusen. Ob und wie das alles kontrolliert werden kann? Auch auf diese Fragen muss Bachs Exekutive Antworten finden. Das IOC will mit seinen "Empfehlungen" einen "Flickenteppich" in der Sportwelt vermeiden.
Im Gespräch ist zudem eine russische Teilnahme an den Asienspielen, um die Konfrontation mit ukrainischen Sportlern zunächst zu umgehen.
Wie sieht die Realität aus?
Den "Flickenteppich" gibt es. Im Tennis etwa dürfen "Neutrale" aus beiden Ländern starten, aber keine Mannschaften. Im Fechten sprach sich der Weltverband für die Rückkehr mit Fahnen und Hymnen aus, die Leichtathletik hält ihren Bann aufrecht. Viele olympische Fachverbände spielen auf Zeit und warten auf die IOC-Empfehlung.
Wie sieht die deutsche Perspektive aus?
Die Politik und die Sportlervertretung Athleten Deutschland sprechen sich deutlich für den weiteren Ausschluss aus. Der DOSB positioniert sich weniger offensiv, trug aber mit einem in Auftrag gegebenen Gutachten zur Frage der Diskriminierung konstruktiv zur Debatte bei.
Rechtsprofessorin Patricia Wiater sieht "legitime Gründe" für einen Ausschluss - auch "friedenspolitische", indem "einer kriegspropagandistischen Instrumentalisierung von Sportereignissen" entgegengewirkt wird.
Was sagt das IOC dazu?
Es nimmt das Papier "zur Kenntnis", vertraut aber auf die beiden UN-Berichterstatterinnen. Außerdem beruft sich das IOC auf eine "überwiegende Mehrheit", die sich in "Konsultationsgesprächen" für die Teilnahme der Russen und Belarusen ausgesprochen habe. Die Forderungen der internationalen Politik - darunter eine Resolution des Europäischen Parlaments - verbittet sich das IOC als Einmischung in die Autonomie des Sports.
Ähnlich dürfte der Verband auf eine gemeinsame Erklärung der Außenminister von Polen, Großbritannien, Litauen, Lettland und Estland reagieren, die am Montag (27.03.2023) veröffentlicht wurde. Darin wird gefordert, Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus von internationalen Wettbewerben auszuschließen.
Werden auch ukrainische Stimmen gehört?
Präsident Wolodymyr Selenskyj, Außenminister Dmytro Kuleba oder Sportminister Wadym Hutzajt: Sie alle kritisieren die IOC-Überlegungen - in ihrer Verzweiflung mitunter mit drastischen Worten. Auch die Klitschko-Brüder mischen sich ein. Doch bislang blieb das IOC bei seiner Linie und bekommt dafür Anerkennung aus Russland. Der Ukraine bleibt die Boykott-Drohung, die sie im Fechten bereits umgesetzt hat.