Das deutsche Volleyball-Duo Nils Ehlers und Clemens Wickler
Reportage

Silber für Ehlers/Wickler Es bleiben magische Beachvolleyball-Nächte unterm Eiffelturm

Stand: 11.08.2024 08:50 Uhr

Erstmals seit 2012 holen Deutschlands Beachvolleyball-Männer wieder eine Olympia-Medaille: Nils Ehlers und Clemens Wickler gewinnen nach starken zwei Wochen in Paris Silber - an einem beeindruckenden Ort.

Als um kurz vor Mitternacht von Samstag (10.08.2024) auf Sonntag alles Offizielle abgeschlossen war, da nahm sich der Stadion-DJ in der Beachvolleyball-Arena Stade Tour Eiffel einen Moment der Ruhe. Kein Party-Rausschmeißer, kein Abschiedsgruß, er wollte schlicht den Kreis an seiner Sportstätte direkt unterm Eiffelturm schließen - und ließ Céline Dion die Hymne auf die Liebe, "L'hymne à l'amour" aus den Lautsprechern trällern. Schon als Dion zur ersten Liedzeile anhob, ging ein Raunen durchs Stadion.

Es war die Aufnahme von der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris. Nur ein paar Meter weiter - und höher auf der ersten Ebene des Eiffelturms - hatte Dion das Chanson von Edith Piaf ebenfalls kurz vor Mitternacht live und in Farbe gesungen. Nichts hätte zum Abschluss dieser magischen Beachvolleyball-Nächte unter dem Wahrzeichen von Paris besser gepasst, nichts hätte die verbliebenen Menschen in der Arena wohl ergriffener gemacht. Am Ende des Liedes feierten dieses einige mit einem lauten "Woohoo" und Applaus. Ein würdiger Abschluss des Sandplatz-Spektakels an der vermutlich beeindruckendsten Sportstätte dieser Spiele von Paris.

Céline Dion singt auf dem Eiffelturm

Sportschau Olympia 2024, 27.07.2024 13:39 Uhr

Ahman/Hellvig siegen deutlich gegen deutsches Duo

Magisch war es aber bereits zuvor aufgrund der sportlichen Ereignisse auf dem Sand. Schließlich errangen die Schweden David Ahman und Jonatan Hellvig bereits im Alter von 22 Jahren ihren ersten Olympiasieg, die Europameister von 2022 und 2023 führen die Weltrangliste an und sind schon in jungen Jahren das souveränste Duo der Welt. Das mussten auch die beiden deutschen Finalistinnen erkennen: Nils Ehlers und Clemens Wickler unterlagen deutlich 0:2 (10:21, 13:21).

"Es ist echt eine Achterbahn der Gefühle. Ich bin einerseits mega stolz über unsere Performance im Turnier. Wir haben sechs richtig geile Spiele gezeigt", sagte Wickler, unter anderen die Weltranglisten-Zweiten George/Andre besiegten sie in der K.o.-Runde. Im Halbfinale folgten dann die hoch favorisierten Norweger Anders Mol und Christian Sörum, die Olympiasieger von 2021 sicherten sich am Ende Bronze. So schlägt für den Deutschen Volleyball-Verband die erste Männer-Medaille seit dem Olympiasieg von Julius Brink/Jonas Reckermann 2012 zu Buche, vier Jahre später holten Laura Ludwig und Kira Walkenhorst Gold.

Wickler über Finale: "Schlechtestes Spiel der Saison"

Trotzdem fand Wickler nach der einseitigen Endspiel-Partie im Sportschau-Interview: "Ich bin noch sehr enttäuscht übers Finale. Das war mit Sicherheit das schlechteste Spiel von uns in der gesamten Saison. Echt schade, dass wir im Finale so eine Leistung abgerufen haben." Es tue Wickler leid "für die vielen Fans, die extra fürs Finale angereist sind". Dem 29-Jährigen baumelte da schon seine Silbermedaille um den Hals.

Schwer tun sich Ehlers/Wickler gegen die Schweden seit jeher, ihr frischer Freestyle-Volleyball, der auch mal nach einem oder zwei Kontakten zum Angriffsschlag führt und immer mehr in Mode kommt, liegt den beiden Deutschen überhaupt nicht. Von zwölf Duellen verloren sie elf. Und auch am Samstagabend starteten sie dann wieder schwer ins Match. Schnell stand es 0:3, später dann 5:10. Am Ende des Satzes hatten Ahman/Hellvig zehn Satzbälle - und nutzten den ersten.

