Thronfolger von Michael Phelps Léon Marchand - Frankreichs Wunderschwimmer
Im vergangenen Jahr hat Léon Marchand den letzten Weltrekord von Michael Phelps gebrochen. Nicht nur deswegen gilt der Franzose als Olympia-Favorit und Nachfolger des besten Schwimmers aller Zeiten.
Bob Bowman hat schon den erfolgreichsten Schwimmer der Geschichte trainiert - und nimmt diese Erfahrungen mit in die Arbeit mit dem Athleten, den er zu dessen Nachfolger machen will. Unter der Anleitung des heute 59-Jährigen hat Michael Phelps unter anderem 23 Goldmedaillen bei Olympischen Spielen gewonnen, 13 davon in Einzelrennen - beides absolute Bestmarken unter den fünf Ringen.
Sein neuer Schützling heißt Léon Marchand, der diese Titelmarken ganz sicher nicht erreichen wird, schon alleine deswegen, weil er bei den Spielen in Tokio noch nichts mit der Weltspitze zu tun hatte und in seinen drei Einzelrennen Sechster, 13. und 18. wurde. Doch nun geht der junge Franzose in Paris als möglicher Star der Spiele viermal an den Start - und so oft wie möglich soll dabei der erste Platz rausspringen. Vielleicht sogar auch jedes Mal.
Die erste Goldmedaille sicherte sich Marchand bereits bei seinem ersten Auftritt über die 400 Meter Lagen am Sonntagabend. In seiner Heimat dominierte der Franzose die Konkurrenz und schlug nach 4:02.95 Minuten an – olympischer Rekord.
Léon Marchand brach Lagen-Weltrekord nach 15 Jahren
Der Stern des neuen Wunderschwimmers ging bereits bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr in Fukuoka (Japan) auf. Seine drei Einzelrennen gewann Marchand, er erschütterte aber vor allem mit einem Ergebnis die Schwimmwelt: nach fast 15 Jahren stellte der heute 22-Jährige einen neuen Weltrekord über die 400 Meter Lagen auf. Damit war Phelps seine letzte Bestmarke los. Und der amerikanische Superstar war live dabei und freute sich mit seinem Thronfolger.
Französischer Scwhimmer Leon Marchand
"Das war mein letzter individueller Weltrekord, aber er bleibt bei Bob und Léon in der Familie. Er hätte also an keine bessere Person gehen können", sagte Phelps in einem gemeinsamen Interview mit Marchand für den gemeinsamen Werbepartner "Omega". "Der Trainer ist quasi der Opa meiner Kinder. Er ist wie ein Vater für mich, also wusste ich, was Léon macht."
Phelps pushte Marchand zum Rekord
Vor dem Weltrekordrennen in Fukouka hatte Phelps dem Franzosen schon mehrfach zugesehen, ein persönliches Treffen hatte es aber erst kurz vor dem Verlust seines letzten Weltrekordes gegeben. "Das erste Mal war bei den Weltmeisterschaften, als ich gerade meinen 400-Meter-Vorlauf beendet hatte. Michael saß auf der Tribüne und rief mich zu sich. Er sagte: 'Hol' dir das Ding'", erklärte Marchand. "Ich fühlte mich wirklich gut. Ich hatte eine Legende getroffen und war bereit loszulegen."
Das Ergebnis war der Weltrekord. Und der weckt Erwartungen. Bei seinem großen Idol, bei seinem Trainer, der wieder einen Ausnahmeathleten geformt haben möchte - vor allem aber auch in seiner Heimat Frankreich. Marchand trainiert seit drei Jahren in den USA und hat unter Bowman den Sprung an die Weltspitze geschafft. Es lief so gut, dass er schon 2022 sagte: "Das Ziel ist, eines Tages eine Goldmedaille zu gewinnen. Ich denke, dass Paris dafür ein großartiger Zeitpunkt wäre."
Tauchphase als Prunkstück - wie bei Phelps
Am Sonntag war der Zeitpunkt gekommen. Über die 200 Meter Schmetterling und 200 Meter Brust sowie den 200 Meter Lagen hat er ebenfalls Chancen auf die höchste Stufe des Podests. Er hat so eine vielseitige Klasse, dass die "Süddeutsche" über ihn titelte: "Der Schwimmer, den es nicht geben kann". Was ihn zu einem Eliteschwimmer gemacht hat? Eine Fähigkeit, mit der schon Phelps seine Kontrahenten distanziert hatte.
"Ich habe vor ein paar Jahren eine Doku über Michael und Bob gesehen, in der es nur um das Unterwasserschwimmen ging. Da wurde gezeigt, wie gut Michael darin war, unter Wasser schneller zu werden", sagte Marchand, dessen Tauchphasen jetzt das Nonplusultra im Schwimmen sind. "Ich habe vor drei Jahren angefangen, jeden Tag mein Unterwassertraining zu wiederholen. Jede Runde, jede Kurve. Mit der Zeit wurden daraus genau diese Sekundenbruchteile Unterschied."
Kaltes Wasser verhinderte Marchand-Karriere fast
Der Wechsel in die USA und zum ehemaligen Phelps-Coach Bowman hat ihn dorthin gebracht, eine gewisse Unfähigkeit hatte aber dafür gesorgt, dass Marchand überhaupt im Schwimmbecken geblieben ist. Früh hatte der Sohn von Xavier Marchand, der 1998 WM-Silber über 200 Meter Lagen holte, mit dem Schwimmen begonnen, im Alter von sieben Jahren allerdings damit wieder aufgehört, weil ihm das Wasser zu kalt war.
Marchand junior probierte sich in mehreren Sportarten aus, er begeisterte sich für Rugby und Judo, "aber ich war an Land nie so gut wie im Wasser". Seine Eltern (auch seine Mutter Celine Bonnet war Olympiateilnehmerin) hätten ihn nicht dazu gedrängt, die Badekappe wieder anzuziehen, ihn aber davor gewarnt, welche Zugeständnisse er machen müsse, um Profischwimmer zu werden. "Es war ein großer Vorteil für mich, dass sie die Erfahrung auf höchstem Level hatten", sagte Marchand.
Marchand und Phelps - menschlich unterschiedlich, als Sportler ähnlich
So erfolgreich wie ihr Sohn waren weder Mutter noch Vater allerdings - dabei steht Léon noch am Anfang seiner Karriere. Und mit den Verbindungen zu Phelps hat er die größten Ziele direkt vor Augen, und offenbar sogar auch in greifbarer Nähe. "Die beiden sind von der Persönlichkeit her unterschiedlich, aber die Art und Weise, wie sie an den Sport herangehen, ist sehr ähnlich", sagte Bowman. "Sie sind im Alltag sehr konstant und trainieren jeden Tag auf einem konstant hohen Niveau."
Michael Phleps mit dem Schwimmtrainer Bob Bowman 2007
Bei Weltmeisterschaften hat Marchand schon bewiesen, dass das für ihn nicht nur für das alltägliche Training gilt, sondern auch für den Wettkampf. Bevor der Schwimm-Youngster in Fukuoka zum Star der WM wurde, hatte er 2022 bereits zweimal WM-Gold in Budapest geholt. Jetzt will Marchand auch bei Olympischen Spielen das Erbe von Phelps antreten.