Überraschung im Freiwasser Oliver Klemet schwimmt in der Strömung der Seine zu Olympia-Silber
Großer Erfolg für Oliver Klemet: Im Freiwasser schwimmt er am Freitag über zehn Kilometer das vielleicht beste Rennen seines Lebens und sichert sich nach 1:50:54 Stunden im Wasser die Silbermedaille. Gold und Bronze gehen nach Ungarn, Florian Wellbrock wird Achter.
Oliver Klemet belohnte sich am Freitag für ein von vorne bis hinten starkes Rennen. Als einziger konnte der 22-Jährige das hohe Tempo des späteren Olympiasiegers Kristof Rasovszky (1:50:54 Stunden) in der starken Strömung der Pariser Seine bis zum Schluss mitgehen. Mit nur zwei Sekunden Rückstand gewann er vor David Bethlehem (1:51:09) schließlich Silber.
"Das ist der größte Wettkampf im Schwimmsport. Da Silber zu gewinnen, das braucht ein paar Tage, um zu verdauen", kommentierte Klemet den größten Erfolg seiner Karriere anschließend. "Ich bin überglücklich und hätte es mir nicht besser erträumen können."
Wellbrocks Spiele enden enttäuschend
Florian Wellbrock hingegen hatte sich sicherlich mehr als seinen achten Platz erträumt. Zwar zeigte sich der 26-Jährige, der 2021 in der Bucht von Tokio noch zu Gold geschwommen war, deutlich verbessert gegenüber seinen desaströsen Auftritten im Becken. Allerdings fiel der Favorit auf die Medaillen nach viel Kampf und langer Zeit an der Spitze des Rennens auf der Schlussrunde zurück.
Erklärungsversuche für seine enttäuschenden Olympischen Spiele gibt es von Wellbrock selbst bislang nicht. Und auch sein Trainer Bernd Berkhahn zeigte sich zuletzt bereits "fassungslos" und ratlos zugleich. So war Wellbrock nicht nur mit großen Zielen, sondern wohl auch in Top-Form nach Paris gereist. Abrufen konnte er sie dort allerdings nicht.
Sprung in die braune Brühe
Pünktlich um 7:30 Uhr hechteten die 29 Schwimmer am Freitagmorgen in das einmal mehr eher brühig-braune statt blaue Wasser der Seine. Dessen Qualität – in den vergangenen Tagen viel diskutiert, oft getestet und zumeist als ungenügend befunden – war zuvor als annehmbar erklärt worden. Auch von Florian Wellbrock und Oliver Klemet selbst, die am Mittwoch erstmals testweise in die Seine gesprungen waren.
Das viel größere und unmittelbarere Problem würde die Strömung sein. Das hatte man nicht nur aus dem deutschen Schwimmteam gehört, sondern vor allem auch im Frauenrennen vom Vortag gesehen. Zum Start allerdings schwammen Wellbrock und Co. allerdings mit der Strömung und somit schnell.
Wellbrock führt das Rennen an
Die ersten 800 Meter auf dem insgesamt rund 1,67 Kilometer langen Rundkurs ging es schließlich flussabwärts – von der Brücke Pont Alexandre III zur Pont de l’Alma. Möglichst in der Flussmitte schwimmend, setzte sich Wellbrock früh an die Spitze des Feldes, bestimmte dort mit seinen langgezogenen Zügen das Tempo. Auch Oliver Klemet konnte mithalten, untermauerte früh seine Ambitionen für das Rennen.
Ambitionen gepaart mit Armkraft brauchte es dann spätestens bei und nach der ersten Wende: Nach 5:29,2 Minuten erfuhr Wellbrock als Erster, wie stark die Strömung der Seine wirklich ist. Mit bis zu 0,7 Metern pro Sekunde trieb sie die Schwimmer beim Umkehren in der Flussmitte weit heraus. "Gerade die Übergänge von Boje zu Boje waren sehr schwierig", sagte auch Klemet später, "weil die ganze Strömung seitlich gegen dich gedrückt hat."
Die Strömung war auch der Grund, warum auf dem Rückweg der insgesamt sechs Runden stets nah an der grün-bewachsenen Ufermauer geschwommen wurde. Dort betrug die Strömung "nur" 0,4 Meter pro Sekunde, das Schwimmtempo halbierte sich dennoch. Nach 17:04 Minuten beendete Wellbrock die erste Runde als Führender.
Das Feld teilt sich
Auf der zweiten Runde ergab sich erstmals eine kleine Lücke im Feld. An die Spitze setzte sich dabei der Ungar Kristof Rasovszky, der das Rennen fortan von vorne anging. Wieder kämpften sich die Schwimmer um die Kurve, mussten dabei den Wechsel in die Gegenströmung navigieren.
Als einer von zehn Schwimmern setzte sich auch Klemet etwas ab. "Die Taktik war, immer vorne zu sein. Mein Trainer hat mich vor der zweiten Runde ein bisschen angebrüllt, weil ich noch ein bisschen zu weit hinten war", sagte er nach Rennende.
Auf der dritten Runde wurden die großen Kontraste wirklich eindrucksvoll sichtbar. Nach 50 Minuten gab der gezeichnete Türke Emir Batur Albayrak als Erster von vier Schwimmern entkräftet auf, klammerte sich schwer atmend an ein Begleitkajak. Vorne hingegen blieb das Tempo hoch. Rasovszky lag zur Hälfte des Rennens mit 54:08,9 Minuten in Führung, Wellbrock mit nur 2,4 Sekunden Rückstand hinter ihm. Auch Klemet war als Siebter in Schlagdistanz.
Zug um Zug zu Silber: Oliver Klemet in der Pariser Seine.
Klemet bleibt dran, Wellbrock fällt zurück
Kleine, an die Ufermauer schwappende Wellen brachten auf dem Rückweg der vierten Runde zusätzliche Herausforderungen mit sich, ehe sich auf der fünften Runde anschließend die Führungsgruppe teilte. Rasovszky erhöhte einmal mehr das Tempo, aber Wellbrock und Klemet gehörten zu einem kleinen Kreis, der ihm bis in die kräftezehrende Schlussrunde folgen konnte. Dort angekommen, reduzierte sich die Führungsgruppe weiter.
Wellbrock musste erstmals seine Position neben dem Ungar an der Spitze aufgeben, fiel nun doch noch zurück. Bei der letzten Wende und vor den letzten achthundert Metern betrug sein Rückstand als Achter bereits 13,1 Sekunden. Ganz anders Oliver Klemet: "Ich habe in der vorletzten Runde einen guten Move gemacht und war dann hinter Kristof. Er hatte dann einen unglaublichen Speed, ich konnte dranbleiben und habe Silber gewonnen."
Nach 1:50:54 Stunden schlug Klemet überraschend als Zweiter am Ziel an. Einzig Rasovszky war mit seiner Zeit von 1:50:52 Stunden noch schneller und sicherte sich so die Goldmedaille. David Bethlehem freute sich als Dritter über Bronze, während Florian Wellbrock kurz darauf als Achter ins Ziel kam - mit einer Zeit von 1:51:54 Stunden und somit rund einer Minute Rückstand auf den Sieger.