Monsterblocks liefern fast nur die Schweden - statt Ehlers

Zu viele Aufschlag- und Angriffsfehler reihte das deutsche Top-Duo aneinander. Es wirkte so, als ob die beiden, die das Turnier ihres Lebens spielten, in ihrem bislang größten Spiel die Nervosität nicht in den Griff bekommen würden. Das änderte sich auch im zweiten Satz nicht, der blieb ähnlich einseitig. "So richtig erklären kann ich es mir auch noch nicht", sagte Wickler. "Die Beine waren komplett schwer, ich schlag den ersten Ball an die Bande hinten. Es war auf jeden Fall ein Kopfthema, vielleicht zu viel gewollt."

Immer wieder wackelten die Tribünen vorm Eiffelturm, wenn wieder eine Blockabwehr am Netz saß. "Monsterblock, Monsterblock, Monster-, Monster-, Monsterblock", schallte aus den Lautsprecherboxen. Doch nicht Ehlers, der sich während des Turniers als einer der stärksten Blocker der Welt präsentierte, war diesmal zur Stelle - sondern fast immer Hellvig. Einen Hit nach dem anderen schoss der Stadion-DJ in die volle Hütte, doch Partystimmung wollte bald nur noch bei den in Gelb gekleideten schwedischen Anhängern aufkommen.

Ehlers/Wickler - "Einerseits Stolz, andererseits enttäuscht"

Sportschau Olympia 2024, 10.08.2024 19:00 Uhr

Gold-Spiel im Schnelldurchlauf beendet - Wickler gibt Versprechen ab

So war das Endspiel um Gold schon im Schnelldurchlauf, nach 34 Minuten Spielzeit um 23.09 Uhr beendet, Ehlers sank erst zu Boden. Gemeinsam mit Wickler saß er dann ein, zwei Minuten auf der Bank neben der Seitenlinie, die beiden mussten von ihren Betreuern getröstet werden. "Es fühlt sich ein bisschen so an, als ob wir das Finale verschenkt haben", sagte Ehlers.

Es dauerte ein wenig, bis sie aufstanden und in Richtung ihrer Fans applaudierten, die während des Spiels ausdauernd im Wechselgesang "Ehlers", "Wickler" riefen. Das war der Sound der vergangenen Tage - diesmal aber ohne positives Ende. Dafür versprach Wickler nun: "Wenn wir noch einmal die Möglichkeit haben, irgendwann vielleicht ein ähnliches Finale zu spielen, machen wir es besser."

Bei der Siegerehrung marschierten die beiden schon wieder mit einem Lächeln auf, sie hatten deutsche Beachvolleyball-Geschichte geschrieben. Silber hat noch nie ein DVV-Team geholt, bislang nur Gold oder Bronze.

Es braucht 16 Menschen, um ein Volleyball-Netz abzubauen

Bevor die Siegerehrung jedoch startete, noch ein kleiner Abstecher ins Kuriositätenkabinett der Spiele. Da durften die Zuschauenden im Stade Tour Eiffel noch einmal staunend erfahren, dass Olympia wahrlich ein Großereignis ist. Sage und schreibe 16 Menschen machten sich am Volleyballnetz zu schaffen, sie bauten es nach und nach ab. Im Schulunterricht ging das damals irgendwie mit weniger Menschen, aber da trugen wohl auch weniger die Verantwortung.

Unmittelbar danach bauten dann wiederum 14 andere das Podium für die Medaillengewinner auf. Aber gut, das war nun wirklich schwierig, musste es doch auf dem Sand gerade stehen - und ja nicht einsinken. Zwei Volunteers zogen dazu noch mit Rechen den Sand ab für eine Siegerspur zum Treppchen, frei von allen Fußabdrücken, die Ahman/Hellvig und Ehlers/Wickler zuvor hinterlassen hatten.

Die Bilder vom Stade Tour Eiffel bleiben

Über diese breite Spur marschierten dann die beiden deutschen und die vier skandinavischen Beachvolleyballer zur Medaillenübergabe, ehe sie dort auch noch für Fotos posieren durften. Da kommen sich auch welche ins Familienalbum - mit dem Eiffelturm im Rücken.

"Nous aurons pour nous l'éternité" - Wir werden die Ewigkeit für uns haben - sang Dion später auf Französisch aus den Lautsprecherboxen. Angesprochen fühlen durften sich die Medaillengewinner, aber auch der Eiffelturm, seit 1889 an Ort und Stelle, und sein olympisches Beachvolleyballstadion davor, das zwar abgebaut wird. Aber: Das Internet vergisst nie. Diese Bilder werden bleiben.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau Olympia 2024 | 10.08.2024 | 07:45 Uhr