Geringes Risiko der Dopinghändler "Dopingmittel für die ganze Welt"
Folgerecherchen der ARD-Dopingredaktion zur Dokumentation "Geheimsache Doping: Dealer" über den dänischen Großhändler Jacob Sporon-Fiedler liefern Einblicke in das riesige Ausmaß seiner Steroid-Geschäfte.
Der dänische Dopinghändler Jacob Sporon-Fiedler gerät immer mehr unter Druck. Nachdem die ARD-Doku "Geheimsache Doping: Dealer" Anfang April über die kriminellen Machenschaften des Mannes berichtet hatte, verwickelt sich Sporon-Fiedler immer mehr in Widersprüche. Der Däne, der in Mumbai die Firma Alpha Pharma betreibt, behauptete nach der Ausstrahlung der ARD-Doku, mit dem illegalen Handel von Anabolika nichts zu tun zu haben.
Nun legen erstmals ausgestrahlte Aufnahmen mit versteckter Kamera, die die ARD-Dopingredaktion in einem Nachfolgefilm präsentiert, das Gegenteil nahe. So betont er vor laufender Kamera als Repräsentant seiner Firma: "Wir können Ihnen das Endprodukt liefern. Wir haben Lagerbestände verfügbar. Also kein Problem. Wir können das so regeln, wie Sie es gern wünschen." Sporon-Fiedlers Aussagen deuten darauf hin, dass er sehr wohl mit dem illegalen Handel von Dopingsubstanzen zu tun hat – auch wenn er immer wieder auf "Marketingagenten" verweist, die angeblich eingebunden sind.
"Ein Riesen-Problem"
Die erhöhte Aufmerksamkeit durch die ARD-Berichterstattung droht nun Sporon-Fiedlers Handlungsspielraum empfindlich zu stören. "Da besteht dringend Handlungsbedarf", sagt der Chef der dänischen Anti-Doping-Agentur, Kim Højgaard Ravn, "das ist ein Riesen-Problem, dass Jacob Sporon-Fiedler in der Lage ist, Dopingmittel für Europa und wahrscheinlich sogar die ganze Welt zu beschaffen."
Sporon-Fiedler war im November 2019 schon für seine maßgebliche Rolle am illegalen Import von knapp 16 Tonnen anaboler Steroide in das Vereinigte Königreich von einem Londoner Gericht zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden. Offenbar hat er aber höchstens die Hälfte der Strafe verbüßen müssen und anschließend sein Geschäft wieder aufgenommen.
Lager in Dänemark?
Die ARD-Dopingredaktion hatte im Februar eine Lieferung mit Probenmustern von Steroiden erhalten, Anfang März dann ein Angebot für eine Großbestellung Dopingmittel über knapp 400.000 Euro. Die Abwicklung erfolgte über eine E-Mail-Adresse mit dem Namen "Happymail", die die verdeckt arbeitenden Journalisten im Vorzimmer von Sporon-Fiedler in Mumbai erhalten hatten. Das Päckchen war laut Transportdienstleister in Süd-Dänemark abgeschickt worden. Steht Sporon-Fiedler mit einem Lager in Dänemark in Verbindung?
Während er Anfragen der ARD damals und auch jetzt wieder nicht beantwortete, ließ er zwischenzeitlich gegenüber der dänischen Zeitung "Politiken" eine Stellungnahme abgeben: "Alpha-Pharma unterhält seine Lager und Bestände ausschließlich in Mumbai, Indien", heißt es darin. Und außerdem erklärte er: "Wir haben aber keine Kenntnis von einer 'Happymail' oder einem Musterpaket aus Dänemark." Diese Aussage klingt erstaunlich angesichts der Probensendung, die mit Sporon-Fiedler selbst und auch über die in seinem Büro überreichte E-Mail "Happymail" besprochen wurde.
150 Dopingkontrollen in Fitnessstudios pro Jahr
Die Anti-Doping-Agentur seines Heimatlandes geht inzwischen weiter als die Dopingjäger vieler anderer Länder: Seit 2003 testen die Dänen normale Kunden in Fitnessstudios, führten dort zuletzt pro Jahr etwa 150 Dopingkontrollen durch, obwohl jede Kontrolle immerhin knapp 500 Euro kostet. Getestet wird nur gezielt bei Hinweisen oder Verdachtsmomenten. Die Dänen stellen in 50 Prozent der Fälle Dopingverstöße fest. Bei Dopingkontrollen im Hochleistungssport hingegen fällt in der Regel weniger als ein Prozent der Tests positiv aus.
Nach ARD-Informationen hat Sporon-Fiedlers Firma Alpha Pharma zwischen 2018 und 2023 etwa 400 Groß-Lieferungen auf den Weg gebracht, darunter Klassiker des Anabolika-Dopings wie Testosteron-Enantat, Methenolonenantat, Oxanabol oder Drostanolon.
Die Warenwerte aller Sendungen, die offiziell angegeben wurden, summieren sich umgerechnet auf etwa 12,5 Millionen Euro, der Wiederverkaufswert dürfte ein Vielfaches betragen. ARD-Informationen zufolge war Alpha Pharmas Hauptlieferziel eine Firma in Singapur. Laut den Erkenntnissen der National Crime Agency, eine Art Bundeskriminalamt des Vereinigten Königreichs, wurden dort zumindest früher Warensendungen umdeklariert, Absender verschleiert und dann nach Europa verschickt. Aber Alpha Pharma liefert offenbar auch direkt an Empfänger in Ländern wie Ungarn, Paraguay oder der Dominikanischen Republik.
Britische Staatsanwaltschaft fordert noch 31 Millionen Euro
Informationen auf der Internetseite der Kanzlei des britischen Rechtsanwalts David Whittaker legen nahe, dass Sporon-Fiedler neben der schon verbüßten Haftstrafe weitere Konsequenzen drohen: Die Staatsanwaltschaft wolle, so heißt es dort, noch immer einen "Gewinn von 27 Millionen Pfund" (umgerechnet etwa 31 Millionen Euro) einziehen und behaupte, dass Sporon-Fiedler über "verwertbares Vermögen von knapp 15,5 Millionen Pfund" (umgerechnet 18 Millionen Euro) verfüge.
Offenbar ist das Risiko, in Europa belangt zu werden, für Dopingmittelproduzenten wie Jacob Sporon-Fiedler mit Sitz in Indien oder ähnlich entfernt liegenden Ländern eher gering. Der deutsche Zoll teilt mit, dass er Sicherstellungen nicht nach Herstellern erfasst, so dass wohl selbst große Mengen konfiszierter Produkte einer Firma nicht den Anfangsverdacht auslösen können, der Hersteller selbst sei der illegale Importeur.
Ermittlungen "rare Ausnahme"
Strafrechtler Michael Kubiciel hat für den Bundestag die Wirksamkeit des Anti-Doping-Gesetzes in Deutschland überprüft. Das Gesetz stellt unter anderem den Handel mit Anabolika unter Strafe. "Ermittlungen gegen Handelsnetze im Ausland sind die rare Ausnahme", sagt Kubiciel, "das liegt nicht nur an der fehlenden Spezialisierung mancher Staatsanwaltschaften, sondern sicherlich auch an Schwierigkeiten im Rechtshilfeweg bei grenzüberschreitenden Ermittlungen im Ausland."
Auch deshalb können Dopingdealer wie Jacob Sporon-Fiedler vermutlich weiter weitgehend unbehelligt ihren illegalen Geschäften nachgehen.