Wintersport-Podcast der Sportschau Erik Lesser - "Biathlon ist mehr als CDs und Klopapierrollen"
Erik Lesser - erfolgreicher Biathlet, jetzt Sportschau-Experte. Im Wintersport-Podcast blickt er auf seinen Rücktritt zurück und spricht über seine Zukunft als Trainer und vor der TV-Kamera.
Sportschau: Erik Lesser, wie kann man sich dein Leben nach deinem Rücktritt Anfang 2022 vorstellen?
Erik Lesser: Ich bin ein Sportrentner, der den Rücktritt nicht bereut. Ich habe versucht, jede Minute, die mir jetzt mehr gegeben ist, für meine Familie zu nutzen, für meine Tochter da zu sein. Außerdem habe ich zu meiner aktiven Zeit schon gesagt, dass ich gerne Trainer werden möchte und bin nun seit Oktober Student an der Trainerakademie in Köln. Die größte Angst habe ich dabei vor der Studienarbeit, die ich ablegen soll, weil ich absolut kein Theoretiker bin.
Sportschau: Was hat denn deine Familie gesagt, als du verkündet hast, dass du als aktiver Biathlet aufhörst?
Lesser: Ich bin ja nicht morgens aufgestanden und habe gesagt: Ich höre auf. Das war ein schleichender Prozess. Angefangen mit der Geburt meiner Tochter 2019, die dann an Position eins stand und nicht mehr der Sport. Dazu kamen immer wieder Verletzungssorgen am Rücken. Und die Zeiten, in denen ich richtig erfolgreich war, liegen ja nun auch schon ein bisschen zurück. Ich brauche meine Tochter nicht alleine zu Hause zu lassen, damit ich um Platz 30 kämpfen kann. Natürlich ist es immer cool, unterwegs zu sein und wenn ich keine Familie hätte, würde ich das wahrscheinlich auch noch machen.
Sportschau: Als du zurückgetreten bist, wurdest du von Kollegen und Konkurrenten mit Lob überschüttet. Wie ist der Kontakt mittlerweile zu den anderen?
Lesser: Der Kontakt ist schon immer wieder da, und ich bin auch bei dem einen oder anderen Training mal dabei, gucke mir die Jungs an und gebe hier und da mal einen Tipp. Ich bin da super interessiert und muss natürlich auch interessiert sein, wenn ich in Kontiolahti das erste Mal als Sportschau-Experte am Start bin.
Sportschau: Aber du bist jetzt auch schon so ein bisschen in der Trainerrolle drin, oder?
Lesser: Das war vielleicht vorher auch schon so, weil ich die Trainingsgruppe immer so gesehen habe, dass man nur so gut ist, wie das schlechteste Glied in der Kette. Es bringt mir zum Beispiel nichts, wenn ich bei der Schießzeit deutlich besser bin als die anderen, mich darauf ausruhe und mich feiere. Es wäre viel erstrebenswerter, auch selbst noch besser zu werden. Und das kriege ich nur hin, wenn auch in der Trainingsgruppe jemand dabei ist, der ähnliche Leistungen abrufen kann, sodass man sich gegenseitig herausfordert.
Sportschau: Das hilft sicher auch, um als Leistungssportler immer wieder an seine Grenze zu kommen. War das auch etwas, was dir am Ende gefehlt hat? Die Motivation, auch das Letzte zu geben?
Lesser: Ich habe ganz oft keinen Bock mehr gehabt. Ich habe sehr lange Phasen gehabt, da habe mich schon gefragt: Warum mache ich das eigentlich noch? Mit den Leuten hat es immer Spaß gemacht, aber das Training hat mich einfach nicht mehr abgeholt. Ich habe Jahr für Jahr das Gleiche trainiert, das hat keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe dann ein Jahr vor Peking 2022 alles umgestellt, bin mit meinem neuen Plan zum Trainer gegangen, und er ist den Weg mitgegangen. Das war natürlich ein Riesenschritt, ein Jahr vor Peking alles umzuwerfen, aber es ist ja zum Glück eine Erfolgssaison gewesen.
Sportschau: Jetzt machst du auch wieder alles anders, bist jetzt Sportschau-Experte. Wie hast du dich auf diese Rolle vorbereitet?
Lesser: Gar nicht (lacht). Das soll jetzt nicht arrogant klingen, aber man möchte mich ja als Expertem, weil man mich so sieht, wie ich bin, und wenn ich jetzt anders bin, als ich sonst bin, dann bin ich ja nicht mehr der, den sie eigentlich haben wollten. Ich versuche, da so neutral wie möglich ranzugehen, freue mich aufs Kommentieren, das wird sehr spannend. Aber das kann ich nur lernen, wenn ich es mache. Ich kann mich jetzt nicht zu Hause hinsetzen und quatsch da jetzt mal neben einer Aufzeichnung.
Sportschau: Deine Ex-Kollegin Denise Herrmann-Wick hat nach eigener Aussage deinetwegen schon Schweißperlen auf der Stirn. Du auch?
Lesser: … selbstverständlich. Ich habe natürlich auch einen hohen Anspruch an mich selbst. Ich möchte den Leuten klar machen, dass Biathlon nicht nur aus CDs, Klopapierrollen und 50-Meter-Entfernungen besteht, sondern aus viel mehr Facetten, die man im Fernsehen einfach nicht sieht. Aber ich tue mich einfach schwer damit, dass man immer jeden zu Hause abholen muss. Beim Fußball erklärt ja auch keiner permanent, was Abseits ist. Beim Fußball wird so viel analysiert, das könnte man bei uns auch alles machen.
Es geht um Höchstleistung und darum, dass nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Bis zum Rennen ist das alles eine Schweinearbeit. Man muss an so viel denken und zum richtigen Zeitpunkt auch nicht denken. Das wird manchmal ein bisschen vernachlässigt. Da werden dann Geschichten vom Memory-Spielen gezeigt oder so. Das will ich nicht, das ist Quatsch.