Leichtathletik-WM "Bockmist" - Wieder kein 100-m-Finale für Lückenkemper
Gina Lückenkempers Traum vom WM-Finale über 100 m ist geplatzt. Eine Enttäuschung für die Doppel-Europameisterin, die den Blick aber nach vorn richtet - und sich über den Starter in Budapest beschwerte.
Gina Lückenkemper ließ sich ihren Frust nicht anmerken, fast schon nüchtern deklinierte sie die Summe von Problemen durch, die ihren großen WM-Traum hatten platzen lassen. Nach einer starken Saison lieferte sie ausgerechnet beim Höhepunkt die beiden langsamsten Rennen des Jahres ab. Am Vortag hatten 11,21 Sekunden noch zum Weiterkommen gereicht, im Halbfinale am Montag (21.08.2023) kam dann aber mit 11,18 Sekunden das Aus.
"Es war definitiv eine andere WM, als ich mir das vorgenommen habe", räumte die Europameisterin ein. "Ich habe es hier einfach nicht auf die Bahn bekommen." Der Start gelang, doch "hinten raus, wo ich eigentlich meine Stärke habe, war es nicht gut".
"Irre lange in der Fertig-Position"
Es passte einiges nicht zusammen für die Berlinerin. Probleme im unteren Rücken, die im Vorlauf aufgetreten waren, hätten sie zwar weniger, aber in der Schlussphase des Rennens dann doch gehandicapt. "Das hat mich nicht in Ruhe gelassen. Dann habe ich hintenraus die Hüfte verloren, das ist Bockmist", sagte sie. Sie sei gut aus den Blöcken gekommen, dann aber nicht aggressiv genug gewesen, und auch mit dem Starter haderte Deutschlands Vorzeige-Sprinterin, die von US-Startrainer Lance Brauman gecoacht wird.
"Die Rennen hier sind alles andere als einfach gewesen. Das ist bei einer WM auch eigentlich klar. Aber ich habe es noch nie erlebt, dass man die Athleten in der Fertig-Position so irre lang warten lässt, wie das hier der Fall ist", monierte die 26-Jährige. Am Vortag sei das "besonders gemein" gewesen. Die Athletinnen hätten sich auf der von der gleißenden Sonne aufgeheizten Bahn die Finger verbrannt, weil man sie so lange haben warten lassen. Sie postete ein Bild davon bei Instagram.
Diese Position ist alles andere als dafür gemacht, dass man da Ewigkeiten drin rumhängt. Das ist wirklich unbequem und wir sind darauf getrimmt, dass wir da rausschnippsen und es dann abgeht.
Saisonplanung anscheinend nicht ideal
Möglicherweise, so mutmaßte Deutschlands Sportlerin des Jahres, sei auch die Planung nicht ideal gewesen. "Es war für mich eine extrem lange Saison, ich bin im Februar mit der Hallensaison gestartet. Vielleicht müssen wir für nächstes Jahr gucken, dass wir das ein bisschen drosseln und ein paar Rennen weniger machen, denn die Rennen waren ja bis hierher alle qualitativ sehr hochwertig", sagte die deutsche Nummer eins, die bereits 2017, 2019 und 2022 jeweils im WM-Halbfinale ausgeschieden war. Den Einzug ins Finale hatte die 26-Jährige im Vorfeld der Titelkämpfe in Ungarn als ihr großes Ziel ausgegeben.
Sha'Carri Richardson die neue Sprint-Königin
Schon bei ihrer Vorstellung unmittelbar vor dem Rennstart hatte Lückenkemper allerdings extrem angespannt gewirkt. Im direkten Duell mit Serien-Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser-Pryce aus Jamaika, die sich diesmal mit Bronze hinter ihrer Landsfrau Shericka Jackson und der neuen Sprint-Königin Sha'Carri Richardson aus den USA begnüngen musste, lief Lückenkemper auf Bahn zwei dann aber nur auf dem fünften Platz ins Ziel.
Auch die Hoffnung, sich als eine von zwei Zeitschnellsten zu qualifizieren, zerschlug sich sofort. Ihr fehlten 17 Hundertstel, um als erste deutsche Athletin seit Melanie Paschke 1997 wieder in einem WM-Finale über 100 m zu stehen.
"Jetzt erst recht" in der Staffel
Groß hadern will die 26-Jährige mit der Enttäuschung nicht. "Ich habe das jetzt schon abgehakt, dafür ist es einfach eine Meisterschaft. Wir müssen direkt den Blick nach vorne richten", erklärte Lückenkemper kurz nach ihrem Rennen.
Der Fokus der Doppel-Europameisterin liegt nun auf der Sprint-Staffel, am Freitag (25.08.2023, 20 Uhr) stehen die Vorläufe an. "Nachdem das Einzel so gelaufen ist, heißt es für mich 'jetzt erst recht' in der Staffel", betonte sie. Das Erfolgsquartett des vergangenen Jahres muss in Budapest allerdings aus Verletzungsgründen auf die beiden Stammkräfte Lisa Mayer und Alexandra Burghardt verzichten.