"Die Akte China" Léa Krüger - "Schlag ins Gesicht aller sauberen Athleten"
Präsidiumsmitglied Léa Krüger von der Organisation Athleten Deutschland ist bestürzt über die Enthüllungen zum Verdachtsfall von massenhaftem Doping unter chinesischen Schwimmern und die fragwürdige Rolle der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).
"Meine erste Reaktion auf die Recherche war: Schock und Erschütterung. Wieder ein großer Dopingskandal, und wieder Institutionen, die nicht so gehandelt haben, wie sie hätten handeln müssen, um saubere Athleten zu schützen", sagte Krüger im Interview mit der ARD-Dopingredaktion.
Das "Nicht-Handeln" der WADA bezeichnete die Säbelfechterin als "Schlag ins Gesicht aller sauberen Athleten". Mühsam aufgebautes Vertrauen in Institutionen sei "einfach wieder verpufft".
WADA ließ Vorfall auf sich beruhen
Die Recherche der ARD-Dopingredaktion und der "New York Times" sowie die Veröffentlichung der ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping: Die Akte China" setzt vor allem die WADA unter Druck. Die weltweit höchste Anti-Doping-Institution hatte den großen Doping-Verdachtsfall aus dem Jahr 2021 auf sich beruhen lassen, ohne vor Ort in China eine unabhängige Untersuchung veranlasst zu haben.
23 chinesische Spitzenschwimmer waren positiv auf das verbotene Herzmedikament Trimetazidin getestet worden. Die WADA akzeptierte letztlich die Darstellung in einem chinesischen Untersuchungsbericht, derzufolge die Athletinnen und Athleten im Teamhotel Opfer einer Lebensmittel-Kontamination geworden seien.
WADA sagt: An Regelwerk gehalten
Die WADA hatte auf ARD-Anfrage mitgeteilt, sie habe auf Basis der Analysedaten "keine Grundlage" gesehen, die "Erklärungen der Kontamination anzufechten". Sie stützt das unter anderem auf "niedrige Konzentrationen" und "schwankende Werte" in den Dopingproben.
Die WADA sagt, sie habe sich an ihr Regelwerk gehalten. Dem widerspricht unter anderem in der Doku der renommierte Sportrechtler Thomas Summerer.
Krüger: "Müssen unabhängige Ermittlungen eingeleitet werden"
Diese Beteuerung der WADA könne sie nicht nachvollziehen, sagte Krüger. "Wir sprechen hier von 23 Verdachtsfällen. Wir sprechen von einem verbotenen Dopingmittel und vom Schwimmsport in China, der eine Historie hat. Da müssen unabhängige Ermittlungen vonseiten der WADA eingeleitet werden."
Die Säbelfechterin, die als Athletenvertreterin im Aufsichtsrat der Nationalen Anti-Doping-Agentur sitzt, spricht von einem "Vertrauensbruch" und ergänzt: "Das driftet alles in eine ungewisse Richtung. Die Institutionen, die mich eigentlich schützen sollen, kommen ihrer Aufgabe diesbezüglich nicht nach. Es herrscht ein Grundgefühl: Das Dopingsystem, was wir haben, kann das eigentlich noch funktionieren? Und schützt es noch ausreichend diejenigen, die sich für einen sauberen Sport einsetzen?"