Chinas Fan Zhendong in Aktion

Olympiasieger ziehen sich zurück Streit im Tischtennis - das WTT-System gerät unter Druck

Stand: 28.12.2024 15:00 Uhr

Mit dem Rückzug aus der World Tour im Tischtennis haben die Einzel-Olympiasieger von Paris ein Zeichen gesetzt. Der Druck auf den Veranstalter WTT wächst.

Es ist ein Paukenschlag in der Tischtennis-Welt, der am Freitag (27.12.2024) bekannt wurde: Bis auf Weiteres ziehen sich die beiden Einzel-Olympiasieger von Paris, Fan Zhendong und Cheng Meng, aus der internationalen World Tour zurück. Grund dafür ist laut ihren Statements insbesondere die Struktur beim Veranstalter World Table Tennis (WTT).

Fan: "Mir bleibt nur Rückzug aus der Weltrangliste"

Denn die Kritik, die die beiden chinesischen Sportstars an der WTT üben, ist nicht zu überlesen. So äußert sich Fan vor allem über die Strafenregelung negativ. In seinem Statement auf dem chinesischen Netzwerk Weibo heißt es: "Leider hat die WTT ein neues Strafsystem eingeführt. Ich kann mir dieses nicht leisten, akzeptiere aber die Entscheidung. Die einzige Folge, die ich daraus ziehen kann, ist der Rückzug aus der Weltrangliste."

Worauf Fan sich bezieht, ist das Handbuch der Organisation für das kommende Jahr. In diesem heißt es unter Absatz vier, dass Spieler "grundsätzlich zweimal fehlen dürfen, obwohl sie spielen müssten". Verpflichtet zur Teilnahme sind die Top 32 der Welt bei Turnieren der beiden höchsten Kategorien "Champions" und "Grand Smash" - außer sie sind verletzt. Tritt jemand nicht an, droht eine Strafe über 5.000 Euro, die sich bei Wiederholung verdoppeln oder verdreifachen kann.

WTT verteidigt ihre Regeln: "Sollen Integrität wahren"

Am Samstag ließ die WTT in einem Statement verlauten, dass die kritisierten Regeln bereits seit Einführung des Formats im Jahr 2020 bestünden. Weiter heißt es: "Ziel dieser Regeln ist es, sicherzustellen, dass Spitzenspieler bei wichtigen WTT-Veranstaltungen vertreten sind, die Integrität des globalen Wettbewerbs zu wahren und den Spielern, Fans und allen Partnern Veranstaltungen höchster Qualität zu bieten."

Zum Strafensystem erläuterte die Organisation: "Die Strafen für die Nichtteilnahme sollen die Struktur des WTT-Kalenders unterstützen und sicherstellen." Gleichzeitig wies die WTT darauf hin, dass die Preisgelder im kommenden Jahr um 20 Prozent steigen würden und erstmals für bessere Planung ein kompletter Turnierkalender für 2025 veröffentlicht werden konnte. Das Vorgehen sei außerdem in anderen Sportarten so üblich.

Konflikte zwischen Klubs und WTT unvermeidlich

Es ist nicht der erste prominente Fall von Verstimmung: Nur wenige Monate ist es her, dass der mehrfache Afrikameister Quadri Aruna nach einer Strafe öffentlich Kritik geübt hat. Der Nigerianer hatte Klubverpflichtungen nachkommen müssen und konnte an einem von der WTT kurzfristig verschobenen Turnier nicht teilnehmen. Er echauffierte sich hinterher: "Der Klub bezahlt mein Gehalt, nicht die WTT."

Nigerias Quadri Aruna in Aktion

Nigerias Quadri Aruna in Aktion

Das Problem der WTT: Nur von gewonnenen internationalen Preisgeldern leben, kann so gut wie niemand. Daher sind die meisten Profis bei Vereinen angestellt - so wie Aruna damals bei Neu-Ulm. Diese Vereine zahlen ein regelmäßiges Gehalt, erwarten aber natürlich, dass Spieler zur Verfügung stehen.

"Tennis-System" nicht übertragbar

Die WTT dagegen versucht, ihr System an das im Tennis anzulehnen. Was dort funktioniert, ist jedoch nicht einfach übertragbar: Für das Erreichen des Viertelfinals bei den French Open im Tennis bekommt ein Spieler rund 415.000 Euro, für ein Viertelfinale beim vergleichbaren Grand Smash im Tischtennis 17.260 Euro. Anders als beim Tennis, wo beispielsweise die Bundesliga in der Bedeutungslosigkeit versinkt, sind Klubs und Ligen für das Einkommen von Profis weiter unabdingbar.

Das Logo von World Table Tennis bei der World Tour

Das Logo von World Table Tennis bei der World Tour

Dass zwischen Klubs, WTT und Training wenige Pausen sind, erklärte Deutschlands Nummer eins, Dang Qiu, gegenüber der Sportschau im November: "Der Terminplan ist sehr voll, dazu das viele Reisen, oft nach Asien und mit Jetlag. Dann spiele ich in der Bundesliga, im Pokal, in der Champions League und dazwischen muss man auch irgendwie leben und trainieren. Das macht es anspruchsvoll."

WTT und Spieler aufeinander angewiesen

Hat also die World Tour ein grundlegendes Problem? Ja und nein. Es ist ein Problem des ganzen Sports, in dem die Tour nur ein Teil ist. Klar ist: Die WTT sitzt ebenso wie Spielerinnen und Spieler in einer Zwickmühle. Ohne Spieler auf Turnieren funktioniert das System nicht. Die Profis sind dafür auf Preisgelder und vor allem die Weltranglistenpunkte bei der WTT angewiesen. Hinter den Kulissen sind viele unzufrieden mit der Struktur und dem System, doch mit offenen Protest wird sich zurückgehalten.

Denn die WTT beobachtet kritische Stimmen sehr genau und die internationale Monopolstellung erlaubt der Organisation einen großen Machtspielraum. Dass sich nun mit Fan und Cheng, die immerhin fünf Olympiasiege auf sich vereinen, zwei Prominente so deutlich äußern und sogar vorerst zurückziehen, ist für die Organsation ein Problem. Gerade im wichtigsten Absatzmarkt Asien fehlen sie bei der Vermarktung.

Viel landesinterne Konkurrenz für Olympiasieger

Zur Wahrheit dieses Streits gehört aber auch: Cheng ist bereits 30 Jahre alt, Fan mit 27 auch nicht mehr jung. In den letzten Monaten hatten abgesehen von Olympia andere Chinesen bei den Turnieren aufgetrumpft - Fan und Cheng spielten keine Turniere. Vier Chinesinnen führen beispielsweise die Weltrangliste an, Cheng ist dabei "nur" die vier.

Ihr männlicher Kollege liegt auf Platz sechs, für chinesische Erfolge sorgten zuletzt vor allem Wang Chuqin und Jugendweltmeister Lin Shidong. Dennoch: Die Fans wollen natürlich die Olympiasieger von Paris sehen. Dazu erklärte auch Südkoreas Nummer zwei, Jeon Jihee, ihren Rückzug. Aktuell steht sie auf Rang 17 der Weltrangliste. Der Druck für Veränderungen wächst also.

DTTB will Lage erst im neuen Jahr bewerten

Die Nachricht von den Rückzügen wirft natürlich zwangsläufig die Frage auf: Folgen dem Beispiel eventuell auch deutsche Spielerinnen oder Spieler? Davon ist bisher nicht auszugehen. DTTB-Sportvorstand Richard Prause erklärte zum Rückzug: "Wir werden uns damit im neuen Jahr beschäftigen, wenn vielleicht mehr Details bekannt sind. Aus der Ferne ist eine Einschätzung schwierig."

Aber der DTTB weiß auch: Austragungsort für ein größeres Turnier zu werden, wird bei Unstimmigkeit oder Kritik an der WTT sicherlich schwieriger. Der Verband hatte aber genau diese Bewerbung um ein großes Grand Smash mittelfristig in Erwägung gezogen.

Philipp Hofmeister, Sportschau, 05.11.2024 12:15 Uhr